Immer noch sind wenig Frauen in der Finanzbranche in Führungspositionen. Drei entscheidende Hürden müssen Unternehmen im neuen Jahrzehnt überwinden, um den Anteil der Frauen in Führungspositionen zu erhöhen.


Von Lamara von Albertini


Kaum eine Studie, die zu diesem Thema veröffentlicht wird, zeigt nicht, dass mehr Frauen in der Arbeitswelt und in Führungspositionen einen erheblichen Mehrwert für die Gesellschaft und Wirtschaft darstellen würden. Trotzdem sind die Frauen in den Führungsetagen unterrepräsentiert. Woran liegt das?

In einem Bericht der American Association of University Women offenbaren sich mehrere Schwachstellen in Unternehmen auf dem Weg zu einem höheren Anteil an Frauen im Management: Hürden in der Unternehmenskultur, wie beispielsweise die Unvereinbarkeit von Karriere- und Kinderplanung, sowie unbewusste Vorurteile und Stereotype.

1. Mehrfachbelastung

Die wohl häufigste Barriere auf dem Weg in die Führungsverantwortung liegt nach wie vor in der Mehrfachbelastung, der Frauen häufig über die Betreuung der Kinder sowie Haushalt ausgesetzt sind. Dieser Hürde sollten Unternehmen mit dem Ausbau von Flexibilität und dem Abbau von Präsenzkultur begegnen.

Dabei stellt Führung in Teilzeit eine echte Alternative dar und kann durch Lösungen wie das Tandem-Modell (auch Job-Sharing genannt: zwei Teilzeitkräfte teilen sich eine Vollzeitstelle mit Führungsverantwortung) unkompliziert umgesetzt werden. Beispiele aus der Wirtschaft gibt es bei der Deutschen Bahn, Bosch oder SAP – ein Unternehmen, das mittlerweile alle Führungsstellen als Job-Sharing-Stellen ausschreibt. Auch gleiche Löhne haben übrigens einen Effekt auf die Frauenquote im Management: Bekommen Frauen mehr Gehalt, werden sie automatisch eher in Führungspositionen gesehen und entscheiden sich im Durchschnitt für eine kürzere Elternzeit.

2. Autoritäre Führungskultur

Gleichzeitig braucht es die gezielte Förderung einer integrativen Kultur, damit Frauen überhaupt erfolgreich sein können. Viele Management- und Machtstrukturen sind nach wie vor stereotypisch männlich geprägt, beispielsweise durch eine überwiegend autoritäre Führungskultur im Unternehmen.

Zu oft zielen Massnahmen zur Frauenförderung bisher darauf ab, die angehenden Managerinnen an diese Strukturen anzupassen: Workshops zu Eigenmarketing, Präsentationstechniken oder Körpersprache sollen Frauen auf die Führungsrollen vorbereiten.

Stattdessen bedarf es einer diskriminierungsfreien Unternehmenskultur, in der Diversität ausdrücklich unterstützt wird. Als ersten Schritt können Unternehmen anonyme Befragungen durchführen, um die konkreten Hürden zu identifizieren, die Mitarbeiterinnen bisher davon abhalten mehr Verantwortung zu übernehmen.

3. Erlernte Stereotypen

Viele unserer tagtäglichen Entscheidungen basieren auf blossen Annahmen und verinnerlichten Stereotypen, die wir alle geerbt haben und zu wenig hinterfragen. Beispielsweise neigen wir dazu, vor allem Männer mit Führungspositionen zu assoziieren und stereotypisch feminine Eigenschaften wie Empathie abzuwerten.

Nehmen Frauen einmal eine Führungsrolle wahr (egal welche), wird auf ihnen «herumgehackt»: Äussert eine Frau klar und deutlich ihre Meinung – wird sie als autoritär oder sogar herrisch bewertet; ist sie empathisch und verständnisvoll – gilt sie als schwach. Überdeutlich zeigen sich die erlernten Stereotypen in Evaluationen von Professorinnen an den US-Universitäten. Die Folge ist, dass viele Professorinnen aufgehört haben, die Evaluationen und die Kommentare der Studierenden über sich zu lesen.

Führungskräfte sollten darin geschult werden, unbewusste Vorurteile gegen eigene Teammitglieder und Frauen in Managementpositionen abzubauen. Aus demselben Grund sollte Chancengleichheit auf gar keinen Fall zu einem Frauenthema gemacht, sondern immer als wirtschaftlicher Wettbewerbsvorteil und nicht zuletzt ein elementares Menschenrecht kommuniziert werden.

Nachdenken, statt Geld ausgeben

Im eigenen Unternehmen weiblichen Führungskräften den Aufstieg zu ermöglichen, ist also keine Frage von teuren Recruiting-Kampagnen oder Fördermassnahmen mit dem Ziel, Frauen zu verbiegen. Stattdessen bedarf es einer gründlichen Auseinandersetzung mit der eigenen Unternehmens- und Führungskultur.

Mit Reflexion und bereits wenigen Massnahmen kann man sehr viel erreichen. Die jüngste Erfahrung mit dem Coronavirus zeigt, wie schnell sich Unternehmen für die alternativen Arbeitsformen, wie  zum Beispiel die Telearbeit, entschieden haben und ihre Vorstellung der unvermeidlichen Präsenzzeit aufgegeben haben, die vielen Frauen zum Verhängnis im Beruf wurde.


Lamara von Albertini ist Gründerin und Leiterin des gleichnamigen Compliance-Beratungsunternehmens in Zürich. Zuvor war sie als Head Legal & Compliance bei einer Privatbank in Liechtenstein, davor in einer Rechtsanwaltskanzlei in Zürich, sowie als Legal Counsel im Direktorium grosser Finanzinstitute in der Schweiz tätig. Sie verfügt über fast zwanzig Jahre Berufserfahrung im Banking. Sie hat Rechtswissenschaften an der Universität in Kiew studiert und dort auch promoviert. Sie ist Schweizerin und spricht Deutsch, Englisch, Russisch sowie Ukrainisch.