Krise und Digitalisierung verlangen in Finanzinstituten nach einer neuen Unternehmenskultur, die der «New Work» entspricht. Bank- und Versicherungsmanager müssen in die Verantwortung gehen, schreibt Werner Raschle auf finews.ch.

Von Werner Raschle, Inhaber und CEO der Firma Consult & Pepper

Bis vor einigen Wochen schoben Banken und Versicherungen das Thema «New Work» konsequent auf die – wortwörtlich – lange Bank. Homeoffice und flexible Arbeitszeiten waren undenkbar oder nur unter Inkaufnahme grösserer Komplikationen möglich.

Und dann das: Über Nacht wurde zum New Normal, was zuvor gänzlich ausgeschlossen war.

Noch mitten im Krisenmodus und unter dem Eindruck ihrer CEOs, die sich im Videochat in lässigen Sweatern zeigten, seit Tagen unrasiert, eher unbedarft in der Kameraeinstellung, haben sich die Personalabteilungen daran gemacht, die Mitarbeitenden nach ihren Krisenerfahrungen zu befragen. Das Resultat aus allen diesen Befragungen, geprägt von diesem «New Easy», das sich eingeschlichen hat: Die Mitarbeitenden sind bereit für «New Work» – zumindest die grosse Mehrheit.

Noch weitgehend militärisch hierarchisch

Der Superboost für «New Work» hat durchaus auch die oberste Führungsebene erfasst. Im Vordergrund steht aktuell zwar noch die von Vorsicht geprägte schrittweise Rückkehr ins Büro, gestaffelt nach Wochen und Befindlichkeiten. Doch allen scheint klar: Die vollständige Rückeroberung der Arbeitsplätze im Unternehmen wird es kaum mehr geben.

Werner Raschle
(Werner Raschle, Inhaber und CEO der Consult & Pepper)

Das ist für Banken und Versicherungen, die noch weitgehend hierarchisch wie militärische Organisationen aufgebaut sind und insbesondere über ein ausgeklügeltes Compliance-System verfügen, mehr als Evolution. Das ist Revolution. Und treibt manchem Chief Risk Officer den Angstschweiss auf die Stirn.

Wie führt man im digitalen Raum?

Denn damit verbunden sind Fragen nach strukturellen Anpassungen, Veränderungen in den Arbeitsprozessen, Neudefinition von Führung im digitalen Raum. Und nach einer neuen, verbindlichen Unternehmenskultur. Danach, wie es künftig dem Unternehmen gelingen muss, Identifikation zu stiften und Glaubwürdigkeit zu schaffen, wenn die Mitarbeitenden systematisch virtuell von zu Hause aus arbeiten.

Denn soviel ist sicher, die Unternehmenskultur wird im Spannungsfeld von Homeoffice und zügig voranschreitender Digitalisierung zu einem zentralen und zugleich dynamischen Erfolgselement. Darum müssen die kommunikationsstrategischen Sinne für die interne Kultur heute mehr denn je geschärft werden.

Die Unternehmung kann entweder mit einem umfassenden, detaillierten Framework von Anweisungen und Controlling führen oder sich zu einem grossen Teil auf eine effektive, effiziente und sich an den Unternehmenszielen orientierende interne Kultur bauen.

Manager als Veränderer

Wenn die Unternehmenskultur nicht vom Management mit Ernsthaftigkeit pilotiert wird, findet sie nicht statt. In der Rekrutierung müssen im Hinblick auf eine optimale Unternehmenskultur Führungskräfte gesucht werden, die als Impulsgeber und Veränderer fungieren – und diese Veränderungen auch sichtbar machen und implementieren können.

Funktionale Experten und Spezialisten müssen die Fähigkeit besitzen, Strategie- und Analysekompetenzen mit einem ausgeprägten Bewusstsein für Unternehmenskultur zu kombinieren. Es geht darum, die Unternehmenskultur als inspirierende und motivierende Basis für anspruchsvolle neue Prozesse oder für die Entwicklung von Innovationen zu verstehen. Die Unternehmenskultur muss die Transformation der Finanzdienstleister begleiten, unterstützen und abbilden.

Dienstweg verliert an Bedeutung

Die Entwicklung einer Unternehmenskultur verlangt heute nicht nach schulmeisterlichen Leitbildern, sondern nach einem überlegten, vertrauensvollen und intelligenten Zusammenwirken von Führungsstufen und Mitarbeitenden. Führungsprozesse verändern und beschleunigen sich. Dabei müssen die Verantwortlichen nolens volens in die Verantwortung gehen.

Denn der wichtigste Einflussfaktor auf die Unternehmenskultur sind die Menschen im Betrieb und die Kommunikation zwischen ihnen. Diese Kommunikation wird künftig digitaler, agiler und transparenter. Dienstwege werden an Bedeutung verlieren. Vertrauen wird wichtiger - aber auch Kritikfähigkeit.

Nur wer vertraut, kann künftig der korrosiven Energie, die in vielen Unternehmen durch interne Machtkämpfe, Mikropolitik oder Egozentriker hervorgerufen wird, entgegenwirken. Und wer vertraut, delegiert besser, weil er eher den Mut hat, einen Teil seines Karriereschicksals in die Hände von anderen zu legen und sich dabei wohl zu fühlen.


Werner Raschle ist Inhaber und CEO des Personal und Executive Search-Unternehmens Consult & Pepper und Experte für die Rekrutierung von Fach- und Führungskräften. Bevor er Consult & Pepper übernahm und ausbaute, war er in verschiedenen Führungspositionen für die beiden Schweizer Grossbanken tätig.