Die Debatte um Vitamin D als Schutz gegen Covid-19 droht im Keim zu ersticken. Dabei ist erwiesen, dass die Bevölkerung in Europa im Winter mit Vitamin D unterversorgt ist. Und dass Covid-19-Patienten ebenfalls unterversorgt sind.

Es ist eine zunehmend absurde Kontroverse: Renommierte Mediziner und Wissenschafter empfehlen die Einnahme von Vitamin D zum Schutz vor einer Covid-19-Erkrankung. Aber in den Medien wird die Impfkampagne als einzige Rettung aus dem gegenwärtigen Lockdown und Ausweg aus der Corona-Pandemie propagiert.

Zwei Beispiele: Die deutsche «Zeit» (Artikel bezahlpflichtig) empfiehlt, kein zusätzliches Vitamin D einzunehmen. Die Supplementierung mit «Ersatzpillen» berge Risiken. Und schreibt, dass der Mangel an Sonnenlicht im Winter auch gesund sei und die Stimmung hebe; von wegen «Winter Blues».

Der «Tages-Anzeiger» (Artikel bezahlpflichtig) nennt Vitamin D abschätzig ein «Corona-Mittelchen» und zitiert einen Hausarzt, der sagt, alle ernstzunehmenden Studien hätten gezeigt, dass zusätzliches Vitamin D nichts bringe, wenn nicht ein ausgeprägter Mangel vorliege.

Zusätzliche Einnahme im Winter unbestritten

Somit wäre die mediale Debatte um Vitamin D erledigt. Doch man wundert sich einmal mehr über die einseitige und vorgefasste Meinung und Berichterstattung zur Corona-Pandemie in den Medien.

Die Debatte um eine Supplementierung durch Vitamin D in den lichtarmen Wintermonaten ist schon bald hundert Jahre alt. Im Allgemeinen empfehlen Mediziner und Wissenschafter die zusätzliche Einnahme von Vitamin D bei Kleinkindern, um das Risiko für Knochenwachstumsstörungen zu mindern. Auch ist die positive Wirkung von Vitamin D bei bestimmten Krebserkrankungen nachgewiesen.

Handkehrum schwächt ein Vitamin-D-Mangel auch nachweislich die Abwehrkräfte und das Immunsystem. Weil Vitamin D aber kaum in Nahrungsmitteln vorkommt, muss es der menschliche Körper selbst bilden – und dafür braucht er Sonnenlicht.

Das Problem der Korrelation und der Kausalität

Im vergangenen Herbst haben Ärzte, Mediziner und Wissenschafter sich zu einer internationalen Allianz zusammengeschlossen, um auf die Wirksamkeit von Vitamin D als Schutz gegen eine Covid-19-Erkrankung aufmerksam zu machen. Ihre Daten und Studien würden eine hohe Korrelation zwischen Vitamin-D-Insuffizienz und Covid-19-Erkrankungen zeigen.

Das Reizwort dabei ist «Korrelation». Denn die strenge Wissenschaft verlangt in klinischen Studien eine Kausalität. Sie erlaubt keine Schlüsse im Sinne von «wenn ein Mensch einen zu tiefen Vitamin-D-Spiegel aufweist, kann sich das Risiko einer Covid-19-Erkrankung erhöhen».

Vielmehr ist eine Kausalität verlangt: «Ein zu tiefer Vitamin-D-Spiegel führt zu einer Covid-19-Erkrankung». Tatsächlich konnte in klinischen Studien keine solche Kausalität nachgewiesen werden. Sprich: Eine erhöhte Einnahme von Vitamin D hatte keinen statistisch relevanten Einfluss auf den Verlauf einer Erkrankung am Corona-Virus.

Dosis erhöhen

Dies mag einer der sachlicheren Gründe sein, warum andere Studien, die auf eine Korrelation abstützten, von Corona-Task-Force-Gremien ignoriert, in den Medien klein geredet oder gleich zensuriert werden.

Die betreffende Allianz der Wissenschafter nutzte für ihre Studie und Analyse über 1,6 Millionen Datenpunkte von Corona-Toten und -Genesenen aus global über 240 Standorten. Die Konklusion war, Vitamin D sei eine Schlüsselkomponente im menschlichen Immunsystem. Und die allgemein empfohlene Dosis von 10 Milligram pro Tag sei deutlich zu erhöhen, um tiefere Covid-19-Hospitalisierungs-Raten zu erreichen.

In zahlreichen endikronologischen Studien ist routinemässig festgestellt worden, dass im Winter in Europa bis zu 60 Prozent der Bevölkerung unter Vitamin-D-Mangel leiden. Ein Ausnahme bilden die skandinavischen Staaten: Hier ist die Supplementierung durch Vitamin D im Winter allgemein empfohlen und akzeptiert.

Vier von fünf Patienten haben Mangel an Vitamin D

Hier fällt eine Korrelation auf: In Norwegen und in Finland, wo auch strenge Lockdown-Massnahmen gelten, ist die Anzahl von Todesfällen im Zusammenhang mit einer Covid-19-Erkrankung massiv tiefer als in anderen europäischen Ländern.

Keine Aufmerksamkeit erlangte zudem eine Studie, die im Herbst im «Journal of Clinical Endocrinology & Metabolism» veröffentlicht worden ist. Die Wissenschafter untersuchten den Vitamin-D-Spiegel von 216 Covid-19-Patienten in einem Universitätsspital in Spanien.

Das Ergebnis: Vier von fünf Patienten wiesen einen Vitamin-D-Mangel auf. Auch hier war es nur die Korrelation, die bewiesen wurde, was wohl der Grund war, dass die Studie keinen Nachhall fand. Ein ähnliches Ergebnis hatten im Sommer 2020 amerikanische Wissenschafter im «Journal of Medical Virology» publiziert.

Kein Wundermittel, aber wesentlicher Faktor fürs Immunsystem

Dabei ist die Empfehlung der betreffenden spanischen Wissenschafter wie auch der oben erwähnten Allianz zu Vitamin D keine, die eine wundersame Heilung von Covid-19 oder gar einen vollständigen Schutz vor einer Erkrankung verspricht.

Sie empfehlen lediglich, dass insbesondere Risikopersonen, also ältere Menschen in Heimen oder Menschen mit einer Prädisposition, bezüglich Vitamin D getestet und supplementiert werden sollten. Dies könne einen positiven Effekt auf das Immunsystem haben, und Hospitalisierungen könnten vermieden werden.