Zwei Jahre Telearbeit haben ihre Spuren in den Kleiderschränken hinterlassen. finews.ch sprach mit dem Mitbegründer des Herrenbekleidungsgeschäfts Pelikamo darüber, wie Zürcher Angestellte ihren Stil den neuen Arbeitsbedingungen angepasst haben.

Zum Glück für Sebastiaan Vadasz erlebte der Anzug 2022 ein Comeback und die Verkaufszahlen für Anzüge erreichten wieder das Niveau von vor der Pandemie. Das Gleiche gilt jedoch nicht für die Krawatte.

«Die Pandemie versetzte der bereits oft verschmähten Seidenkrawatte den Todesstoss», so der Mitbegründer des Herrenbekleidungsgeschäfts Pelikamo. Natürlich hat sich die Mode immer wieder neu erfunden, wenn nicht gar wiederholt. Also weiss niemand, ob es irgendwann zu einer Renaissance kommt.

19 Grad Celsius

Über das Verschwinden der Bro-Weste wäre Vadasz nicht traurig. Ursprünglich war das Kleidungsstück bei den New Yorker Angestellten an den Tagen beliebt, an denen sie nicht mit Kunden zu tun hatten. In den letzten Wochen haben sich die ärmellosen Westen wieder unter die Blazer geschlichen, mit denen Männer in Zürich unterwegs sind.

Wenn die Temperaturen im Büro in diesem Winter auf 19 Grad sinken, sind Bro-Westen eine gute Möglichkeit, sich warm zu halten. «Aber ich würde sie lieber unter einem Blazer tragen oder durch einen Kaschmir-Pullover ersetzen», so Vadasz.

Mehr als massgeschneiderte Anzüge

Vadasz meint damit wahrscheinlich die Art von Pullover, die neben Turnschuhen, Jeans und Mänteln in einem seiner drei Läden in Zürich und Basel nach Mass angefertigt werden können.

Über 50 Prozent des Pelikamo-Umsatzes entfallen auf Massanfertigungen, wovon die Anzüge nur ein Teil sind, sagt er.

Tradition oder Mode

In den ersten Jahren nach der Wiedereröffnung kamen gemäss Vadasz viele Kunden zurück, um die gleiche Hose zu kaufen, die sie zwei oder drei Saisons zuvor gekauft hatten.

«Bei Modemarken ist das nicht möglich, denn dort wechseln Modell und Farbe der Kleidungsstücke regelmässig», sagt er.

Radius von einem Kilometer

Als ehemaliger McKinsey-Berater hat Vadasz diese «Urban Professionals» in einem Umkreis von einem Kilometer um den Paradeplatz in den letzten zehn Jahren beobachtet.

Abgesehen von gelegentlichen modischen Patzern findet er sie «gut gekleidet» und stellt fest, dass sie zunehmend mehr Wert auf Qualität legen, nicht nur bei der Kleidung, sondern in allen Lebensbereichen.

Männer geben sich ganzheitlicher

«Früher war es für viele Männer das Wichtigste, ein schnelles Auto zu fahren. Heute interessieren sich viele Gutverdiener dafür, was sie anziehen, was sie essen und wo sie wohnen», sagt er.

Auch das Thema Nachhaltigkeit rückt immer mehr in den Fokus seiner Kunden, die nach der Herkunft der für bestimmte Kleidungsstücke verwendeten Rohstoffe fragen. Als kleines Unternehmen mit 25 Angestellten verlässt sich Vadasz auf die Sorgfalt der grossen Unternehmen, indem er mit Lieferanten arbeitet, die LVMH oder Hermès gehören.

Trend zu Smart Casual

Der Weg in die Zukunft für diese Männer mit wachsendem Bewusstsein ist Smart Casual, sagt er und greift zu einem Beispiel aus seiner neuen Kollektion: Ein Überhemd, das als leichte Jacke über einem T-Shirt oder Pullover getragen wird. Vermutlich sollte es nicht unter einem Blazer getragen werden.