Bordeaux ist Kult. Kein anderer Wein vermag die Geniesser und Spekulanten so in den Bann zu ziehen. «Diese zehn Weine haben mich geprägt und sind einen Schluck wert», stellt Weinexperte Peter Keller auf finews.ch fest.

In meinem letzten Beitrag ging es um Kultweine aus aller Welt. Zu diesem elitären Zirkel gehören auch die Bordeaux. Keine anderen Gewächse vermögen so viele Emotionen auszulösen. Das Öffnen einer Flasche mit einem berühmten Namen ist mit einer romantischen, ja fast mythischen Empfindung verbunden. Die weltbekannten Châteaux ziehen Geniesser und Spekulanten gleichermassen an.

Viele Erlebnisse sind unvergesslich, einige auch enttäuschend. Gewissen Crus wird eine höhere Reputation eingeräumt als sie eigentlich verdienen würden. Unbestritten ist: Die grossen Rotweine (sowie Weiss- und Süssweine) verfügen über eine bemerkenswerte Langlebigkeit. Die Lebenserwartung guter Jahrgänge übertrifft alles, was andere Gewächse dieser Welt bieten können.

Degustation vor Ort fällt aus

Das Frühjahr wäre eigentlich die hohe Zeit in Bordeaux, wenn jeweils an den Primeur-Degustationen der neue Jahrgang vorgestellt wird. Wegen des Coronavirus fällt auch diese Veranstaltung aus. Stattdessen seien hier zehn erlesene, subjektiv ausgewählte Tropfen vorgestellt, die mir in irgendeiner Form unvergesslich geblieben sind. Einige sind (teurer) Kult, andere sind einfach schön zu trinken und irgendwie bezahlbar.

1. Château Margaux, Margaux

 Chateau Margaux

Mit diesem Premier Cru begann vor Jahrzehnten meine Liebe zum Bordeaux. Aus unerfindlichen Gründen landete eine Flasche im Keller. Der Wein wurde eines Tages ohne grosses Wissen degustiert. Er schmeckte so vorzüglich, dass ich mehr wissen wollte. Den Jahrgang habe ich vergessen, aber 1990 war dann der erste subskripierte Jahrgang – für 80 Franken die Flasche. Diese Zeiten sind leider endgültig vorbei. Heute sind es rund 500, 600 Fr. für einen neuen Jahrgang.

2. Château Cheval-Blanc, Saint-Emilion

Chateau Cheval Blanc

Die Ikone und der Kultwein aus dem Saint-Émilion, produziert aus fast 60 Prozent Cabernet Franc und Merlot, ist majestätisch, finessenreich, tiefgründig und nie protzig. Bei einem Besuch des eindrücklichen Guts gab es für die Gruppe den grossartigen 2005er zum Abendessen. Cheval Blanc kostet viel, rund 600 Fr. für den Jahrgang 2017.

3. Château Lafleur, Pomerol

Chateau Lafleur

Die Legende aus dieser Appellation ist sehr rar. Wer sie verkosten darf, schwebt im siebten Himmel. Grosse Emotionen löste der wunderbare 1961er aus. Vor Jahren öffnete ich eine kleine Flasche aus dem Jahr 1983 – unvergesslich. Das war das letzte Lafleur-Erlebnis bis heute. Mittlerweile sind die Preise meistens vierstellig.

4. Château Pétrus, Pomerol

Chateau Petrus

Der neben Lafleur zweite Kultwein aus dem Pomerol wird fast ausschliesslich aus Merlot erzeugt. Er gehört zu den berühmtesten Weinen der Welt, was die astronomischen Preise erklärt. Den 2010er etwa habe ich für über 4'000 Franken gefunden. Pétrus ist ein begehrtes Spekulationsobjekt. In meinem Keller wartet eine Flasche darauf, irgendwann geöffnet zu werden. Verkauft wird sie nicht.

5. Château d’Yquem, Sauternes

Chateau Yquem copy

Es gibt Kenner, welche die Ansicht vertreten, dass der Süsswein der grossartigste Wein von Bordeaux ist. Einzigartig und sehr langlebig ist er auf jeden Fall, wie der 1937er vor Jahren bewiesen hat. Pro Rebstock gibt es gerade mal ein Glas. Preise für neue Jahrgänge liegen bei rund 400 Franken.

6. Château Gruaud-Larose, Saint-Julien

chateau gruaud larose

Aus diesem Schloss kommt der älteste Wein, den ich je getrunken habe – 1928. Der Grufti war durchaus noch geniessbar. Ein grosser Jahrgang ist 1986. Auch die neuen Jahrgänge fallen stets sehr gut aus. Mit rund 80 Franken für neuere Jahrgänge ist Gruaud-Larose preislich relativ vernünftig.

7. Château Léoville-Barton, Saint-Julien

Chateau Leoville

Das gilt auch für Léoville-Barton, der in Sachen Preis und Genuss als einer der konsumentenfreundlichsten Werte gilt. 90 Franken sind nicht günstig, aber die Qualität ist konstant hoch. Man kann den Wein praktisch «blind» kaufen.

8. Château Pichon-Lalande, Pauillac

Chateau Pichon

Der sehr zuverlässige Wert bot früher ein perfektes Preis-/Leistungsverhältnis. Seit einigen Jahren ist er aber deutlich teurer geworden (rund 130 Fr. für den 2017er). Pichon-Lalande vereint Kraft mit Eleganz und ist in exzellenten Jahren sehr langlebig. Er war einer der wenigen Weine aus meinem Geburtsjahr, die qualitativ einigermassen überzeugten. 1958 war generell ein schwieriges Bordeaux-Jahr.

9. Domaine de Chevalier, Pessac-Léognan

Domaine Chevalier

Das ist kein Wein für Spekulanten. Das Gut war lange Zeit für seine superben Weissen bekannt. Jetzt haben auch die roten Gewächse nachgezogen, wie beispielsweise der Jahrgang 2015 belegt. Domaine de Chevalier kostet teilweise deutlich weniger als 100 Fr., die weissen Crus sind teurer, bilden aber die Spitze im Bordelais.

10. Château La Gurgue, Margaux

 Chateau La Gurgue

Neben der Elite spielen die sogenannten Crus bourgeois eine wichtige Rolle. Sie bieten viel Wein für wenig Geld. Gerade in guten Jahren lohnt sich ein Kauf. Als Beispiel sei La Gurgue (rund 30 Fr. für den 2016er) genannt. Vor vielen Jahren gab es in einem Restaurant hoch über Zürich den tollen 1989er zum Schnäppchenpreis. Ich besuchte das Lokal regelmässig, bis alle Weine ausgetrunken waren (TC).


Peter Keller ist Weinakademiker und Weinredaktor der «NZZ am Sonntag».