In Kilchberg am Zürichsee gibt es noch eine Werft, die ausschliesslich Motorboote aus Holz baut. Die exklusiven Boote der Firma Boesch werden in aufwändiger Handarbeit gefertigt und in die ganze Welt geliefert – seit 100 Jahren.

Von Michael Baumann, freier Autor

Viele Prominente gehörten und gehören zu den Kunden der kleinen, aber feinen Bootsmanufaktur Boesch. Doch die Bootsbauer vom Zürichsee machten nie einen Personenkult um ihre prominente Klientel und blieben stets bescheiden sowie bodenständig.

Das hat sich ausbezahlt: Bis heute ist Boesch unabhängig und kann flexibel sowie schnell auf die Marktumstände und die Kundenbedürfnisse reagieren. Am Steuer der Firma ist in vierter Generation Markus Boesch. Der bald 50-Jährige ist mit 30 Jahren in das Unternehmen eingetreten und hat die Leitung von seinem Vater Klaus Boesch und seinem Onkel Urs Boesch übernommen.

Lifestyle der 1950er-Jahre

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(Werkstatt in Kilchberg)

Die Motorboote von Boesch stehen für einen Lifestyle, der in den 1950er-Jahren mit dem Aufkommen des Wasserskifahrens seinen Anfang nahm. Wer etwas auf sich hielt und es sich leisten konnte, schaffte sich ein edles Holzboot an, um damit anfänglich auf den europäischen Binnengewässern und an der französischen Riviera auszufahren und dem neuen Sport zu frönen.

Auf den grossen Liegekissen liess sich auch gut die Sonne geniessen, und von der Badeplattform aus gelangte man bequem ins Wasser. Daran hat sich bis in die Gegenwart nichts geändert. Heute sind Boesch-Boote auf der ganzen Welt zu finden. Selbst auf dem Amazonas in Brasilien ist eines in Betrieb.

Geld von der Familie Sprüngli

An der Stelle in Kilchberg, wo Boesch den Hauptsitz hat, gibt es schon seit 1875 eine Bootswerft. Jakob Boesch, der Urgrossvater von Markus, arbeitete dort und konnte 1920 den Betrieb übernehmen, nachdem der vormalige Besitzer aufgehört hatte. Das Geld dafür bekam er von der Familie Sprüngli, die in der Nachbarschaft eine Fabrik betrieb und bis heute für ihre Schokolade weltbekannt ist.

Seinerzeit wurden an den Gestaden des Zürichsees hauptsächlich Segel- und nur wenige Ruder- und Motorboote hergestellt. Das änderte sich nicht bis Mitte der 1950er-Jahre, als die letzten Segel-Modelle (Starboote) für die Segelregatten der Olympischen Spiele in Melbourne 1956 gebaut wurden. Noch heute sind auf dem Zürichsee Segelboote im Einsatz, die aus der Werft aus Kilchberg stammen und die Jahrgänge 1908, 1913, 1914 und 1925 haben.

Inspiration aus den USA

Boesch Interior 503

Eine Bandsäge aus der Zeit des Urgrossvaters, aus dem Jahr 1929, steht heute noch in der Werft in Kilchberg – und wird nach wie vor gebraucht. Im Jahr 1938 übergab Jakob Boesch den Betrieb seinem Sohn Walter Boesch, der die Ausrichtung der Produktion komplett auf Motorboote umstellte.

Die Inspiration dafür brachte er aus den USA mit, wo er sah, wie auf den Great Lakes mit sogenannten Runabouts, offenen Booten mit grossen Automotoren, herumgefahren wurde. Er nahm nicht nur diese Idee mit in die Schweiz, sondern auch die Serienfertigung von Henry Ford aus dem Automobilbau. Produzierte man früher einfach, was die Kunden wünschten, so entstand nun eine feste Palette von Modellen, so dass gewisse Teile in grösseren Stückzahlen und für das Lager hergestellt wurden.

Auch Elektroboote

Bis zu 130 Boote pro Jahr baute Boesch in der Blütezeit. Kontinuierlich nahm die Stückzahl ab, dafür wurden die Boote grösser, stabiler, exklusiver und luxuriöser. Heutzutage verlassen jährlich noch 15 bis 20 Boote die Werkshallen, die seit 1973 in Sihlbrugg im Kanton Zug stehen. Im Stammhaus werden aus Platzgründen nur noch Servicearbeiten und kleinere Reparaturen durchgeführt. Insgesamt beschäftigt Boesch 40 Mitarbeiter, rund die Hälfte ist im Bootsbau tätig.

Boesch Wallpaper 504

Ein aktuelles Boesch-Boot ist ab 175’000 Franken zu haben. Sechs verschiedene Modelle stehen zur Auswahl und tragen Namen wie Acapulco, Ascona (Bild oben), Portofino, Costa Brava, St. Tropez und Sunski. Seit 2005 können auch Elektroboote bestellt werden.

Udo Jürgens wollte ein Klavier an Bord

Die Boote sind zwischen 6,20 und 9,70 Meter lang und mit einem Motor ausgerüstet oder mit zweien. Je nach Grösse und Zusatzausstattung kann der Preis schnell steigen. Die Ingenieure erfüllen viele ausgefallene Sonderwünsche – aber nicht alle: Als Udo Jürgens ein Klavier auf seinem Schiff eingebaut haben wollte, winkte Boesch ab. Das war aus Gründen der Statik nicht möglich. Und ein Elektro-Piano, das man hätte anbringen können, wollte Jürgens wiederum nicht. Was es bei Boesch auch nicht gibt, sind schwarz oder bunt lackierte Boote. Seit den Anfängen der Werft wurden rund 4'000 Boote gebaut, schätzungsweise 3000 davon sind immer noch auf irgendeinem Gewässer unterwegs.

In den 1980er- und 1990er Jahren, als Kunststoffboote aufkamen, wurden Holzboote auch schon mal weiss gestrichen, um sie optisch der Konkurrenz anzunähern. Über all die Jahre aber hat Boesch konsequent am Holzbau festgehalten. «Das wird sich auch nie ändern», sagt Markus Boesch. «Das edle, mehrfach beschichtete Mahagoniholz ist unser Markenzeichen, das uns unverwechselbar macht und uns unseren Platz in der Nische sichert.»

Schnelle Beschleunigung

Eine Spezialität der Boesch-Boote ist das «Horizon Gliding», das schon in den 1940er-Jahren entwickelt wurde. Weil der Motorblock in der Mitte des Schiffs platziert ist, liegt es sehr gut, ruhig und relativ flach im Wasser. Dazu kommt die zwischen Heck und Motor angebrachte direkte Antriebsanlage mit starrer Welle.

Diese Kombination sorgt dafür, dass Boesch-Boote schnell beschleunigen, bald ins Gleiten kommen und wenig Wellen werfen. Diese Trimmlage ist auch der Grund, warum sie bis heute als Zugboote bei den Wasserski-Meisterschaften eingesetzt werden. Kein Thema im Motorbootbau ist das Downsizing: Weil Wasser tausend Mal dichter ist als Luft, sind starke Aggregate mit viel Drehmoment aus dem Stand nötig.

Sonore Geräuschkulisse

Boesch setzt auf V-8-Zylinder-Motoren der Firmen Mercruiser und Ilmor mit 5,7 oder 6,0 Liter Hubraum und 320 oder 370 PS. Kombiniert werden sie mit einem ZF-Getriebe, das nur einen Vorwärts- und einen Rückwärtsgang hat. Nur so erreicht man die ruckfreie Beschleunigung, bis das Boot in die Gleitlage kommt.

Markus Boesch schwärmt von den Ilmor-Motoren, «da sie viel Leistung bringen, eine schöne, sonore Geräuschkulisse haben und relativ wenig Treibstoff verbrauchen.» Wenig, das heisst bei Booten 15 bis 16 Liter pro Betriebsstunde.

Wartezeit von bis zu einem Jahr

Boesch Amore 505

Wer heute ein neues Boesch-Boot kaufen will, hat sich etwa drei bis vier Monate zu gedulden, bis er es übernehmen kann. So lange dauert es, bis das Boot ab dem Tag der Bestellung fertig aufgebaut ist, wobei alles in Handarbeit gemacht wird. Beim grössten Modell, das fast zehn Meter lang ist, kann die Wartefrist auch schon mal ein Jahr betragen.

Bevor der natürliche Baustoff zu Boesch kommt, ist er schon zwei Jahre lang beim Holzhändler gelagert worden. Für die tragenden Teile eines Boots und für jene, die mit Wasser in Berührung kommen, wird FSC-zertifiziertes Mahagoniholz aus Westafrika, hauptsächlich von der Elfenbeinküste, verwendet.

Sechsmal lackiert

«Mahagoniholz eignet sich besonders gut für den Bootsbau», sagt Markus Boesch, «weil es leicht, stabil und resistent gegen Fäulnis ist. Als Tropenholz ist es sich Feuchtigkeit gewohnt.» Für die anderen Bootsteile greift Boesch auf Holz aus der Schweiz zurück wie Fichte, Föhre, Lärche und Ahorn. Der Bootskörper besteht aus bis zu elf Schichten verleimtem Mahagoniholz.

Dann wird er mit sechs Schichten Epoxidharz behandelt und schliesslich sechsmal lackiert, so dass ein schöner Tiefenglanz entsteht. Markus Boesch spricht über sein Produkt ganz unbescheiden von einer Ikone des Bootsbaus, die er bei den Autos mit einem Porsche 911 vergleicht.

Sonderserie zum Jubiläum

Boesch CenturyEdition 506

Aus Anlass des 100-Jahr-Jubiläums stellen Urs und Klaus Boesch eine Publikation zusammen. Zudem wird die auf 20 Stück limitierte Sonderserie «Century Edition» angeboten, die zu jedem Modell passt und nur auf Bestellung gebaut wird. Dazu gehören ein golden lackierter V8-Motor von Ilmor Marine, von IWC Schaffhausen designte Instrumente, ein «Century-Edition»-Emblem und eine nummerierte Plakette. (tc)