Gehen dem Finanzplatz die Talente aus?

Eines wird im Gespräch schnell deutlich: Der Fachkräftemangel auf dem Finanzplatz Schweiz  ist weniger hausgemacht als vielmehr Folge rasanter technologischer Veränderungen. Besonders technologiegetriebene Funktionen – von IT über Datenanalyse bis hin zu neuen Rollen im Zusammenspiel mit künstlicher Intelligenz (KI) – sind zunehmend schwer zu besetzen. Gleichzeitig wirkt die Integration der Credit Suisse wie ein Katalysator: Mit dem Wegfall von Tausenden Ausbildungs- und Entwicklungsstellen verschwindet ein zentrales Talent-Ökosystem aus dem Markt.

Weniger Möglichkeiten für Karriereentwicklung

Headhunter Reto Jauch warnt vor den langfristigen Folgen dieses Vakuums. Wenn rund ein Fünftel der bisherigen Rollen im Bankenmarkt wegfällt, fehlen nicht nur kurzfristig Fachkräfte, sondern auch systematisch Karrierepfade, über die sich Talente entwickeln konnten. Der Arbeitsmarkt wird enger, das Abwerben unter Wettbewerbern schwieriger – und die Verantwortung verlagert sich stärker nach innen. «Es entsteht eine Lücke: Woher kann ich einerseits neue Leute rekrutieren oder gibt es andererseits weniger Möglichkeiten im Sinne von der Karriereentwicklung?», fragt er. 

Ein zentrales Plädoyer des Podcasts: Employability wird zur gemeinsamen Aufgabe von Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Lebenslanges Lernen ist laut Jauch kein Schlagwort mehr, sondern betriebswirtschaftliche Notwendigkeit: «Institute müssen deutlich mehr in interne Aus- und Weiterbildung investieren, Führungskräfte stärker in die Nachfolge- und Talententwicklung eingebunden werden.» Gleichzeitig sind Mitarbeitende gefordert, ihre Qualifikationen vorausschauend an ein sich wandelndes Umfeld anzupassen. 

Im internationalen Vergleich sieht Jauch die Schweiz zwar solide positioniert, aber nicht an der Spitze. Finanzplätze wie London oder Singapur sind bei alternativen Einstiegswegen, praxisnahen Ausbildungsmodellen und frühen Talentbindungen deutlich weiter. Gerade weichere Eintrittspfade – zwischen Studium, Praxis und berufsbegleitender Qualifikation – seien hierzulande noch zu wenig ausgeprägt.

Auch der Blick auf KI fällt differenziert aus. KI wird den Fachkräftemangel nicht automatisch lösen, könnte ihn in Einstiegspositionen sogar verschärfen. Gleichzeitig eröffnet sie neue Organisationsmodelle, in denen Mensch und Technologie enger zusammenarbeiten. Entscheidend sei, früh Kompetenzen aufzubauen und Berührungsängste abzulegen – sonst drohe der Anschlussverlust.

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