Neues Traumpaar: Trockener Champagner & himmlischer Käse
Brut Nature Champagner stehen für radikale Reinheit und kompromisslosen Geschmack — ohne Zucker, ohne Schminke. Peter Jauch zeigt, warum sich diese Form des Champagners zunehmend als Begleiterin zu edlem Käse bewährt und präsentiert seine fünf persönlichen Favoriten unter diesen puristischen Schaumweinen.
Mit dem Begriff «Brut Nature» wird die trockenste Spielart des renommierten Schaumweins aus der Region in Frankreich definiert. «Brut» bedeutet typischerweise trocken, aber Brut Nature geht einen Schritt weiter: Nach der zweiten Gärung, der sogenannten Dosage oder Zuckeranpassung, wird kein Zucker hinzugefügt.
Der Restzuckergehalt beträgt nur 3 Gramm pro Liter, daher ein extrem trockener, gradliniger Abgang. Zum Vergleich: Ein klassischer Brut-Champagner kann bis zu 12 Gramm Zucker pro Liter Wein haben, Extra Brut bis zu 6 Gramm pro Liter – der Brut Nature (auch bekannt als «Zero Dosage oder «Pas Dosé») schmeckt viel straffer, viel puristischer als seine sanfteren Gegenstücke.
Trauben, Terroir, Winzer
Ohne die süssende Dosage offenbart Brut Nature Champagner reine ehrliche Trauben, Terroir und Winzer. Liebhaber dieses Stils schätzen ihn für die klare Mineralität, die hohe Säure und die prägnante Frucht, die nicht durch Süsse getrübt wird.
Einst waren Champagner extrem süss – vor 150 Jahren waren mehr als 100 Gramm pro Liter die Norm!
Favorit 1: Louis Roederer – Brut Nature Rosé 2018. (Bild: zVg)
Reinheit im Glas
Heute jedoch ist Brut Nature ein Argument gegen die aktuelle Trinkkultur: Reinheit im Glas, frei von dem «Make-up» des hinzugefügten Zuckers. Aber ein solcher Stil erfordert auch Virtuosität, denn ohne Dosage sind Fehler oder Mängel nackt.
Wenn alles stimmt, verwöhnt uns Brut Nature mit erstaunlicher Finesse und einem klaren, belebenden Geschmackserlebnis – die Essenz des Champagners selbst.
Wiedergeburt des Brut Nature
Brut Nature hat sich in den letzten Jahren von einer Nische zu einem faszinierenden Trendsegment im Champagner entwickelt. Ein sich wandelnder Zeitgeist und das Klima schaffen günstige Bedingungen für diese Wiedergeburt: Klimaveränderungen bedeuten reifere Trauben mit weniger Säure, sodass Winzer häufiger auf Zuckerzusatz verzichten oder die Menge reduzieren können. Gleichzeitig wächst das Interesse der Liebhaber an «natürlicheren» Weinen.
Ein Trend zu immer trockeneren Geschmacksprofilen – teilweise beeinflusst von Sommeliers und Weinliebhabern – hat die Nachfrage nach Top of the Pops Brut Nature in den letzten zehn Jahren um 700 Prozent steigen lassen. Viele Weintrinker suchen jetzt nach dem wahren Ausdruck des Terroirs und mögen, dass diese Champagner weniger zuckerhaltig und kalorienreich sind.
Favorit 2: Ruinart – Blanc Singulier Édition 18 Brut Nature. (Bild: zVg)
Trend in der Champagner-Produktion
Der Gegenwind ist auch wirtschaftlich bedeutsam. Obwohl das klassische Brut-Segment (bis 12 Gramm pro Liter Dosage) immer noch etwa 80–95 Prozent des Champagnerverkaufs ausmacht, gewinnen Extra Brut und Brut Nature weiterhin Marktanteile.
Immer mehr Champagnerhäuser bringen eine zuckerfreie Cuvée in ihr Portfolio. Marktführer Moët & Chandon brachte beispielsweise erst 2023 seinen ersten Brut Nature auf den Markt – nach 280 Jahren Firmengeschichte.
Von Roederer bis Ruinart
Selbst Prestigehäuser wie Louis Roederer haben mit einem Stardesigner (Philippe Starck, in diesem Fall) an neuen Brut Nature-Editionen gearbeitet und eben erst die neuen Cuvées von 2018 (blanc & rosé) lanciert. Laurent-Perrier, das 1981 erstmals den gefeierten Ultra Brut und dann 2018 einen Brut Nature Blanc de Blancs abfüllte, war 1889 mit einem «Grand Vin Sans Sucre» ein Pionier. Und Ruinart hat mit den Blanc Singulier Brut Nature, den neuen Blanc de Blancs für die Gastronomie eingeführt, um einen Punkt über den klimabeeinflussten Stilwandel zu machen.
Die Entwicklung wird jedoch nicht nur von den grossen Marken vorangetrieben. Ambitionierte Winzer-Champagnerproduzenten treiben die Kategorie ebenfalls voran: Häuser wie Drappier oder Larmandier-Bernier stellen seit Jahren beeindruckende Zero Dosage Champagner her.
Favorit 3: Élise Bougy – Le Mont Chainqueux Blanc de Noirs Premier Cru Brut Nature. (Bild: zVg)
Ein Kennerprodukt
Auch viele kleine Winzer wie Alexandre Lamblot, Elise Bougy, Cedric Moussé, Alexis Leconte, Girard Bonnet, Clèment Piconnet, und ganz viele mehr setzen ihren Weinen keine zusätzliche Dosage bei.
Es ist eine Dynamik, die beweist, dass Brut Nature viel mehr ist als eine kurzfristige Modeerscheinung. Es bleibt ein Kennerprodukt – Champagner ohne Restzucker ist geschmacklich anspruchsvoll und ein Geschmack, der einen anspruchsvolleren Markt erobert hat.
Verbindung von Tiefe und Genuss
Branchenkenner selbst erkennen an, dass roher Brut Nature nicht für alle geeignet ist. Doch genau diese Herausforderung treibt die Produzenten an. Immer mehr Brut Natures können dank verlängerter Hefelagerung und sorgfältiger Mischung Tiefe mit Genuss verbinden. Das Ergebnis sind faszinierende, supertrockene Schaumweine, die auch als Speisenbegleiter glänzen.
Modisches Produkt im Premiumsegment
Die Nachfrage steigt, insbesondere in der gehobenen Gastronomie und auf Exportmärkten. Japanische Sommeliers haben beispielsweise gezielt nach Brut Nature Champagnern gesucht, um leichte Gerichte (wie Sushi und Sashimi) am besten zu begleiten.
Der Brut Nature ist also nicht nur ein Stilstatement, sondern auch wirtschaftlich interessant: Er ermöglicht es den Häusern, sich mit einem modischen Produkt im Premiumsegment zu positionieren oder neue Fangruppen zu gewinnen.
Favorit 4: Pommery – Cuvée Louise Brut Nature 2006. (Bild: zVg)
Also, zum Käse
Grosse Beachtung gewinnt der Brut Nature mittlerweile auch als genialer Käse-Begleiter. Es mag zwar nicht die offensichtlichste Kombination sein, aber es ist eine himmlische Verbindung.
Tatsächlich glauben viele Sommeliers, dass Käse besser zu Champagner (insbesondere trockenen Stilen) passt als zu traditionellen Rotweinen. Rotwein und Käse – es ist eine Kombination, die häufig serviert wird, aber nicht die schönste, sagt der Weltmeister-Sommelier Marc Almert gegenüber finews.ch.
Lebhaftes Prickeln
Bitter und salzig – Käse bringt beides mit sich. Bei der beliebten, aber nicht unproblematischen Kombination mit Rotwein ergibt dies den Nachteil, dass die Tannine sich multiplizieren, sodass die süsse Wahrnehmung dieser Weine bestenfalls verschwommen ist. Das Problem wird elegant durch einen Brut Nature Champagner umgangen: Dies ist ein Wein meist ohne Tannine und mit einem gewissen Mangel an süssem Ballast, aber mit hoher Säure und einem lebhaften Prickeln.
Diese Eigenschaften haben mehrere sensorische Auswirkungen auf die Käsebegleitung:
- Frische Säure und eine feine, stechende Kohlensäure dienen als Gaumenreiniger. Sie schneiden durch das Fett und Salz des Käses und « »helfen, die Reichhaltigkeit zu durchbrechen“. Ein Bissen cremigen Käses bekommt einen Schluck Brut Nature, um neuen Appetit zu schaffen – er klärt praktisch den Gaumen und bereitet ihn auf den nächsten Bissen vor.
- Keine Süsse, kein Aufhebens: Die völlige Trockenheit von Brut Nature schliesst Geschmacks-Konflikte aus. Süsse Weine mit salzigem Käse können metallisch oder spitz wirken, jedoch ermöglicht Brut Nature, dass die zarten Düfte des Käses ungestört bleiben. Nebenbei bemerkt bringt das Salz im Käse auch die Frucht und Fülle im Wein hervor – so schafft es selbst ein gut gemachter Brut Nature, runder zu erscheinen, wenn der Käse seinen Weg durch den Gaumen findet. Ich nehme an, der Käseeffekt ist, könnte man sagen, ohne tatsächlich süss zu sein.
- Aromatische Synergie: Viele Brut Nature Champagner haben nussige, brotige (von Brioche bis getostet), mineralische Noten aufgrund der langen Hefelagerung. Natürlich sind dies die Aromen, die wahre Seelenverwandte mit Käse sind. Diese Noten von Brioche oder gerösteten Nüssen, vielleicht sogar ein Hauch von dem, was die Franzosen « »Keller“ im Champagner nennen, sprechen so gut mit der umami-würze reifer Käsesorten. Der Geschmack im Mund wird nahtloser und komplizierter. Normalerweise können selbst die renommierten hefig-gerösteten Noten eines Champagners die Affinage-Röstnoten einiger Käselaibe nachahmen.
- Temperatur und Textur: Champagner wird kalt serviert (9-10 Grad!) und ist sprudelnd – ein schöner Kontrapunkt zur weichen, cremigen, öligen Textur vieler Käsesorten. Die Spritzigkeit weckt den Mund. Dies bringt auch die Käsemischung hervor und macht sie weicher und eleganter, etwas, das anspruchsvolle Gourmets sehr schätzen.
Mit anderen Worten: Brut Nature Champagner ist ein klarer, straffer Kontrapunkt zur opulenten Cremigkeit der meisten Käsesorten. Die sensorische Harmonie – kühle Säure, saubere trockene Basis, winzige Bläschen und komplexe Nase – macht ihn auch zu einem perfekten «Sparringpartner» für schwierige Käsekurse. Kein Wunder, dass Käseexperten und Sommeliers zunehmend die Kombination empfehlen.
Perfekter Sparringpartner
Natürlich ist nicht jeder Käse gleich. Diese Bandbreite reicht von sanft-frisch bis kraftvoll-würzig, und die Welt des Champagners ist ähnlich vielfältig. Sie können als Blanc de Blancs (alles weisse Trauben, normalerweise supermineralisch), als Blanc de Noirs (die beiden dunklen Trauben Pinot Noir und Meunier und dadurch robust), als Rosé, als jung oder als NV (non vintage) und im jungen oder alten Stil Brut Nature daherkommen.
Favorit 5: Alexandre Lamblot – Mouvance Brut Nature 2017. (Bild: zVg)
Hier sind einige empfohlene Kombinationen von Brut Nature Champagner und Käse, die sich auf besonders aufregende Weise auf dem Gaumen verbinden:
- Frischer Ziegenkäse (Ziegenkäse, Chèvre) – Der knusprige Klassiker. Besonders junge frische Ziegenkäse, würzig und ein wenig zitronig, mit einem cremigen Vorher und Nachher sind für mich eine perfekte Ergänzung zu Brut Nature. Ein mineralischer Blanc de Blancs Brut Nature betont die Säure und Kräuternoten des Ziegenkäses. Die Kombination hat einen aufregend frischen Geschmack, wobei die Zitrus- und grünen Apfelnoten des Champagners die kühle Säure des Käses betonen – es lässt beide aufblühen. Das Perlage sorgt dafür, dass der häufig milde ziegen-salzige Nachgeschmack verdunstet und die Aufregung bei jedem Bissen zurückwirft. Sommelier-Faustregel: «Käse und Blanc de Blancs funktionieren immer – besonders wenn der Champagner knochentrocken und mässig gealtert ist», sagt Marc Almert. Ein Brut Nature Chardonnay von kalkhaltigen Böden ist also eine gute Wette auf Ziegenkäse.
- Gereifter Comté oder Gruyère (Hartkäse, 18 Monate bis 3 Jahre) – Umami und Delikatesse. Und ein lang gereifter Comté aus dem französischen Jura bringt kristalline Salzkristalle, nussiges Parfüm und eine Karamellnote. Die perfekte Ergänzung ist ein guter, starker Brut Nature mit etwas Alter, wie ein starker Blanc de Noirs (Pinot Noir/Meunier) aus einem grossartigen Jahr (idealerweise mit einem Hauch von Holzalterung). Diese Art von Champagner hat den Körper und die Würze, um diesem ziemlich intensiven Käse standzuhalten. Die oxidativen Töne (von Sherry, getrockneten Früchten) in einem langjährig hefelagerten Brut Nature leisten hervorragende Arbeit, um die komplexen Umami-Aromen des Comté zu spiegeln. Beide vereinen sich zu einem nussig-würzigen Geschmacksmedley, bei dem weder der Käse noch der Wein dominiert – eine perfekte in der Tat Vermischung. Die hohe Säure der Flasche hält den Gaumen trotz des Gewichts des Käses frisch. Weinprofis schwören, dass Comté ein «Traumkäse» für Champagner ist, und in der Brut Nature-Version fühlt sich das Paar besonders exakt und elegant an.
- Blauschimmelkäse (Roquefort, Bleu d’Auvergne, Stilton) – Stark und kühn. Blauschimmelkäse ist (umstritten) ein schwieriger Partner für Wein, aber ein gut ausgewählter Brut Nature Champagner kann hier tatsächlich Wunder wirken. Die salzige, würzige Würze eines Roqueforts beispielsweise verlangt wirklich nach Süsse – doch der Kontrast zu einem Brut Nature ist fesselnd. Das Ideal ist ein robuster, stählerner Jahrgangs-Brut Nature Champagner, sogar wie der Brut Nature Rosé, der durch lange Lagerung etwas Fülle und Cremigkeit gewonnen hat. Ein fruchtreicher und subtil tanninhaltiger Rosé Champagner (aus Pinot Noir) wird mit Blauschimmelkäse harmonieren, ohne seine Griffigkeit der Süsse zu überlassen. Die Trockenheit des Abgangs wischt den Gaumen nach dieser intensiven Käsetextur ab, während die Hefegeschmacksnote des Champagners eine handschuhartige Klarheit mit den erdigen edlen schimmeligen Düften hervorbringt. Dies könnte eine kühne Kombination sein – es ist sicherlich ein Wunder für kühne Abenteurer. Einige Sommeliers hingegen empfehlen halbtrockene Schaumweine zu Blauschimmelkäse. Aber nachdem Sie das komplexe Zusammenspiel des salzigen Blauschimmelkäses mit dem messerscharfen trockenen Champagner probiert haben, werden Sie verstehen, warum der Schritt Mut erfordert. Sie möchten einen Brut Nature, der etwas Körper hat, damit der Käse geschmacklich nicht ausgelöscht wird, und dann erhalten Sie ein faszinierendes Set von Kontrasten, Salz gegen Säure, Creme gegen Sprudel.
Brut Nature Champagner und Käse bilden ein Duo, das sowohl Gaumenfreude als auch Zeitgeist vereint. Auf der einen Seite steht der unverfälschte, trendige Champagnerstil – ein Produkt für Entdecker, die das Echte suchen und die Champagne in ihrer pursten Form geniessen möchten. Auf der anderen Seite traditionelle Käsespezialitäten, vom zarten Ziegenkäse bis zum charakterstarken Blauschimmel, die durch den richtigen Weinbegleiter ganz neue Facetten entfalten. Zusammen ergeben sie ein gastronomisches Erlebnis, das selbst anspruchsvolle Geniesser begeistert.
Für die Weinwirtschaft ist Brut Nature ein spannendes Wachstumsfeld, das zeigt, wie veränderte Verbraucherwünsche (Stichwort: weniger Zucker, mehr Authentizität) direkt zu neuen Genusskonzepten führen. Die Champagne reagiert mit Innovationsfreude – und Liebhaber hochwertiger Kulinarik profitieren davon. Champagner Brut Nature und Käse – das ist Lernen, wie aufregend «trocken» sein kann.
Probieren Sie es aus: Dieses Zusammenspiel von knochentrockener Eleganz und würziger Cremigkeit dürfte Ihnen ein genussvolles Aha-Erlebnis bescheren. In diesem Sinne: Bon Appétit und Santé!
Peter Jauch ist…
… Spirituosen Sommelier mit einem Hang zu hochklassigen Cocktails und kombiniert diese gerne mit bestem Food.
… Autor von Coffee-Table-Büchern zu GIN & CHAMPAGNER.
… ein versierter Spirituosen und Champagner Tastinghost.
… zusammen mit Freunden Veranstalter eines Erlebnis-Festivals.
HIER finden Sie eine ausführliche Besprechung seiner Brute-Nature-Favoriten.