Gabriele La Monica: «Giorgio Armanis Erbe muss bewahrt werden»
Gabriele La Monica, als langjähriger Finanzjournalist sind Sie Giorgio Armani regelmässig begegnet. Wie liefen solche Begegnungen ab?
Für einen Wirtschaftsjournalisten war es immer eine eher frustrierende Erfahrung, Giorgio Armani zu begegnen. Die Nachricht von einem möglichen Börsengang oder gar einem Verkauf seines Unternehmens an Dritte stellte so etwas wie den Heiligen Gral des Finanzjournalismus dar.
Warum?
Ein solcher Scoop hätte mindestens eine Beförderung oder gar ewigen Ruhm bedeutet. Und so habe ich jedes Mal, wenn ich ihm begegnet bin, versucht, diesen Primeur zu landen – und Giorgio hat jedes Mal jeglichen möglichen Rückzug aus seiner geliebten «Schöpfung» verneint. So erzählt, klingt dies fast wie eine Art «journalistisches Stalking».
«Er verkörperte sowohl die Kreativität der Modewelt als auch die typisch mailändische Zurückhaltung.»
Doch «Re Giorgio» (auf Deutsch: «König Giorgio») wusste genau, wie relevant eine solche Nachricht gewesen wäre, und jedes Mal zerstörte er mit unendlicher Geduld und Höflichkeit, aber ebenso grosser Bestimmtheit, die Träume des jeweiligen Reporters.
Wie war Armani sonst als Person?
Die Medienwelt – und nicht nur sie – nannte ihn «Re Giorgio», weil er als der wahre König von Mailand galt. Er verkörperte sowohl die Kreativität der Modewelt als auch die typisch mailändische Zurückhaltung, die oft bis ins Understatement reichte.
«Mit Armani zu sprechen war nicht einfach.»
Wie jeder grosse Mailänder war auch Armani nicht in Mailand geboren, sondern in Piacenza – und bestätigte damit den Mythos, dass Mailand ein Schmelztiegel ist, der dank der ständigen Zuflüsse von «fremdem Blut» wächst und gedeiht.
Wofür interessierte sich Armani sonst noch?
Mit Armani zu sprechen, war nicht einfach – schon allein deshalb, weil seine gesellschaftlichen Auftritte immer recht begrenzt waren. Eine Ausnahme bildeten die Spiele des lokalen Basketballteams Olimpia Milano, dessen Spiele er nach der Übernahme regelmässig verfolgte, wann immer er konnte.
Über Basketball sprach er auch weitaus lieber – und zwar mit grosser Kompetenz und Aufmerksamkeit.
Wie tickte Armani?
Eine der amüsantesten Anekdoten betrifft Dan Peterson, den legendären Trainer von Olimpia Milano, der während der Armani-Ära für ein paar Monate auf die Mailänder Bank zurückkehrte.
Aus Sicht der Eleganz war der Coach die Nemesis von Pat Riley, dem berühmten Trainer der Los Angeles Lakers, der dafür bekannt war, ausschliesslich Armani-Anzüge zu tragen.
«Die Todsünde, die jedes Gespräch verunmöglichte, war Unhöflichkeit und Aufdringlichkeit.»
Kaum hatte «Re Giorgio» Peterson mit seiner viel zu grossen, ausgeleierten Jacke auf der Bank gesichtet, befahl er seinen Leuten, ihn sofort in die Schneiderei zu bringen und neu einzukleiden.
Sie haben eingangs von der Frustration bei Treffen mit Armani gesprochen. Unter dem Strich dürften die Begegnungen gleichwohl positiv in Erinnerung bleiben.
Klar. Mit Armani zu sprechen, war trotz allem eine sehr angenehme Erfahrung. Wie es oft bei wirklich grossen Persönlichkeiten der Fall ist – mir persönlich ist es nur beim «Avvocato» Gianni Agnelli und noch zuvor bei Enrico Cuccia so ergangen – vermittelte Giorgio Armani nie das Gefühl, herablassend oder aus reinem Pflichtgefühl mit einem zu reden.
Er ging nicht weiter, während er sprach, so als ob er noch etwas Wichtigeres zu tun hätte. Er blieb stehen und schenkte einem seine volle Aufmerksamkeit, und zwar mit einer Höflichkeit und Sensibilität, selbst wenn man bei gewissen Themen ungenügend vorbereitet war.
Was bleibt von Armani?
Die Todsünde, die jedes Gespräch verunmöglichte, war Unhöflichkeit und Aufdringlichkeit. Wenn sich in einer Journalistengruppe jemand im Ton vergriff oder sich unhöflich verhielt, konnte man sicher sein, dass Armani sofort verschwand.
«Man muss sich an seinen Respekt für die Körper der Models erinnern.»
Seine Nüchternheit ist ein Erbe, das die Modewelt – allzu oft gefangen in Experimenten am «Rande von Hellzapoppin» – bewahren muss, ein Erbe, das um jeden Preis geschützt werden sollte.
Ebenso muss man sich an seinen Respekt für die Körper der Models erinnern, die für ihn auf den Laufsteg gingen: immer schön und schlank, aber nie von jener krankhaften Magerkeit, die viele seiner Kollegen fälschlicherweise als Schönheit verkaufen.
Gabriele La Monica (Bild oben) zählt zu den erfahrensten und angesehensten Finanzjournalisten Italiens. Er leitet die Mailänder Redaktion der italienischen Nachrichtenagentur «Milano Finanza – MF Newswires», die zum italienischen Wirtschaftsmedienkonzern Class Editori gehört.