Der Werdegang des kürzlichen verstorbenen Anshu Jains ist exemplarisch für das Auf-und-Ab der europäischen Investmentbanken. Die Top-Manager der Credit Suisse, die derzeit vor existenziellen Entscheidungen stehen, könnten sich ein Beispiel daran nehmen.

Nur wenige Finanzleute haben das europäische Investmentbanking seit der Jahrtausendwende stärker geprägt als der am Wochenende mit 59 Jahren an Krebs verstorbene Anshu Jain.

Sein Wirken ist nicht nur exemplarisch für das Wetteifern zwischen den dominanten US-Investmentbanken und den vergeblichen Versuchen europäischer Häuser in diese Liga aufzusteigen. Sondern es offenbart auch, welchen Schaden gewisse, fehlgeleitete Entscheidungen in der Branche anrichten konnten. Unter diesen Prämissen befindet sich die Schweizer Grossbank Credit Suisse derzeit in einer symptomatischen Situation.

Absturz im Privatflugzeug

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(Bild: Keystone)

Der indischstämmige Anshu Jain gelangte mit 20 Jahren von Delhi zum Studium in die USA, wo er in der Folge zu einem der jüngsten Managing Director bei der damaligen Traditionsbank Merrill Lynch aufstieg. Im Jahr 1995 wechselte er mit seinem damaligen Mentor Edson Mitchell zur Deutschen Bank, wo die beiden ein Jahr darauf unter CEO Josef «Joe» Ackermann das Investmentbanking im grossen Stil ausbauten.

Nachdem Mitchell Ende 2000 beim Absturz seines Privatflugzeugs ums Leben gekommen war, rückte Jain nach und galt spätestens ab 2010 als die Gallionsfigur des Investmentbanking der Deutschen Bank. In ihren besten Zeiten erzielte diese Division zwei Drittel gesamten Gewinns des deutschen Finanzkonzerns.

Absage von Axel Weber

Im Verlauf der weiteren Jahre führte Jains Wirken allerdings in die falsche Richtung. Während andere europäische Institute im Nachgang zur globalen Finanzkrise von 2008/2009 ihr Investmentbanking stutzten – die UBS unter ihrem damaligen CEO Sergio Ermotti war das prominenteste Beispiel dafür – hielt Jain aufgrund seines bisherigen Erfolgs und seiner dominaten Stellung innerhalb der Deutschen Bank an seiner Expansionsstrategie fest. Doch die rasant schwindenden Erträge in seiner Disziplin – bei gleichzeitig explodierenden Kosten und regulatorischen Auflagen – liessen sich nicht durch genügend Einnahmen aus anderen Divisionen kompensieren.

Nachdem es der Deutschen Bank nicht gelungen war, für ihren scheidenden CEO Ackermann den einstigen Bundesbankpräsidenten Axel Weber als Nachfolger zu installieren, ernannte das Unternehmen Jain und den Deutschen Jürgen Fitschen zu Co-CEOs. Neben seinen Aktivitäten in Deutschland hätte Fitschen vor allem Jains weiteren Expansionsdrang ausbremsen sollen, was ihm jedoch nicht gelang. So schlitterte die Deutsche Bank vollends in die Krise, was 2015 zum Abgang des Führungsduos Jain/Fitschen führte.

Probleme und Skandale

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(Bild: Keystone)

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass Axel Weber statt zur Deutschen Bank zur UBS wechselte, wo er das Präsidium des Verwaltungsrats übernahm. Er und CEO Ermotti erwiesen sich als die Architekten jener UBS, die mit einer zielstrebig zurückgebauten Investmentbank heute so stabil dasteht. Dies im Gegensatz zur Credit Suisse (CS), die nach etliche Pleiten und Pannen nun vor einem epochalen Umbau steht und sich entsprechend die Frage stellen muss, wie ihr Investmentbanking künftig beschaffen sein soll.

Soviel steht fest: Das Investmentbanking ist nicht per se ein schlechtes Geschäft. Doch es setzt grundsätzlich enorme Mittel und entsprechendes Know-how voraus. Mit Ausnahme der grossen US-Investmentbanken wie Goldman Sachs, Morgan Stanley oder J.P. Morgan waren die europäischen Konkurrenten, die nach den Sternen greifen wollten, in jeder Hinsicht stets allzu schmalbrüstig konstituiert, um in der obersten Liga mitzuziehen.

Auf Teufel komm' raus

Die CS hat es mit ihrer Investmentbank Credit Suisse First Boston (CSFB) lange genug, aber letztlich immer ohne Erfolg, versucht. Schlimmer noch: Die entfesselten Investmentbanker der CS in New York waren besonders in den vergangenen Jahren hauptsächlich für die vielen risikobehafteten Probleme und Skandale verantwortlich, welche die CS zuletzt in die Misere geführt haben.

Anshu Jain war zweifelsohne ein Investmentbanker der Weltklasse, der eine Bank an die Spitze katapultieren konnte. Doch dafür mussten auch die strukturellen und organisatorischen Rahmenbedingungen stimmen, die bei den europäischen Finanzinstituten nie wirklich gegeben waren. Diese Einsicht hätte genügt, um sowohl eine Deutsche Bank als auch eine CS zu bremsen und sie so vor ihren späteren Problemen zu bewahren. Doch stattdessen wetteiferten sie auf Teufel komm raus mit den Top-Adressen an der Wall Street.

Treiber und Getriebener

Die Feststellung, Jain sei ein «Treiber und Getriebener» gewesen, wie es die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» (Artikel hinter Bezahlschranke) dieser Tage treffend formuliert hat, bringt das Dilemma der europäischen Institute auf den Punkt. Am Rande einer Party am Weltwirtschaftsforum (WEF) in Davos sagte Jain einmal, er erwarte von seinen Mitarbeitenden «Intelligenz, Hunger und Hingabe», weil dies die Qualitäten seien, die ihn selber geprägt hätten, als er in den USA angefangen habe.

Vielleicht können sich die CS-Oberen diese Feststellung zu Herzen nehmen, wenn sie ihre neue Strategie aushecken.

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