Viele Unternehmensverkäufe im KMU-Segment der Schweizer Finanzbranche gingen 2022 auf das Konto der unabhängigen Vermögensverwalter. Dies sei allerdings erst der Anfang einer grösseren Konsolidierungswelle, die sich auch auf die Private-Banking-Szene ausweiten werde, erklärt Deloitte-Partner Anthony West im Gespräch mit finews.ch.

Fusionen und Übernahmen (Mergers & Acquisitions, M&A) von Schweizer KMUs nahmen gemäss der jährlichen Studie von Deloitte ausgehend von einem Rekordstand 2021 im vergangenen Jahr nochmals um 5 Prozent zu. Von den insgesamt 244 Transaktionen fanden knapp 10 Prozent in der Finanzbranche statt.

Viel Bewegung ging dabei von den unabhängigen Vermögensverwaltern (External Asset Manager, EAM) aus, wie aus der Erhebung weiter hervorgeht. Dies bestätigt Anthony West (Bild unten), Partner und Leiter Corporate Finance Schweiz bei Deloitte, im Gespräch mit finews.ch. Treiber dafür war vor allem der Regime-Wechsel in der schweizerischen Regulierung verbunden mit der Auflage, dass die Akteure bis Ende 2022 eine Lizenz der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma) beantragen mussten.

Doppelt so viel Transaktionen 2024 erwartet

Anthony West 555

Für 2023 erwartet Deloitte mindestens gleich viele Transaktionen wie im Vorjahr. Richtig beschleunigen dürften sich die Verkäufe und Übernahmen allerdings 2024. «Dann müssen sich die meisten lizenzierten EAMs der ersten Wirtschaftsprüfung stellen, erklärt West. Vor allem kleine EAMs mit weniger als einer halben Milliarde Franken an verwalteten Vermögen dürften dann unter die Räder geraten.

West rechnet für den Zeitraum ab 2024 jährlich mit 30 bis 50 Transaktionen. Damit könnte sich die Zahl aller Transaktionen im Finanzsektor schon bald verdoppeln.

Massive Konsolidierung in Deutschland

Was auf die Schweizer Szene zurollt, illustriert West an der Entwicklung in Deutschland. Dort sei die Zahl der unabhängigen Vermögensverwalter innerhalb des vergangenen Jahrzehnts von 5'000 auf 380 Institute geschrumpft. Der Deloitte-Experte wäre nicht überrascht, wenn am Schweizer Markt, wo derzeit gemäss Finma-Bewilligungsgesuchen noch rund 1'700 EAM tätig sind, innerhalb der nächsten zehn Jahre zwischen 500 und 1'000 Unternehmen das Handtuch werfen würden.

Bei Zusammenschlüssen von kleineren EAMs mit verwalteten Vermögen zwischen 300 bis 500 Millionen Franken ist es sinnvoller die Vermögenswerte zu übertragen als eine Aktien-Transaktion anzustreben, erklärt West. Bei einem solchen «Asset-Deal» werden im Prinzip lediglich die verwalteten Vermögen übergeben; auf eine Prüfung der Kundschaft sowie weiterer wirtschaftlicher, rechtlicher und finanzieller Verhältnisse wird hingegen verzichtet.

Prominente Transaktionen

Im vergangenen Jahr sorgte etwa die Transaktion zwischen dem Zürcher Vermögensverwalter Wergen & Partner und der Aquila-Gruppe für einige Aufmerksamkeit. Geschäftsführer Wergen begründete die Zusammenarbeit gegenüber finews.ch unter anderem mit der Pflicht, eine Finma-Lizenz zu lösen. Für die zusätzlichen Leistungen, die mit der Lizenz gefordert waren, hätte Wergen maximal vier neue Personen einstellen müssen. Ende Mai 2022 schloss sich die Zürcher Vermögensverwaltungs-Boutique Investarit der Firma Quaestor Coach an. Quaestor Coach will noch weitere Unternehmen zukaufen und sie auf der firmeneigenen Plattform integrieren.

Ebenfalls im Mai 2022 gelang der Vermögensverwaltungsgruppe Focus Financial Partners ein grosser Fang in der Schweiz. Die Amerikaner übernahmen den Genfer Vermögensverwalter Octogone mit gegen 100 Mitarbeitenden und einem Vermögen von fast 6 Milliarden Franken. Und erst kürzlich gab die in Zug ansässige Firma Cinerius Financial Partners bekannt, die Zürcher Boutique Entrepreneur Partners zu übernehmen, wie finews.ch exklusiv berichtete.

Parallelen im Private Banking

Im Private Banking dürften die Aktivitäten gemäss West in diesem Jahr ebenfalls zunehmen, nachdem es 2022 eher ruhig geblieben war. Bei vielen Privatbanken habe das nach der Zinswende wieder prosperierende Zinsdifferenzgeschäft Ertragsschwächen in anderen Bereichen nicht vollständig aufgefangen.

Fehlendes Wachstum, Profitabilität und Nachhaltigkeit könnten West zufolge im laufenden Jahr mehr Privatbanken dazu bewegen, sich bei einem Partner anzulehnen.