Analysten der britischen Bank Barclays sind wegen eines Reports zu einem Ölpipeline-Projekt in Afrika unter Beschuss geraten. Was nun folgt, muss auch hiesigen Finanzprofis eine Warnung sein.

C.S. Venkatakrishnan hat dieser Tage Post erhalten. In einem Brief haben mehr als 40 Nonprofit-Organisationen den Konzernchef der britischen Bank Barclays ultimativ aufgefordert, einen unlängst publizierten Analystenreport zur französischen Energiefirma Total Energies zurückzuziehen.

Die Kämpfer für Umwelt und soziale Gerechtigkeit monierten, das Papier sei im höchsten Mass unprofessionell und schade der Reputation des Geldhauses.

Sprachrohr von Total?

Was ist geschehen? Wie die Agentur «Bloomberg» (Artikel bezahlpflichtig) vermeldete, hat ein Analysten-Team des Instituts vergangenen März einen Bericht über die geplante East Africa Crude Oil Pipeline (EACOP) in Afrika publiziert. Via die Leitung soll in Uganda gefördertes Öl über 900 Kilometer bis an die Küste von Tansania fliessen. Doch Umweltaktivisten wehren sich gegen das 5-Milliarden-Dollar-teure Projekt. Sie fürchten Schäden für die Natur, die lokale Bevölkerung und für das Klima.

Die Barclays-Analysten machten sich in einer offenbar auf eigene Faust unternommenen Reise ein Bild vor Ort. Sie trafen dabei diverse Akteure, neben NGO auch die örtlichen Exponenten von Total Energies. Ihr Fazit: «Viele der geäusserten Bedenken übertreiben die möglichen Auswirkungen, berücksichtigen die eingeleiteten Vermittlungsmassnahmen zu wenig oder beruhen auf falschen oder ungenauen Informationen.»

Das musste den Gegnern der Projekts in den falschen Hals geraten. Sie sprachen den Analysten schlicht die Kompetenz zu einer Bewertung der Auswirkungen ab und warfen ihnen vor, Sprachrohr für die Meinung des Energieriesen zu sein.

«Nicht die Meinung der Barclays Gruppe»

Was Barclays auf die Vorwürfe entgegnete, ist nun bezeichnend und sollte auch Finanzprofis in der Schweiz interessierten. Die Bank erklärte laut der Agenturmeldung, dass die im Report geäusserten Ansichten einzig und allein die Meinung der Analysten wiederspiegelten – und «nicht die Meinung der Barclays Gruppe.»

Das ist eingermassen unglaubwürdig, dürfte es sich doch um eine Sellside-Analyse gehandelt haben, für die Kunden gemäss Mifid-Regulierung auch bezahlen müssen. Damit ist das Papier ein Produkt der Bank, für das sie haftet. Ob das Institut den Report zurückzieht, ist noch nicht entschieden. Doch jetzt schon ist klar: Barclays lässt seine Mitarbeitenden mit der Distanzierung im Regen stehen.

Chinesisches Schwein

Selbiges ist auch schon Finanzprofis in Diensten von Schweizer Banken widerfahren. Im Jahr 2019 wollte UBS-Chefökonom Paul Donovan in einem seiner routinemässigen Kommentare über die Auswirkungen der Konsumentenpreise in China referieren. Er verwies dabei auf das Schweinefleisch, das in der Volksrepublik wegen Tierkrankheiten teurer geworden ist. Donovan scherzte: «Ist das wichtig? Wenn Sie ein chinesisches Schwein sind, schon – es ist wichtig, wenn Sie Schweinefleisch in China essen.»

Das löste in China einen Sturm der Entrüstung und Boykott-Aufrufe gegen die Grossbank aus: Das Publikum meinte, mit dem «chinesischen Schwein» sei es selber, also chinesische Menschen gemeint. Die UBS, die Millionen in die Erschliessung des chinesischen Markts investiert, ging in Deckung: Donovan wurde suspendiert. Dies allerdings nur so lange, bis Gras über das «Swinegate» gewachsen war. Schon im Herbst desselben Jahres war er zurück auf dem Posten.

Swissair-Verlust noch unterschätzt

Weniger Glück hatte da der bekannte einstige Analyst der Credit Suisse (CS), Christopher Chandiramani. Im Sommer 2000 hatte er in einem Bericht gewarnt, die Swissair müsse mit einem Verlust von mindestens 500 Millionen Franken rechnen. Darauf brach der Kurs der Schweizer Fluglinie massiv ein. Im Anschluss wurde der Finanzprofi zur eigenen Kündigung gedrängt – dies mit der Begründung, er habe mehrmals gegen interne Regeln verstossen. Dagegen wehrte sich Chandiramani später vor Gericht: Er habe als Bauernopfer herhalten müssen, nachdem sich Swissair-CEO Philippe Bruggisser bei CS-Chef und Swissair-Verwaltungsrat Lukas Mühlemann über den Kurssturz beklagt hatte.

Wie sich später herausstellte, hatte der Ex-Analyst in seinen Verlustschätzungen noch untertrieben. Im Jahr 2001 ging die Swissair nach einem Verlust von 3 Milliarden Franken Pleite, was rund 5’000 Stellen kostete.

Dem geschassten Chandiramani wurde damals beschieden, sich «unprofessionell» verhalten zu haben – ein Vorwurf, der nun auch gegen die Barclays-Analysten wieder laut wurde. Die Kollegen bei anderen Geldhäusern sollten sich das zu Herzen nehmen: Die meiste Zeit bei der Bank hinter dem Schreibtisch zu sitzen und Excel-Blätter mit Daten zu speisen, ist gefährlicher, als man denkt.

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