Bereits Ende Sommer könnte die Grossbank freiwillig auf die Verlustgarantie des Bundes verzichten. Das ergibt Sinn: finews.ch erklärt, warum die UBS die zugesicherten 9 Milliarden Franken wohl so schnell wie möglich los sein möchte.

Das Schreckgespenst einer Staatsgarantie für die grösste Schweizer Bank könnte schon bald verfliegen. Bereits am 31. August, also anlässlich der verspäteten Halbjahres-Konferenz der UBS, wolle das Geldhaus die Verlustgarantie des Bundes aufkünden: Dies berichtete die für gewöhnlich gut informierte britische Zeitung «Financial Times» (Artikel bezahlpflichtig) am (gestrigen) Montag, ohne allerdings Quellen zu nennen.

Dass die Grossbank ohne die Milliardenabsicherung vom Staat die bessere Wette ist, finden auch die Investoren. An der Börse legte der Aktienkurs am Montag zeitweilig um mehr als 1 Prozent zu. Auf Anfrage von finews.ch enthielt sich die UBS eines Kommentars.

Dennoch spricht einiges dafür, dass die Bank sich den Verpflichtungen, welche die vom Bund zugesicherten 9 Milliarden Franken im «Loss Protection Agreement» (LPA) vom 9 Juni nach sich ziehen, so schnell wie möglich entledigen möchte. Dies sind die wichtigsten fünf Argumente dafür:

1. Trotz Garantie im Risiko

Der Bund hat mit dem Verkauf der Credit Suisse (CS) an die UBS zwar vermieden, das zweite Mal innert 15 Jahren eine Grossbank unmittelbar mit Steuergeldern zu retten. Dennoch begab sich der Staat mit der Aktion vom vergangenen 19. März erheblich ins Risiko. Der Bund musste sich zu Garantien für total 109 Milliarden Franken verpflichten, nämlich 100 Milliarden Franken gegenüber der Nationalbank – und 9 Milliarden Franken gegenüber der UBS, die sich damit gegen Verluste mit der CS absichern wollte.

Doch in der finalen Ausgestaltung des Vertrags vom 9. Juni ist die UBS keineswegs von Risiken befreit. Sie trägt die ersten 5 Milliarden Franken an potenziellen Verlusten auf den CS-Aktiven, bevor die Garantie des Bundes zum Tragen kommt. Nach insgesamt 14 Milliarden Franken an Verlusten müsste dann das Parlament darüber bestimmen, ob und wie weitere Rücksetzer zwischen Staat und Bank aufgeteilt würden.

Dass die Räte der UBS einen Blankoscheck erteilen, erscheint als sehr unwahrscheinlich.

2. Der Teufel liegt im Detail

Das sich die Verluste angesichts eines Gegenwerts der CS-Positionen von rund 44 Milliarden Franken kumulieren könnten, ist nicht ausgeschlossen. Über das genaue Wesen der fraglichen Bilanzposten üben sich UBS und Bund in strikter Geheimhaltung. Dies nicht ohne Grund. Wenn die Finanzmärkte wüssten, was die UBS alles los werden will, würden sie das gnadenlos auszunutzen versuchen.

Die Taktik lautet wohl vielmehr, die Positionen Stück für Stück zu verkaufen, sobald sich eine Nachfrage findet – was Jahre dauern kann. So hat die UBS das «Non-core»-Portfolio, das CEO Sergio Ermotti anlässlich seiner erstem Amtszeit bei der UBS-Investmentbank ab dem Jahr 2011 ausgesondert hatte, noch immer nicht ganz liquidiert.

Dasselbe Prozedere steht der UBS nun mit den CS-Papieren bevor. Diese wurden bereits vergangenen Herbst unter dem damaligen CS-Chef Ulrich Körner einer Abwicklungeinheit zugewiesen. Die Rede ist seitens der UBS von Krediten, Derivaten und Strukturierten Produkten. Diese Posten sind in der Regel so illiquide, dass sie in den Bilanzen der CS und nun der UBS als «Level 3» geführt werden. Das heisst, die Banken dürfen Wert und Risiko jener Assets nach eigenen Modellen berechnen. Das macht die Beurteilung durch die Käuferin UBS nicht einfacher.

Ab Vertragsschluss Anfang Juni hat die UBS 120 Tage Zeit, bevor sie mit dem Abschreiben von Positionen beginnen kann. Entsprechend ist Grossbank mit Hochdruck daran, die Positionen nach den schlimmsten Verlustbringern zu durchforsten. Wenn jetzt Gerüchte über einen möglichen Ausstieg aus dem Vertrag umgehen, kann das als Hinweis gedeutet werden, dass die Grossbank mit dem Durchleuchten der CS-Positionen vorankommt – und die Funde möglicherweise weniger toxisch sind als erwartet.

3. Die Kosten wiegen umso schwerer

Werden die Gefahren des CS-Portefeuilles als weniger akut eingeschätzt, müssen die Kosten der Staatsgarantie aus Sicht der UBS umso schwerer wiegen. So zahlte die Grossbank 40 Millionen Franken bei Vertragsabschluss, hinzu kommen ab dem vierten Quartal 2023 vierteljährliche Kosten von 9 Millionen Franken. Ebenfalls musste sich die UBS für die Garantie verpflichten, ihren Hauptsitz in der Schweiz zu behalten, und hat für die laufenden Kosten des Bundes mit dem Garantievertrag aufzukommen. Springt der Staat tatsächlich für Verluste ein, darf er der Bank ausserdem jährliche Gebühren von bis 360 Millionen Franken in Rechnung stellen.

Dass die Verlustentschädigung überhaupt fliessen würde, ist dabei nicht garantiert. Zeitlich darf die UBS eine Garantieleistung erst in fünf Jahren in Anspruch nehmen – und dies auch nur, wenn bis dahin weniger als 20 Prozent des ursprünglichen Werts des CS-Portefeuilles übrig sind. Für alle weiteren Verluste auf den verbleibenden Werten im Portefeuille müsste ebenfalls die UBS aufkommen. Entsprechend fühlt man bei der UBS die Bedingungen der Staatsgarantie als Mühlstein, der zunehmend schwer wiegt.

4. Politischer Zündstoff ist vorprogrammiert

Der LPA-Vertrag beinhaltet ebenfalls, dass Abgesandte des Bundes im Aufsicht-Komitee Einsitz nehmen, das den Abbau der garantierten Positionen überwacht. Damit ergibt sich der Einfluss des Staates nicht nur auf dem Papier, sondern auch personell in den Gremien der Grossbank. Kurz: der Bund erhält durch die Staatsgarantie einen zusätzlichen Hebel bei der UBS. Letztere muss damit rechnen, dass die Politik diesen Hebel auch nutzen wird.

Dies könnte bereits Ende Sommer der Fall sein, wenn endlich klar werden soll, was mit dem Geschäft der CS Schweiz geschieht. Alle Zeichen deuten daraufhin, dass dieses ohne Wenn und Aber in die UBS integriert wird. Dies würde unweigerlich zum Abbau Tausender Schweizer Jobs führen.

Politiker haben für diesen Fall schon Massnahmen in Aussicht gestellt; so wird unverhohlen gedroht, die Eigenmittelanforderungen der neuen «Megabank» bei einem Verschwinden der CS massiv zu erhöhen. Weitergehende Forderungen zur «Zähmung» der UBS liessen sich auch vermittels von Volksinitiativen durchdrücken. Die Schweizer Wirtschaft hat in diesem Zusammenhang in den vergangenen Jahren schon einige empfindliche Niederlagen einstecken müssen – und die UBS darf nach der eigenen Rettung im Jahr 2008 und nun nach dem Untergang der CS kaum auf Rückhalt in der Bevölkerung hoffen.

5. Eine Frage der Ehre für den CEO

Dabei hat es UBS-Chef Ermotti schon mehrmals wiederholt: Seine Bank werde alles dafür tun, um bei der Integration der CS eine Belastung der Steuerzahler zu vermeiden. Das darf man dem Tessiner, der mit 62 Jahren nochmals angetreten ist, und den schwierigsten Job im Swiss Banking zu übernehmen, glauben. Denn Ermotti ist scheinbar von einer Mission erfüllt. Bei seinem Antritt als neuer alter Chef der UBS im vergangenen März hatte er als Ehre bezeichnet, für die Übernahme ausgewählt worden zu sein. Und: er habe gespürt, dass ihn die Pflicht in das Amt rufe.

Bedenkt man ausserdem die hohen Kosten, die der UBS mit der Verlustgarantie entstehen, hat Ermotti wirklich Grund genug, bei seinem Versprechen an die Steuerzahler Wort zu halten.

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