Es zeige sich immer deutlicher, dass Grossbanken nicht unbedingt stabiler und sicherer seien als spezialisierte Privatbanken, sagt Marcos Esteve, CEO der Genfer Banque Heritage, im Interview mit finews.ch. Parallel zum Verschwinden Credit Suisse will er das Angebot der Familienbank ausbauen.


Herr Esteve, die Firma Heritage ist in ihren Ursprüngen als Family Office entstanden. Warum kam es zu mehreren Entwicklungsschritten, bis hin zu einer Bank?

Als mein Bruder Carlos Esteve 1986 das Unternehmen ins Leben rief, empfahl mein Vater, Systeme – darunter IT, Richtlinien und Verfahren – so auszurichten, als ob wir bereits eine Bank wären, auch wenn zu diesem Zeitpunkt keine unmittelbare Notwendigkeit bestand. Mit den verschärften Vorschriften wurde Heritage später zu einem Wertpapierhändler und vor 20 Jahren schliesslich zu einer Bank.

Grosse Investitionen waren nicht notwendig, da wir bereits vollständig ausgestattet waren. So konnten wir im Verlauf der vergangenen 35 Jahre unsere Dienstleistungen ausweiten, mehr Finanzlösungen, einschliesslich Krediten, anbieten und so einen wachsenden Kundenkreis erreichen.

Ist eine Bank heute nicht eher eine Last, angesichts der vielen und laufend zunehmenden Auflagen der Behörden?

Der Aufbau von Vertrauen und die Entwicklung von Kundenbeziehungen sind ein langer Weg, der kontinuierliche Anstrengungen, offene Kommunikation und das Einhalten von Versprechen erfordert.

«Im Rahmen unserer Wachstumsentwicklung haben wir immer auch nach Übernahmen Ausschau gehalten »

In diesem Zusammenhang ist die Verschärfung der Regulierung natürlich auch mit zusätzlichen Kosten verbunden. Die Tatsache, dass wir mit einer Banklizenz arbeiten, bedeutet jedoch einen zusätzlichen Komfort und mehr Sicherheit für unsere Kunden.

Zwei Familien, die sich bankseitig zusammentun, ist eher selten. Warum suchte man gegenseitig den Kontakt respektive einen Schulterschluss?

Im Rahmen unserer Wachstumsentwicklung haben wir immer auch nach Übernahmen Ausschau gehalten und durchsuchen auch heute noch den Markt ständig nach Möglichkeiten. Alleine in den vergangenen zehn Jahren haben wir mehrere Transaktionen abgeschlossen, sei es die Bank Frey in Zürich, Standard Chartered in Genf, Hottinger & Cie in Zürich oder die Lloyds Bank in Uruguay.

Bei der Begegnung mit der Sallfort Privatbank und der Familie Barth erkannten wir zahlreiche Gemeinsamkeiten zwischen unseren Familien: Die Familie Esteve ist in den Top 5 im Baumwoll-, Kaffee- und Kakaogeschäft, während die Familie Barth Marktführer im Bereich Hopfen ist. Beide Familien verfügen über einen ausgeprägten Unternehmergeist mit einer 200 Jahren Geschichte.

Zur Verwaltung ihres Vermögens gründeten beide Familien eigene Family Offices, die sich jeweils zu Banken entwickelten. Es war ein natürlicher Schritt, unsere Stärken zu bündeln, um voneinander zu lernen und gemeinsam das Hauptziel zu verfolgen: den Erhalt des Kapitals. Durch den Zusammenschluss konnten wir zudem unsere Präsenz in der Schweiz ausbauen, mit Standorten in Genf, Basel, Zürich und Sitten, und unsere Kapitalbasis verstärken.

Was hat sich mit dem Einzug der Sallfort Bank in der Kultur der Banque Heritage geändert?

Durch die Fusion mit der Sallfort Privatbank hat sich kulturell nichts Grundlegendes geändert, da beide Familien ähnliche Werte und Ziele verfolgen. Unsere Anlage- und Dienstleistungsangebote ergänzten sich optimal, so dass wir durch den Zusammenschluss unsere Anlagelösungen erweitern konnten. Die Fusion ermöglichte uns auch, unsere Präsenz in der Schweiz auszubauen und unsere Kapitalbasis zu stärken.

«In einer sich wandelnden Welt ist es unerlässlich, dass auch das Private Banking sich weiterentwickelt»

Trotzdem bleiben wir eine Bank von überschaubarer Grösse mit einem unternehmerischen Geist und einer lösungsorientierten «Macher-Mentalität». Wir empfinden Genugtuung, wenn wir den Herausforderungen unserer Kunden mit den passenden Lösungen begegnen können.

Muss das Private Banking im 21. Jahrhundert neu definiert werden?

In einer sich ständig wandelnden Welt ist es unerlässlich, dass auch das Private Banking sich fortwährend weiterentwickelt. Sei es im Hinblick auf das Bankgeheimnis, die Erweiterung unserer Dienstleistungen oder die fortschreitende Digitalisierung – wir müssen stets auf dem neuesten Stand bleiben.

Es ist dabei von zentraler Bedeutung, die Anforderungen unserer Kunden genau zu verstehen und uns mit ihnen weiterzuentwickeln, damit wir sie über Generationen hinweg optimal begleiten und ihnen immer die passenden Lösungen anbieten können.

Sie bedienen auch eine grosse Anzahl an Familien im Ausland. Wie haben diese Familien auf die Turbulenzen rund um die Credit Suisse reagiert?

Die Credit Suisse hatte sich einen Ruf als unternehmerisch orientierte Bank aufgebaut. Im Rahmen ihres Niedergangs konnten wir feststellen, dass nicht nur bestehende Kunden ihr Vermögen bei uns erhöhten, sondern auch neue Kunden den Weg zu uns fanden.

Es zeigt sich immer deutlicher, dass Grossbanken nicht unbedingt stabiler und sicherer sind als spezialisierte Privatbanken wie unsere.

Hat der Niedergang der Credit Suisse der Reputation des Schweizer Finanzplatzes und dem Swiss Banking geschadet?

Unsere Bundesregierung hat umgehend auf die Situation reagiert und effektive Massnahmen ergriffen. Dies diente letztlich nicht nur dem Schutz der Kunden der Credit Suisse, sondern auch der Bewahrung des anerkannten Rufs des Schweizer Finanzsektors, der weiterhin als widerstandsfähig, stabil und zuverlässig gilt.

Welche Lehren lassen sich aus dem Ende der Credit Suisse für das Private Banking ziehen?

Mein Grossvater pflegte zu sagen: «Volumen ist Eitelkeit, Profitabilität ist Vernunft». Dieses Prinzip ist vielen grossen Instituten wohl fremd.

«Die Kundinnen und Kunden wollen sich nicht mehr nur auf eine Person verlassen»

In einem Familienunternehmen wie unserem sind wir stets darauf bedacht, das Geschäft im Sinne der nächsten Generation zu führen. Dazu gehört ein kontinuierliches Risiko- und Reputationsmanagement. Ausserdem sind wir bestrebt, Interessenkonflikte zu vermeiden. Ziel ist es immer, langfristige und vertrauensvolle Beziehungen zu unseren Kunden aufzubauen, die sich letztlich in nachhaltigem Wachstum manifestieren. Das gilt nicht nur im Private Banking.

Wie hat sich das Family-Office-Geschäft, das Ihre Bank anbietet, in den vergangenen Jahren verändert, gewandelt?

Als Folge der Finanzkrise von 2008 wurde die Bankenregulierung im letzten Jahrzehnt verschärft. Dies veranlasste viele Banker, die traditionellen Institute zu verlassen und eigene Anlageberatungsfirmen zu gründen. Doch auch diese Berater konnten sich den strengeren Regeln nicht dauerhaft entziehen.

Es bleibt abzuwarten, wie viele von ihnen den erhöhten administrativen Aufwand und die damit verbundenen Kosten bewältigen können. Zudem stellt sich die Frage, inwieweit diese Berater mit ihren limitierten Strukturen weiterhin eine authentische Vermögensverwaltung anbieten können.

Die Kunden sind anspruchsvoller geworden und wollen sich nicht mehr nur auf eine Person verlassen. Eine Institution wie die unsere, die mit einem klaren Ziel gegründet wurde und ein Team erfahrener Spezialisten beschäftigt, bietet die richtige Mischung aus Stabilität und Expertise. Zusammen mit der Ausrichtung der Interessen schafft dies ideale Voraussetzungen für den Erhalt und die Vermehrung von Vermögen über Generationen hinweg.

Was sind Ihre nächsten Entwicklungsschritte?

Wir sind zurzeit mit mehreren Anlageberatern im Gespräch, die einen Anschluss an unser Institut erwägen. Der Hauptgrund dafür ist, dass ihr Bewilligungsprozess bei der Finma länger dauert als ursprünglich erwartet und der Ausgang für sie schwer absehbar ist.

«Der Einstieg bei uns sollte somit ein nahtloses ‹Plug and Play› sein»

Unsere Plattform bietet ihnen eine solide Basis, um massgeschneiderte Anlagelösungen für ihre Kundinnen und Kunden zu entwickeln. Zudem pflegen wir Kooperationen mit einem Netzwerk von über zehn Depotbanken, die uns beim Onboarding unterstützen können. Der Einstieg bei uns sollte somit ein nahtloses «Plug and Play» sein, bei dem die Beraterinnen und Berater direkt von der Flexibilität und dem hohen Servicestandard unseres Hauses profitieren.

Welche Initiativen sind in diesem Jahr noch zu erwarten?

Wir haben begonnen, unser Angebot gezielt auszubauen und uns verstärkt auf Unternehmer und Führungskräfte zu konzentrieren, die einen proaktiven Finanzpartner an ihrer Seite wünschen. Diesen Bedarf haben wir sowohl bei unseren bestehenden Kunden als auch in unserem persönlichen Netzwerk festgestellt.

Ganz im Sinne des Konzepts des Single Family Office, das seine etablierten Dienstleistungen weiteren Familien anbietet, positionieren wir uns als Unternehmer und sprechen damit gezielt diese neue Zielgruppe an.


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Marcos Esteve ist seit 2006 für die Banque Heritage tätig. In dieser Zeit hatte er verschiedene Führungspositionen inne, bevor er im Juli 2017 zum CEO ernannt wurde. Seine berufliche Laufbahn begann er in der internen Rechnungsprüfung am Schweizer Hauptsitz des Detailhandels-Konzerns Nestlé. Marcos Esteve verfügt über einen Master in Business Information Systems der Universität Lausanne (HEC) sowie einen Master in Economics mit Major in Business Administration des gleichen Instituts.

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