Der frühere Chef der UBS-Privatbank, Rudi Bogni, freut sich insgeheim, dass die Schweizer Privatbankiers aus ihren Fehlern gelernt haben, wie er im Interview mit finews.ch verrät.


Herr Bogni, die Anhänger von Kryptowährungen behaupten, dass der klassische Liberalismus im Sinne der Österreichische Schule im Zentrum ihres Denkens sei. Richtig?

Ich bin im Herzen auch ein Liberaler, doch es ist ein Unsinn zu glauben, dass Kryptowährung etwas damit zu tun hätten. Das virtuelle Geld wird nach wie von auch von jemandem kontrolliert, sei das nun der Plattformbetreiber, die Person, die den ersten Kryptowährungs-Code geschrieben hat oder der Bürgermeister einer Stadt, der seinen Einwohnern Energie zu niedrigen Kosten zur Verfügung stellt, damit sie Bitcoins schürfen können. Da steht immer jemand dahinter – von totaler Freiheit kann also nicht die Rede sein.

Die Blockchain-Technologie, über welche Kryptowährungen gehandelt werden, ist allerdings dezentral und steht auch nicht unter der Kontrolle der Zentralbanken. Sind Kryptowährungen dadurch nicht weniger anfällig auf Angriffe von Hackern als staatlich-zentralisierte Systeme?

Nein. Auch der amerikanische Dollar hat Wege gefunden, um sich zu vermehren und Zwecken zu dienen, die über die direkte Kontrolle der Notenbanken hinausgehen. Ich würde keinen so grossen Unterschied machen zwischen Cyberwährungen und traditionellen Währungen.

«Gold hat den Vorteil, dass man es in seiner eigenen Tasche herumtragen kann»

Das Einzige, was den Greenback von anderen Währungen unterscheidet ist, dass er nach wie vor unter der Kontrolle der mächtigen US-Behörden steht.

Besitzen Sie bereits Kryptowährungen, oder tragen Sie sich mit dem Gedanken herum, solche zu kaufen?

Nein. Ich habe eine philosophische Affinität zu Allem, was fassbar ist – wie Gold beispielsweise; Gold hat den Vorteil, dass man es in seiner eigenen Tasche herumtragen kann, und ich bin sicher, dass ich es jederzeit verkaufen könnte.

Gold geniesst tatsächlich einen Sonderstatus in unserem Finanzsystem. Was denken Sie eigentlich von den beiden Schweizer Grossbanken UBS und Credit Suisse?

Ehrlich gesagt, ich bewundere UBS-Chef Sergio Ermotti sehr. Ich finde, er hat hervorragende Arbeit geleistet. Insofern ist er ein absoluter Profi: Er hat zunächst klar gesagt, was er tun wird und es dann auch umgesetzt. Was wollen Sie von einem CEO mehr verlangen?

«Sergio Ermotti ist als Tessiner seit je ein Insider gewesen»

Im Gegensatz dazu hat sein Kollege bei der Credit Suisse (CS), Tidjane Thiam, noch einige Arbeit vor sich, doch ich denke, die Anleger werden seine Leistung durchaus fair beurteilen, sobald er seine Ziele erreicht hat. In gewissem Sinne sind die Führungskulturen bei den beiden Schweizer Grossbanken vermutlich unterschiedlich: Sergio Ermotti ist als Tessiner seit je ein Insider gewesen, während sich Tidjane Thiam zuerst mit der Kultur der CS anfreunden und auseinandersetzen musste.

Wie erleben Sie als früherer Private-Banking-Chef der UBS die heutige Gilde der Schweizer Privatbankiers?

Ich bin sehr froh, dass sich diese Branche in den vergangenen Jahren professionalisiert hat. Viele Institute mussten damit aufhören, Geld von diffuser Herkunft entgegenzunehmen und sich stattdessen auf effektive Performance und Dienstleistungskultur im Sinne der Kunden zu konzentrieren. Das ist auch der richtige Weg, ansonsten wäre das Swiss Private Banking früher oder später implodiert.

Was ist vom ganzen Bankgeheimnis übriggeblieben?

Es wäre falsch, anzunehmen, ich wäre kein Verfechter der finanziellen Privatsphäre mehr. Im Gegenteil. Ich bin nach wie vor überzeugt, dass viele Staaten respektive deren Behörden versuchen, ihre Nase in Dinge zu stecken, die sie nichts angehen. Wir erleben fast täglich solche Beispiele. Das «Big-Brother-Symptom» – also die totale Überwachung – ist und bleibt eine enorme Versuchung, sobald man an der Macht ist.

Kann sich der Schweizer Finanzplatz halten?

Ich denke schon, zumal die Schweiz und auch das Fürstentum Liechtenstein in den vergangenen Jahren enorme Fortschritte gemacht haben und in anderen Finanzzentren auf dieser Welt Heuchelei und Doppelmoral dominieren.

«Es wird in jedem System stets einige Schurken geben»

Schauen Sie doch nur einmal, wie schnell und problemlos sie in Miami ein Bankkonto eröffnen können, während dies in Zürich viel mehr Zeit in Anspruch nimmt, wie viele Abklärungen vorgenommen werden und wie sich letztlich das Service-Angebot präsentiert. Das sind Welten und die Qualität der Dienstleistungen in der Schweiz ist und bleibt einzigartig.

Trotzdem hat die Schweiz immer wieder mit Geldwäscherei-Skandalen zu ringen.

Es wird in jedem System stets einige Schurken geben, aber ich glaube, dass am Ende des Tages die «Ehrlichen» dominieren und somit der Massstab sind.

Welche Rolle spielt die kritische Grösse eines Instituts?

Abgesehen davon, dass es gilt, die gesetzlichen Vorgaben zu erfüllen, glaube ich nicht, dass es da einen wesentlichen Grössenvorteil gibt. Der Umgang mit Anlageprodukten und die damit verbundene Expertise sind viel wichtiger. Und es braucht eine Dienstleistungskultur im Sinne des Kunden, die darüber hinausgeht, bloss irgendwelche Finanzinstrumente zu verkaufen.


Der Italiener Rodolfo «Rudi» Bogni sitzt im Stiftungsrat der LGT Group Foundation, dem Aufsichtsgremium der liechtensteinischen Fürstenbank LGT, und leitet unter anderem auch den Stiftungsrat der britischen Investmentgesellschaft Northill Capital. Der heute 71-jährige Finanzfachmann leitete in den späten 1990er-Jahren die Privatbank der UBS. Bogni machte auch von sich reden, weil er zuvor für zwei Jahre seine Position als CEO des damaligen Schweizerischen Bankvereins in London aufgab, um an der Universität Finanzmathematik zu studieren. Das Interview mit ihm fand unlängst in Zürich am Rande einer Veranstaltung des Swiss Finance Institute (SFI) und der Beratungsfirma Capco statt.

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