Fernab der grossen Schlagzeilen hat sich Berenberg Asset Management hierzulande innert nur fünf Jahren zu einer profilierten Finanz-Boutique entwickelt. Nun will das Unternehmen seine Präsenz in der Schweiz weiter ausbauen, wie Franck Sabbah im Interview mit finews.ch erklärt.


Herr Sabbah, die deutsche Bank Berenberg hat sich vor fünf Jahren im Asset Management neu ausgerichtet. Hierzulande ist sie in Genf und Zürich präsent. Wie sind sie aufgestellt, und wer sind Ihre Kundinnen und Kunden?

Berenberg verfügt über eine Schweizer Präsenz mit Investmentbanking und Asset Management. Vom Private Banking haben wir uns zwischen 2018 und 2019 getrennt. Diese Einheit mutierte zur Firma Bergos und ist seither unabhängig von unserer Bank.

Bei den Asset-Management-Aktivitäten konzentrieren wir uns auf europäische Aktien – von Micro- bis Large-Caps. Wir haben einen breit gefächerten Kundenstamm, der sich aus institutionellen Kunden wie Pensionskassen und Versicherungen, Banken von unterschiedlicher Grösse und unabhängigen Vermögensverwaltern zusammensetzt.

Wie war der bisherige Geschäftsverlauf in diesem Jahr?

Nach den hervorragenden Jahrgängen 2020 und 2021, sowohl in Bezug auf die Performance als auch auf die Mittelzuflüsse, ist 2022 ein Jahr der Verlangsamung. Wir haben natürlich Abflüsse, aber auf einem sehr vernünftigen Niveau.

«Die Aktien- und Anleihenmärkte erreichen historische Verlustniveaus»

Im dritten Quartal 2022 konnten wir wieder Zeichnungen vornehmen und ein dediziertes Mandat einrichten, was ein sehr gutes Zeichen ist. Wir bauen unsere Präsenz in der Schweiz weiter aus, indem wir kürzlich einen zusätzlichen Portfolio Manager in Zürich und eine weitere Person in der Romandie eingestellt haben.

Ist es derzeit besonders schwierig, Finanzprodukte zu verkaufen?

In Bezug auf die Performance ist 2022 eines der schlechtesten der vergangenen 25 Jahre. Die Aktien- und Anleihenmärkte erreichen historische Verlustniveaus. Vor diesem Hintergrund sind unsere Kunden logischerweise nicht bereit, Risiken hinzuzufügen.

Es ist jedoch interessant zu beobachten, dass langfristige Anleger nach einer solchen Korrektur wieder beginnen, sich die Frage nach den Chancen zu stellen.

Welche Finanzprodukte sind nun gefragt?

Wir stellen ein erhöhtes Interesse an Small Caps fest. Ganz allgemein werden Anleihen – auch wenn dies nicht unser Kerngeschäft ist – für Anleger wieder attraktiver, mit Renditeniveaus, wie wir sie seit Jahren nicht mehr gesehen haben.

Wie reagieren Sie auf die drohende Rezession, weiter steigende Zinsen und die geopolitischen Risiken?

Wir haben von Anfang an einen Wachstums-/Qualitätsansatz verfolgt und möchten diesen beibehalten. Das grösste Risiko besteht heute darin, den Investitionsansatz kurzfristig zu ändern. Die Kunden vertrauen uns wegen unserer langfristigen Disziplin.

«Small Caps sind sportlicher»

Die Firmen, in die wir investieren, haben in der Regel einen niedrigeren Verschuldungsgrad als ihre Wettbewerber. Sie sind daher weniger anfällig für steigende Zinsen. Ausserdem verfügen sie über eine starke Preismacht, die es ihnen ermöglicht hat, ihre Margen in einem inflationären Umfeld zu halten.

In der Vergangenheit waren Rezessionen oder wirtschaftliche Abschwünge oftmals günstig für Qualitätsaktien. Geopolitische Risiken wiederum lassen sich nicht vorhersehen. Sie sollten aber durch eine gezielte Diversifikation des Portfolios aufgefangen werden können.

Sind Small- und Midcaps in der aktuellen Situation nicht verlustanfälliger als Blue Chips?

Ja, Small Caps sind «sportlicher», bieten langfristig aber attraktivere Renditechancen. Zudem sind kleinkapitalisierte Werte in Europa das Marktsegment mit dem besten Risiko-Ertrags-Profil.

Warum?

Einer der wichtigsten Punkte ist, dass dieses Segment unglaublich viele Möglichkeiten bietet. In Europa sind insgesamt rund 8’000 Firmen kotiert. Das sind etwa doppelt so viele wie in den USA.

«Auf der Ebene der Finanzwerte sind Firmen mit Börsenaktivitäten interessant»

Die meisten von ihnen sind Mikro- oder Small-Caps, die von Analysten kaum erfasst werden. Wir haben ein Team, das in der Lage ist, die «Hidden Champions» in dieser heterogenen Masse zu identifizieren.

Wie beurteilen Sie europäische Bankaktien?

Sie dürften von den steigenden Zinsen profitieren. Allerdings ist dies immer noch ein reifer und sehr wettbewerbsintensiver Markt. Wir finden in dieser Branche nur wenige Unternehmen, die unseren Wachstumskriterien entsprechen.

Auf der Ebene der Finanzwerte sind Firmen mit Börsenaktivitäten wie die London Stock Exchange oder die Deutsche Börse interessant.

Sind angesichts weiter steigender Zinssätze Versicherungsaktien attraktiv?

Ja, in der Tat. Dementsprechend schauen unsere Teams die Chancen in diesem Sektor aktuell besonders genau an. Insbesondere Versicherer, die sich auf ein bestimmtes Thema wie Cybersicherheit spezialisiert haben, könnten sich gegenüber anderen Titeln profilieren.

Wie differenzieren Sie sich gegenüber Ihren Mitbewerbern in der Schweiz?

Wir haben eine langfristige Vision. Zudem sind wir in der Lage, langfristige Investitionen zu tätigen, um um Wachstum zu unterstützen. Seit 2017 haben wir ein zehnköpfiges Team an Portfolio-Managern eingestellt, obwohl wir zu Beginn noch gar keine Assets verwalteten. Geleitet wird dieses Team von Matthias Born und Peter Kraus, die jeweils mehr als 20 Jahre an Erfahrung in diesem Bereich mitbringen.

«Ich bin immer misstrauisch gegenüber grossen Ankündigungen»

Nach fünf Jahren verwalten wir umgerechnet bereits 5 Milliarden Franken, und das Aktien-Team besteht inzwischen aus 15 Managern. Diese einzigartige Struktur, die eine auf Wachstumsaktien spezialisierte Management-Boutique mit einer seit mehr als 400 Jahren etablierten Bank kombiniert, ist einzigartig.

Was sind Ihre weiteren Pläne in der Schweiz?

Wir wollen hierzulande weiter investieren. Ich habe das Glück, seit mehr als 20 Jahren im Asset-Management-Geschäft tätig zu sein und bin überzeugt, dass eine lokale Präsenz wichtig ist.

Die Nähe zu unseren Kunden und die Qualität des Austauschs ermöglichen es uns, die lokalen Bedürfnisse bestens zu verstehen. Wir wollen uns als anerkannter Akteur in der Schweiz etablieren. Der Erfolg der ersten fünf Jahre ermutigt uns, diese Entwicklung fortzusetzen.

Welche Ziele haben Sie sich gesetzt?

Ich bin immer misstrauisch gegenüber grossen Ankündigungen. Wir sind immer noch ein Spezialgeschäft, und 2022 hat gezeigt, dass die Marktbedingungen den Geschäftsverlauf stark beeinflussen können.

Unser Ziel ist es, unsere verwalteten Vermögen schrittweise zu verdoppeln. Wenn dieses Szenario bereits 2023 eintritt, ist das gut, aber wir sind auch bereit, dieses Ziel über einen längeren Zeitraum zu verfolgen.


Franck Sabbah ist für die Geschäftsentwicklung im Asset Management von Berenberg in ganz Europa (ohne Deutschland) zuständig. Er leitet ein Team von sechs Vertriebsexperten, die in Genf, Paris und Zürich tätig sind. Er ist seit September 2016 bei Berenberg tätig und hat zunächst das Genfer Büro eröffnet, 2020 folgte der Standort Paris, und 2021 übernahm er die Aktivitäten in der deutschsprachigen Schweiz. Vor Berenberg war er von 2001 bis 2016 für die Edmond-de-Rothschild-Gruppe tätig.

Er hat einen Master in Finance von der EDHEC Business School in Frankreich und einen Bachelor in Wirtschaftswissenschaften von der Universität Pantheon-La Sorbonne. Die Bank Berenberg wurde 1590 gegründet und hat ihren Hauptsitz in Hamburg. Ihre Aktivitäten konzentrieren sich auf die Bereiche Asset Management, Investment Banking, Vermögensverwaltung in Deutschland und Corporate Finance. Seit der Gründung wird Berenberg von persönlich haftenden Gesellschaftern geführt.

 

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