Das Jahr 2022 hat prominente Abgänge im Swiss Banking zu verzeichnen. Ob Ende einer Ära, Richtungswechsel oder Neuanfang – darüber wird erst die Zeit danach entscheiden.

1. Advokat des Finanzplatzes

Er ist alles, nur nicht Banker. Trotzdem gehört der zurückgetretene Bundesrat Ueli Maurer (Bild unten) in diese Auflistung, sozusagen ausser Konkurrenz. Nur wenige Schweizer Finanzminister haben sich in ihrer Amtszeit stärker und erfolgreicher für die hiesige Finanzbranche eingesetzt als er.

e06020b1d557bc5dc9e6ff479b3ec652 w500 h300 cp
(Bild: finance.swiss)

Der Zürcher aus Hinwil hat seit 2016 massgeblich zur Weiterentwicklung des hiesigen Finanzplatzes im In- und Ausland beigetragen. Das betraf nicht nur das traditionelle Banking, sondern gerade auch zukunftsgerichtete Bereiche wie Fintech, Cryptofinance und Blockchain. Auch im Ausland hat er immer die ihm eigene «Swissness» vertreten.

2. Abgang eines glücklosen CEO

6d0cc6b08e556281a62fbb7203dd689e w500 h300 cp
(Bild: Keystone)

Die Credit Suisse (CS) hat im vergangenen Jahr das Nachrichtengeschehen im Schweizer Finanzsektor dominiert. Kein Wunder also, dass der CEO-Wechsel im Sommer auch in dieser Liste figuriert. Der Abschied von Thomas Gottstein (Bild oben) als CEO Ende Juli 2022 kam allerdings nicht wirklich überraschend. Nachdem die Bank damals den dritten Quartalsverlust in Folge ausweisen musste, war Schluss.

Gottsteins Amtszeit stand unter keinem guten Stern. Er hatte die Leitung der Bank Mitte Februar 2020 übernommen, nachdem sein Vorgänger Tidjane Thiam wegen der «Spygate»-Beschattungsaffäre hatte zurücktreten müssen. Eigentlich hätte die Sanierung der Bank Gottsteins Aufgabe sein sollen. Stattdessen musste er eher die Rolle des Feuerwehrmanns übernehmen.

Denn bald begann es an allen Ecken und Enden zu brennen. Insbesondere kostspielige Debakel, wie die Zusammenbrüche von Greensill Capital und Archegos Capital Management Anfang 2021, sorgten für happige Verluste und einen Vertrauensverlust in die Führung der Bank. Der Neuanfang unter dem Duo Gottstein und Verwaltungsratspräsident António Horta-Osório glückte nicht.

Mit dem neuen Präsidenten Axel Lehmann, der das Amt Anfang 2022 nach dem forcierten Rücktritt von Horta-Osório übernommen hatte, kehrte ebenfalls keine Ruhe ein. Bald begannen Spekulationen, wer für Gottstein den CEO-Posten übernehmen könnte. Am Ende holte die Bank den bisherigen Asset-Management-Chef Ulrich Körner, um mit ihm die aktuelle Strategie festzuzurren.

3. Von Weber zu Kelleher

axel weber keystone
(Bild: Keystone)

Bei der UBS ging mit dem Abschied von Axel Weber (Bild oben) eine Ära zu Ende. Der frühere Präsident der deutschen Bundesbank war im Mai 2012 zum Präsidenten der UBS berufen worden. Zusammen mit CEO Sergio Ermotti verlieh er der Bank eine neue strategische Ausrichtung und stärkte die Vermögensverwaltung, während das riskantere Investmentbanking zurückgebunden wurde.

Das tat das Duo höchst erfolgreich, wenngleich der Aktienkurs dies nie richtig reflektiert hat. Nach dem Ausbruch des Kriegs in der Ukraine verloren auch die UBS-Valoren analog zu allen Aktienmärkten auf der Welt unverdienterweise an Wert.

Als Webers Nachfolger wurde Colm Kelleher berufen. Der 64-jährige US-Ire hatte eine steile Karriere an der Wall Street gemacht und war «President» von Morgan Stanley gewesen.

4. Ende einer 40-jährigen Karriere

sholl keystone
(Bild: Keystone)

Auch der Abgang des langjährigen CEO der Zürcher Kantonalbank (ZKB), Martin Scholl (Bild oben), erhielt 2022 einige mediale Aufmerksamkeit. Ende August übergab der Zürcher das Zepter an seinen Nachfolger Urs Baumann. Tatsächlich war es ein langer Abschied gewesen.

Bereits im Mai 2021, also deutlich mehr als ein Jahr vor dem Wechsel, hatte Scholl seinen Abschied angekündigt. Mit ihm trat ein Manager-Typ aus dem Rampenlicht, den es in der Bankenbranche nicht mehr häufig gibt. Der als höchst diszipliniert und eher spröde geltende Banker wurde im August 60 Jahre alt und war mehr als 40 Jahre lang Mitarbeiter der ZKB gewesen.

Den Chefposten beim viertgrössten Schweizer Institut hatte der Dübendorfer seit 2007 inne, was ihn zu einem der dienstältesten Schweizer Bankchefs machte. «Die Bank befindet sich in jeder Beziehung in einer ausgezeichneten Verfassung», betonte Scholl im Frühjahr an seiner Abschieds-Bilanzmedienkonferenz.

5. Zürcher Traditionsbank vollzieht Generationen-Wechsel

scheid
(Bild: Keystone)

Auch beim Zürcher Investmenthaus Vontobel kam es im vergangenen Jahr zu eine Wachwechsel – im Präsidentenamt. Im April 2022 übergab Herbert Scheidt (Bild oben) das Amt dem deutsch-britischen Doppelbürger und vormaligen CEO von Allianz Global Investors, Andreas Utermann.

Der deutsch-schweizerische Vollblut-Banker Scheidt war 20 Jahre lang bei Vontobel tätig gewesen. Er stieg – von der Deutschen Bank kommend – zunächst als CEO ein, als das Familienunternehmen nach seinen wilden Eskapaden im Investmentbanking der 1990er-Jahre am Boden lag. 

Mit Beharrlichkeit, Disziplin und einer geradezu staatsmännischen Ausstrahlung gelang es Scheidt, Vontobel wieder auf Kurs zu bringen. Und mehr noch: Mit Zeno Staub fand er einen überaus valablen Nachfolger, als er 2011 ins Präsidium des Verwaltungsrats wechselte. Das Duo Scheidt/Staub verstand es, Vontobel umsichtig wachsen zu lassen und zuletzt aus der Traditionsbank ein Investmenthaus der Zukunft zu gestalten.

6. CEO will neues Kapitel aufschlagen

gmürr helvetia
(Bild: Helvetia)

Noch nicht vollzogen, aber angekündigt: Philipp Gmür (Bild oben), Vorsitzender der Konzernleitung und Gruppen-CEO des Schweizer Versicherers Helvetia, hat im vergangenen Oktober seinen Rücktritt auf Mitte 2023 bekanntgegeben

Als Grund für den Schritt nannte Gmür den Wunsch «ein neues Kapitel» in seiner Vita aufzuschlagen. Einen Nachfolger hat der St. Galler Allversicherer noch nicht benannt, die Suche läuft aber bereits.

Gmür ist seit rund 30 Jahren für den Assekuranz-Konzern tätig, davon 13 Jahre als CEO des Ländermarkts Schweiz und sieben Jahre als Chef der Gruppe. Er hatte das Amt im Jahr 2016 von Vorgänger Stefan Loacker übernommen und war noch vom damaligen Präsidenten Pierin Vincenz auf dem Posten bestätigt worden.

7. Digital-Expertin wechselt ins virtuelle Universum

Böckenfeld
(Bild: Gentwo)

Martha Boeckenfeld (Bild oben), langjährige Bankerin mit einem höchst beeindruckenden Palmarès in der Finanzbranche, hatte zuletzt die Digitalisierungs-Strategie der UBS-Produktepalette vorangetrieben. Doch damit war 2022 Schluss. Bereits im Januar wechselte sie zum Zürcher Fintech Gentwo. Und das war nur der Anfang.

Zwölf Monate später verfügt sie nicht nur über ein höchst zukunftsträchtiges Portfolio an Verwaltungsrats-Mandaten, sondern sie hat sich hierzulande bereits auch als eine der führenden Kennerinen der virtuellen Welt, sprich Metaverse, einen Namen gemacht. Insofern gilt sie 2022 nicht nur als Aussteigerin, sondern genauso als «Rising Star». C'est à suivre 2023. 

8. Überraschender Abschied bei Bankier-Dynastie

454045e5d16c669e2f092b9de1f20613 w500 h300 cp
(Bild: UBP)

Im Juni 2022 trat Michel Longhini (Bild oben) von seinem Posten als Private-Banking-Chef der Genfer Bank Edmond de Rothschild (EdR) überraschend zurück. finews.ch schrieb von einem «Paukenschlag». Er habe sich entschieden, das Unternehmen zu verlassen, hiess es damals wenig sagend. 

Die Demission mutete insofern merkwürdig an, als Longhini erst 2019 bei EdR begonnen hatte, nachdem er bei der Genfer Konkurrentin UBP in der gleichen Position jahrelang einen forschen Übernahmekurs gefahren hatte. Die Personalie lässt auf Meinungsverschiedenheiten zwischen der Familie de Rothschild, namentlich unter der Führung von Bank-Präsidentin Arianne de Rothschild, und Longhini schliessen. Doch wie das in Genfer Privatbanken-Kreisen so üblich ist, wird man dies erst in einigen Monaten richtig wissen. 

Während das Familieninstitut zwischenzeitlich Hervé Ordioni zum neuen Private-Banking-Chef ernannt hat, darf man gespannt sein, wo Longhini wieder auftauchen wird. Seine Karriere ist bei weitem nicht am Ende angelangt.

9. Mandate, Mandate, Mandate

fanconi
(Bild: EFG International)

Zu einem Stühlerücken kam es 2022 auch bei der Schweizer Privatbank EFG International. Überraschend trat Peter Fanconi (Bild oben) Ende Oktober 2022 aus «persönlichen Gründen» von seinem Amt als Verwaltungsratspräsident zurück. Das wirft einige Fragen auf, da Fanconi erst im April 2020 in diese Funktion berufen worden war und man normalerweise einem Präsidenten etwas mehr Zeit einräumt, um ein Zeichen zu setzen. 

Umstritten war Fanconis Doppelrolle, zumal er auch Präsident der Graubündner Kantonalbank und der Impact-Investmentfirma Blue Orchid ist. Nicht verwunderlich also, dass in Branchenkreisen immer wieder die Frage aufkam, ob Fanconi alle diese Jobs in Personalunion erfolgreich wahrnehmen kann.

Gleichzeitig ist es ein offenes Geheimnis, dass sich die Privatbank EFG International in einer Sinnsuche befindet, die zwischen Grossakquisition und Integation in eine andere Bank mäandert. Unter diesen Prämissen ist es nachvollziehbar, dass das Unternehmen im vergangenen Oktober den erfahrenen Banker Alexander «Alex» Classen zum neuen Präsidenten des Aufsichtsgremiums wählte – und gleichzeitig auch noch Boris Collardi (ehemals Credit Suisse, Julius Bär, Pictet) in den Verwaltungsrat aufnahm. Damit dürfte EFG International 2023 zu einem der am meisten beachteten Geldhäuser im Swiss Banking avancieren.   

10. Ausstieg noch vor dem Krypto-Winter

Arthur Vayloyan
(Bild: Bitcoin Suisse)

Die im Verlauf von 2022 arg in Bedrängnis geratene Krypto-Branche hatte in der Schweiz bereits zu Jahresbeginn einen prominenten Abgang zu verzeichnen: Im Januar trat Bitcoin-Suisse-CEO Arthur Vayloyan (Bild oben) zurück. Das war reputationsmässig ein herber Rückschlag, da der frühere Credit-Suisse-Banker als Garant für Vertrauenswürdigkeit und Kompetenz galt. 

Glücklicherweise gelang es Bitcoin Suisse, einen valablen Nachfolger zu finden. Im April 2022 übernahm der frühere UBS-Topmanager Dirk Klee die operative Führung. Er hatte zuletzt bei Barclays in Grossbritannien die Sparte Wealth Management & Investments geleitet.

Bereits Ende 2021 hatte Bitcoin-Präsident Niklas Nikolajsen seinen Rücktritt bekannt gegeben. Mit Luzius Meisser, der bereits seit vier Jahren Verwaltungsratsmitglied ist, ernannte das Unternehmen einen glaubwürdigen Nachfolger. Der schillernde Nikolajsen bleibt der Institution als Gründer, ehemaliger Verwaltungsratspräsident und bedeutender Investor erhalten.

 

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
  • Ja, es gab keine andere, wirtschaftlich sinnvolle Alternative.
    26.54%
  • Nein, man hätte die Credit Suisse abwickeln sollen.
    19.02%
  • Nein, der Bund hätte die Credit Suisse übernehmen sollen.
    27.96%
  • Man hätte auch ausländische Banken als Käufer zulassen sollen.
    8.92%
  • Man hätte eine Lösung mit Schweizer Investoren suchen sollen.
    17.56%
pixel