Die anstehende Revision der Schweizer Geldwäschereibestimmungen zeigt einmal mehr die Grenzen eines prinzipienbasierten Systems in einer Welt, die von immer regulierungsfreudigeren Aufsichtsbehörden beherrscht wird. finews.ch untersucht, wieweit der Schweizer Finanzplatz ins Abseits gerät.

Auf den ersten Blick fällt die für 2023 vorgesehene Aktualisierung der Schweizer Geldwäschereibestimmungen nicht sonderlich auf. Sogar die Schweizer Finanzaufsichtsbehörde Finma bezeichnet viele der anstehenden Änderungen quasi als Auffrischung.

Doch die Nachbesserung, die Anfang Januar in Kraft tritt, zeigt einmal mehr, wie schwierig es ist, eine der letzten «hands-off»-Aufsichtsbehörden zu sein. In der gegenwärtigen globalen Bankenlandschaft sind nämlich Aufsichtsbehörden wenig zimperlich beim Erlassen von strengeren und einschneidenderen Vorschriften.

Im Grunde genommen sind die aktuellen Änderungen der Verordnung und des dazugehörigen Bundesgesetzes ein weiterer Versuch, eine Reihe von Mängeln zu beheben, die im viel diskutierten Länderbericht 2016 der Financial Action Task Force (FATF) für die Schweiz aufgezeigt wurden.

Offene Frage

Ob sie die FATF letztlich besänftigen, ist eine offene Frage. Klar ist aber schon jetzt, dass die Divergenz zwischen regelbasierten und prinzipienbasierten Regulierungssystemen dem Schweizer Bankensektor, insbesondere jenen mit grossem internationalem Geschäft, weiterhin viel Kopfzerbrechen bereiten wird.

Im Verlauf des Jahres warf finews.ch einen ausführlichen Blick auf das grosse Ganze. Die aktuellen Änderungen erlauben diesmal einen vertieften Blick auf eine kleine und spezifische Schweizer Änderung zur Bekämpfung der Geldwäscherei, die mit der leicht zu übersehenden, aber nicht unbedeutenden Frage der Aktualisierung von Kundeninformationen zusammenhängt.

Ein überraschender Befund bei der Betrachtung des grossen und des kleinen Bildes ist, dass die Schlussfolgerungen weitgehend gleich sind. 

Keine Genugtuung                                                                                               

Bis vor wenigen Jahren bereitete die Aufgabe, die Kundendaten auf dem neuesten Stand zu halten vielen Banken und Vermögensverwaltern erhebliche Probleme.  Die Verfasser des ursprünglichen FATF-Berichts aus dem Jahr 2016 haben das offenbar verstanden und bezeichneten die entsprechenden Praktiken der Schweizer Banken damals als unbefriedigend - ein Begriff, der in der Sprache der Wirtschaftsprüfer einem «Versagen» sehr nahekommt.

Sie nahmen speziell die Privatbanken ins Visier, die offenbar «grössere Probleme» mit Altlasten hatten, insbesondere mit solchen, die seit vielen Jahren gehalten wurden und durch externes Wachstum oder Übernahmen entstanden waren.

Nun kommt der Bund ins Spiel. Als Reaktion auf die Feststellungen der FATF hat er beschlossen, das übergeordnete Gesetz zur Bekämpfung der Geldwäsche zu aktualisieren und eindeutig festzulegen, dass die Kundeninformationen auf dem neuesten Stand gehalten werden müssen. 

Gutgemeinte Absicht

Die Änderung des Gesetzes erschöpft sich in einer Zeile. Laut Finma hat die Regierung die Änderung in Bezug auf die Kundeninformationen «bewusst schlank» gehalten. Dies ist einigermassen verständlich, wenn man bedenkt, dass mit der Formulierung das Gesetz mindestens jahrzehntelang unverändert gelten soll.

Dieser Schritt ist zwar für eine Regierung in einer direkten Demokratie vernünftig. Allerdings setzt sich auch die Aufsichtsbehörde selbst nicht wirklich für aktualisierte Kundendaten ein, zumindest nicht bei der aktuellen Änderungsrunde.

Als sie im Mai die Ergebnisse ihrer Anhörungen zu diesem Thema veröffentlichte, gab sie an, dass die Banken eine interne Richtlinie über die Kriterien und die Häufigkeit der Aktualisierungen erstellen könnten. Der eigentliche Prozess, wie alles auf dem neuesten Stand zu halten ist, sei «grundsätzlich» kein Teil davon.

Angemessener Zeitrahmen

Mit anderen Worten geben die Banken einfach eine interne Richtlinie heraus, wonach die Kundeninformationen auf dem neuesten Stand gehalten werden müssen. Für die operativen Abteilungen, die Banker und die Compliance-Abteilung legen sie dann fest, wie häufig sie überprüft werden müssen.

Aber selbst in einer auf Grundsätzen basierenden Welt könnte man zumindest einen Hinweis auf einen angemessenen Zeitrahmen für die Aktualisierungen oder Überprüfungen erwarten, wenn schon nichts anderes.

Es gibt allerdings nichts dergleichen, und das überlässt vielen anderen Rechtsordnungen und Regulierungsbehörden in diesem und anderen Punkten einfach den Spielraum und die Initiative.

Europäisches Rätsel

In der EU beispielsweise hat die Europäische Bankenaufsichtsbehörde in Zusammenarbeit mit anderen wichtigen Regulierungsbehörden einen speziellen Abschnitt zur Vermögensverwaltung verfasst. Darin heisst es, dass die Beziehung des Bankiers zum Kunden genutzt werden sollte, um die Sammlung von Informationen zu erleichtern, die es der Bank ermöglichen, sich ein umfassenderes Bild vom Zweck und der Art der Geschäfte des Kunden zu machen, einschliesslich der Entwicklung eines Verständnisses der Vermögensquelle des Kunden, während gleichzeitig sichergestellt wird, dass alle komplexen oder ungewöhnlichen Vereinbarungen echt und legitim sind.

Die Behörde fordert die Banken auf, Kunden mit höherem Risiko mindestens einmal jährlich zu überprüfen, «wenn das Risiko es erfordert». Entsprechende Verfahren können die Aufzeichnung von Kundenbesuchen zu Hause oder im Geschäft umfassen, die möglicherweise zu Änderungen in den Kundenprofilen und ähnlichen Informationen führen können. Die Behörde fordert die Vermögensverwalter ausserdem auf, Transaktionen und öffentliche Berichte laufend zu überwachen. Sie legt auch unmissverständlich fest, dass eine vereinfachte Sorgfaltspflicht für ein Vermögensverwaltungsgeschäft nicht angemessen ist.

Klare Ansage in Hongkong

In Hongkong wiederum nimmt die Hong Kong Monetary Authority (HKMA), die faktische Bankenaufsicht der Stadt, ebenfalls kein Blatt vor den Mund.

Ihre Leitlinien zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung enthalten einen Abschnitt über die laufende Sorgfaltspflicht gegenüber Kunden (5) und einen speziellen Abschnitt (12) für das Private Banking.

In letzterem wird festgelegt, dass Kunden mit hohem Risiko, also standardmässig die meisten Private-Banking-Kunden, jährlich überprüft werden sollten. Die Banken müssen ausserdem über klare Richtlinien und Verfahren verfügen, die die Häufigkeit der regelmässigen Überprüfungen und den Auslöser für eine erneute Überprüfung der Kundeninformationen festlegen.

Treffen mit Kunden

Ein weiterer Abschnitt über das Private Banking legt fest, dass das Institut sich regelmässig mit den Kunden treffen sollte. Zugleich sollten die Aktivitäten der Bankangestellten häufig Gegenstand von Berichten und Überprüfungen durch die Aufsichtsbehörden sein, da sich zwischen beiden Parteien oft enge Beziehungen entwickeln.

In diesem Zusammenhang wird auch gefordert, dass die laufende Überwachung der Beziehung von Mitarbeitern durchgeführt wird, die nicht mit den Bankern identisch sind, um das Risiko von Missbrauch und Interessenkonflikten zu verringern.

Zwar hängt all dies nicht direkt mit dem Führen aktueller Kundenunterlagen zusammen. Dennoch kann man darauf wetten, dass die HKMA bei einer fröhlichen Vor-Ort-Prüfung oder einer thematischen Inspektion sicherlich klare und aktuelle Aufzeichnungen darüber erwarten würde.

Update aus dem Stadtstaat

Werfen wir nun einen Blick auf Singapur, einem weiteren beliebten Standort für Schweizer Privatbanken und Vermögensverwalter. Hier verlangt die Monetary Authority of Singapore (MAS) von Unternehmen mit einer Bank- oder Handelsbanklizenz, dass sie die Kundendaten, Dokumente und Informationen auf dem neuesten Stand halten. Das allein ist keine Überraschung.

Die Regelung bedeutet aber auch, dass jeder, der im Namen von Kunden handelt, einschliesslich verbundener Parteien und anderer wirtschaftlicher Eigentümer, die vorhandenen Daten regelmässig überprüfen muss, um sicherzustellen, dass sie auf dem neuesten Stand sind, insbesondere bei Hochrisikokunden. Dies Vorschrift geht indessen schon weiter als in anderen Ländern.

Darüber hinaus scheint sich die MAS direkt an die ursprüngliche Feststellung der FATF für die Schweiz anzulehnen. Jedenfalls weist sie ausdrücklich darauf hin, dass Banken, die Akquisitionen tätigen, alle Kundenunterlagen überprüfen müssen, es sei denn, sie haben absolut keine Zweifel an den Informationen, die sie beim Kauf des Unternehmens oder bei der Durchführung der Due-Diligence-Prüfung des Unternehmens erhalten haben.

Endgültige Vorschrift in den USA

In den USA, einem der grössten Vermögensverwaltungsmärkte der Welt, hat das Financial Crimes Enforcement Network (FinCEN) die sogenannte endgültige CDD-Regel erlassen. Diese verlangt von den Instituten, dass sie fortlaufend oder in regelmässigen Abständen Informationen über erwartete Kundenaktivitäten sammeln und gleichzeitig Aufzeichnungen über die Suche nach nachteiligen Nachrichten und die von anderen zugrundeliegenden Transaktionsparteien führen und aufbewahren.

Auf den ersten Blick scheint diese Vorschrift sehr viel auf «laissez-faire» zu setzen. Sie besagt, dass die Anforderung, Kundeninformationen regelmässig oder kontinuierlich zu aktualisieren, eine risikobasierte Entscheidung ist, die eine Bank frei treffen kann.

Allerdings muss bei genauerem Hinsehen die Kundenbeziehung regelmässig überwacht werden. Wenn ein Institut dabei eine Änderung der Kundeninformationen feststellt, muss es diese Informationen aktualisieren und eine Entscheidung darüber treffen, ob das Risikoprofil und die Einstufung des Kunden geändert werden sollten.

Operative Freiheit in der Schweiz

In den Stellungnahmen der Akteure des Schweizer Finanzplatzes, die während der Anhörungen der Finma abgegeben wurden, stehen viele fest hinter der Idee der prinzipienbasierten Regulierung. Sie lässt den Instituten zwar mehr Freiheit für eine ungehinderte, unternehmerische Tätigkeit, überträgt ihnen im Gegenzug aber auch mehr Verantwortung.

Daran wird sich wohl nichts ändern. Ein wichtiges Problem wird so allerdings nicht gelöst: Eine internationale Schweizer Privatbank und ein Vermögensverwalter müssen alle Vorschriften der verschiedenen Rechtsordnungen, in denen sie tätig sind, vollständig einhalten.

Demnach können lediglich jene Kunden und Banken, die nur im Inland tätig sind und keine grenzüberschreitenden Aktivitäten oder Konten haben, vom von der Finma und der Regierung verfolgten Ansatz profitieren.

Sich wiederholende Muster

Zudem ist das Führen aktueller Kundendaten nur ein kleiner Teil des gesamten Bankgeschäfts. Gleichwohl wiederholt sich das gleiche Muster immer wieder, wenn es um die anderen FATF-Ergebnisse und um die Regeln geht, die andere Länder den Banken auferlegen.

Die Beibehaltung des gegenwärtigen Ansatzes bedeutet im Umkehrschluss, dass andere Länder auf der ganzen Welt das Private Banking und die Vermögensverwaltung zunehmend und unumwunden als ein Geschäft definieren, das entweder als schweizerisch angesehen wurde oder sich bloss noch auf eine starke schweizerische Tradition beruft.

Das sollte vielen in der Branche zu denken geben.

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
  • Ja, es gab keine andere, wirtschaftlich sinnvolle Alternative.
    26.63%
  • Nein, man hätte die Credit Suisse abwickeln sollen.
    18.62%
  • Nein, der Bund hätte die Credit Suisse übernehmen sollen.
    28.16%
  • Man hätte auch ausländische Banken als Käufer zulassen sollen.
    9.08%
  • Man hätte eine Lösung mit Schweizer Investoren suchen sollen.
    17.51%
pixel