Der Branchenverband der Schweizer Banken zeigt sich offen für zusätzliche Kompetenzen für die Finma. Gleichzeitig warnt er mit deutlichen Worten vor politischen Überreaktionen. Jetzt würden die Weichen gestellt für die nächsten 20 Jahre.

Normalerweise ist die jährliche Jahresmedienkonferenz der Schweizerischen Bankiervereinigung (SBVg) eine Routine-Übung: Nachdem die meisten Banken ihre Jahreszahlen präsentiert haben, macht die SBVg noch eine Klammer drumherum.

Davon, dass der Branchenverband nach dem Credit-Suisse-Debakel und im Licht der positiven Geschäftsentwicklung bei den verbleibenden Banken einfach zur Tagesordnung übergegangen wäre, kann aber keine Rede sein.

Zeit für Positionsbezug

Verwaltungsratspräsident Marcel Rohner und Direktor Roman Studer stellten ihren Auftritt vor den zahlreich erschienenen Publikums- und Fachmedien ganz ins Zeichen der regulatorischen Aufarbeitung des Untergangs der CS vor einem Jahr.

Hatte die Bankiervereinigung sich bislang eher zurückhaltend geäussert, sieht sie nun den Zeitpunkt für ihren Positionsbezug gekommen. Vier Ideen für wirksamere Aufsicht, bessere Liquiditätsversorgung im Notfall und bessere Abwicklungsfähigkeit der vier systemrelevanten Institute trugen Rohner und Studer vor (finews.ch berichtete).

Entgegenkommen gegenüber der Finma

Konkret kommt die SBVg den Forderungen der Eigenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma) weit entgegen.

So unterstützt sie das Ansinnen der Aufsichtsbehörde nach zusätzlicher Publizität von Enforcement-Verfahren. Ein Element, das im durch den Finma-Bericht offengelegten jahrelangen «in-fight» zwischen CS und Aufsicht gefehlt habe, wie Marcel Rohner feststellte.

Öffentlichkeit von Enforcement-Verfahren

In der Schweiz, sagte Rohner, würden «nur fünf bis zehn Prozent der Enforcement-Verfahren» veröffentlicht, während es bei anderen Finanzplätzen «achtzig bis neunzig Prozent» seien. «Wir sehen den potentiellen Nutzen einer solchen Massnahme», schreibt der Verband in seinem Positionspapier.

Weiter unterstützt die Bankiervereinigung «als Ergänzung zur bestehenden Bestimmung für Gewähr für einwandfreie Geschäftsführung» die Einführung eines angemessenen Verantwortlichkeitsregimes (Senior Manager Regime).

Verständnis für den Unmut

Laut Direktor Studer habe es zurecht für Unmut gesorgt, dass Verantwortliche für den CS-Untergang «ungeschoren davongekommen sind».

Um dies in Zukunft zu vermeiden, sollen die Banken jederzeit die Hauptverantwortlichen für Risiken in ihren Geschäftsbereichen individuell benennen. Und die Finma soll eine Handhabe bekommen, auf dieser Basis die Gewähr für Zeiträume von fünf, zehn Jahren oder lebenslang zu entziehen.

Kern: Liquiditätsversorgung

Das zweite von der SBVg unterstützte Massnahmenbündel betrifft die Liquiditätsversorgung der Banken. Wie es die Expertengruppe «Bankenstabilität» des Eidgenössischen Finanzdepartements vorgeschlagen hat, soll das «Universum an Sicherheiten», welche die Schweizerische Nationalbank (SNB) im Rahmen der Emergency Liquidity Assistance (ELA) von den Banken akzeptiert, erweitert werden.

Bisher akzeptiert die SNB vor allem Hypotheken. Konkret sprachen die SBVg-Vertreter von einer Erweiterung auf Lombard- und auf Firmenkredite. Es gehe darum, die im modernen Echtzeit-Zeitalter beschleunigten Bank-Runs abzufedern.

Teure Anpassungen

Bankenseitig, so betonte Rohner, sei dies mit teuren Anpassungen verbunden.

Die Bilanz müsse so strukturiert werden, dass Aktiven im Fall einer Liquiditätskrise, wie sie zum Schiffbruch der Credit Suisse geführt habe, rasch und unkompliziert bei der Nationalbank als Sicherheiten für Liquiditätshilfen platziert werden können. «Bei komplexen Strukturen kommt es dabei auch darauf an, wo die Aktiven geografisch liegen», erläuterte Marcel Rohner.

Begleitetes Sterben im Ernstfall

Ebenfalls als Liquiditätsmassnahme unterstützt die Bankiervereinigung die Einführung eines Public Liquidity Backstops für systemrelevante Institute. Dieses Instrumentarium, so Rohner und Studer, gewährleiste zusätzliche Liquidität seitens des Staates, sollte eine der vier verbleibenden systemrelevanten Institute von der Finma für nicht mehr lebensfähig erklärt werden.

«Es muss sichergestellt werden, dass das Sterben einer systemrelevanten Bank geordnet vor sich gehen kann», sagte Studer. Entsprechende gesetzliche Dispositive zur Zahlungsabwicklung unter staatlicher Liquiditätsgarantie existieren beispielsweise in der EU, in den USA oder in Grossbritannien.

Warten auf den PUK-Bericht

Die vierte Thematik, in der sich die Bankiervereinigung Verbesserungsmassnahmen vorstellen kann, ist die Zusammenarbeit zwischen den Behörden – national wie international. Hier warte man aber auf den Bericht der Parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK), um konkrete Forderungen oder Empfehlungen abzugeben.

Mit ihren Forderungen in Sachen Gesetzgebung und Regulierung begab sich der Bankenverband von der Defensive in die Offensive. Es gehe darum, die «richtigen statt die falschen» Lehren aus dem Fall Credit Suisse zu ziehen, sagte Marcel Rohner.

Kritische Weggabelung

Mehrfach betonten die beiden Verbandsfunktionäre, dass jetzt die Weichen zu stellen seien für den «Erfolg des Bankensektors in den nächsten zwanzig Jahren». Der Schweizer Bankenplatz stehe an einer «Weggabelung». Man müsse, «die richtigen Lehren ziehen und falsche vermeiden».

In den Voten schwang die Sorge mit, dass der Niedergang der Credit Suisse zum Anlass genommen wird für eine nicht zweckdienliche regulatorische Überreaktion.

Gegen Bussen-Kompetenz der Finma

Zum einen lehnt die Bankiervereinigung das Ansinnen der Finma ab, künftig Bussen aussprechen zu können. Global gesehen gebe es «keine mehr gebüsste Bank als die Credit Suisse», sagte Marcel Rohner. «Insofern sind wir skeptisch. Die Bussen scheinen nicht wirklich gewirkt zu haben.»

Ausserdem hätten sich im vergangenen Frühling viele politische Akteure mit ihren «Evergreens», so der Präsident der SBVg, zu Wort gemeldet: Klimapolitische Forderungen an den Finanzsektor, ein Eigenkapital von mindestens 20 Prozent für Banken, ein allgemeiner Bonus-Cap für die ganze Schweizer Wirtschaft…

Volkswirtschaftliches Risiko

Das Risiko sei «hoch», so Bankenpräsident Marcel Rohner, «dass wir am Ende neue Regulierungen haben, die nicht nur die Banken, sondern die Wirtschaft insgesamt schwächen». Was die Bankiervereinigung jetzt vorschlage, decke sich mit dem Expertenbericht des Finanzdepartements. «Es sind die vier Massnahmen, wo man wirklich Schwächen gesehen hat.»

Die Bankiervereinigung ist zuversichtlich, damit im Fall der Fälle auch das Problem der mittlerweile noch grösser dimensionierten UBS in den Griff zu bekommen. Die UBS selber, so Marcel Rohner, wolle im absoluten Extremfall abgewickelt werden können. «Ich glaube auch, dass das möglich ist.» Und es «muss funktionieren, weil es nur noch eine (Grossbank, Anm. d. Red) gibt.»

Sanktionen: Schweiz risikoavers

Im Sinne der internationalen Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer Bankenplatzes äusserten die beiden SBVg-Vertreter die Hoffnung, dass die Politik die vor allem liquiditätsbedingten Probleme adressiert, welche zum Untergang der Credit Suisse führten.

Insgesamt bestehe das Ziel darin, die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer Finanzplatzes sicherzustellen. Das sei angesichts des weltweiten Konkurrenzdrucks kein einfaches Unterfangen, wo sich etliche konkurrierende Finanzplätze bei der Umsetzung der Russland-Sanktionen deutlich risikofreudiger zeigten als die Schweiz.

Verhaltene Neugeld-Erwartungen

Für das Cross-Border-Geschäft formuliert die Bankiervereinigung sehr zurückhaltende Erwartungen: Massive Neugeldzuflüsse seien in naher Zukunft nicht zu erwarten.

Das erfolgreiche Geschäftsjahr 2023 der Schweizer Banken, es blieb eine Fussnote im regulatorischen Tsunami des CS-Debakels.Vor der Bankiervereinigung liegt eine politische Herkulesaufgabe. Auch die Fragerunde an der Medienkonferenz zeigte, dass der Schweiz eine intensive bankenpolitische Debatte bevorsteht: sie drehte sich vor allem um weitergehende Forderungen an Regulierung und Gesetzgebung.