Nach Jahren steigender Preise verlieren die edelsten Champagner im laufenden Jahr ungebremst an Wert. Auf der Jagd nach Schnäppchen strömen die Schaumwein-Liebhaber nun in die Herkunftsregion.

In den vergangenen 30 Jahren haben sich Spitzenweine als eine der besten Kapitalanlagen erwiesen. Die Preise stiegen um durchschnittlich 10 Prozent pro Jahr. Selbst in Zeiten von Marktturbulenzen wie dem Finanzcrash von 2008, der Coronavirus-Pandemie oder dem Krieg in der Ukraine haben sich Edelweine als ein Vermögenswert erwiesen, der gegenüber makroökonomischen Unsicherheiten weitgehend unempfindlich ist.

Der Zusammenbruch der Silicon Valley Bank und anderer Finanzinstitute in den USA sowie die Übernahme der Credit Suisse durch die Schweizer Grossbank UBS haben die Finanzmärkte erschüttert. Laut Marktbericht von Liv-Ex, einem globalen Marktplatz für den Weinhandel, blieben diese Auswirkungen auf den Markt für edle Tropfen jedoch gering.

Tägliche Preisbewegungen

Auf Jahressicht verlor der Liv-Ex Fine Wine 50 lediglich 0,9 Prozent und hielt sich damit deutlich besser als Standardwerte am US-Aktienmarkt.

(Grafik zum Vergrössern anklicken; Quelle: Liv-Ex)

Das Weinbarometer verfolgt die täglichen Preisbewegungen der Bordeaux First Growths. Es umfasst die zehn jüngsten Jahrgänge von Lafite Rothschild, Margaux, Mouton Rothschild und Haut Brion (2010-2019) sowie die Jahrgänge 2005-2014 von Latour.

Performance verdeckt Sorgen

Selbst wenn die wichtigsten Weinindizes seit Jahresbeginn nur leichte Einbussen hinnehmen mussten, verbergen sich hinter der Performance einige Sorgen, heisst es im Marktbericht weiter. Unter den Subindizes des Liv-Ex 1000, der den Markt am breitesten abbildet, büsste beispielsweise der Champagne 50 seit Jahresbeginn 5,8 Prozent ein. Er verzeichnete im März zum fünften Mal in Folge ein Minus.

Damit kehrt der Champagne 50 auf ein «normales» Niveau zurück, nachdem er bis im vergangenen November zu einem wahren Höhenflug angesetzt hatte und damit die beste Performance ausgewiesen hatte. Analog zu erfolgreichen Fonds schaffen es offensichtlich auch die edlen Tropfen nicht, nachhaltig sehr hohe Renditen zu erzielen.  

Angesichts der Preisrückgänge in der Champagne ist es laut Liv-Ex nicht verwunderlich, dass die Käufer auf der Suche nach Rabatten in die Region strömen. Der Cristal 2014 von Louis Roederer war im ersten Quartal 2023 sowohl wert- als auch mengenmässig der meistgehandelte Tropfen. Auch die Jahrgänge 2013 und 2012 des Dom Perignon gehörten zu den umsatzstärksten Weinen.

Favorit Lafite

Für das laufende Jahr rechnen die Weinexperten mit einer steigenden Nachfrage nach Bordeaux und einer Renaissance dieser französischen Weinbauregion. So hat sich beispielsweise der wertmässige Anteil des Handels mit Bordeaux im ersten Jahresviertel von 35,1 auf 37,3 Prozent des Gesamtwerts verbessert.

Der Favorit des Handels, der Lafite Rothschild 2019, gehörte zu den wertmässig am meisten gehandelten Weinen. Mehrere Châteaux aus Bordeaux waren ebenfalls in der Liste der mengenmässig meistgehandelten Weine vertreten.

Vertrauen auf bewährte Tugenden und Regionen

Weine aus den USA, Rhône und Piemont verzeichneten ebenfalls leichte Verbesserungen gegenüber dem Vorquartal. Die Zuwächse gingen zu Lasten von Burgund und Champagne. Ihr Handelsanteil sank auf 23,5 respektive 13,7 Prozent.

Laut Liv-Ex waren die Käufer im bisherigen Jahresverlauf eher risikoscheu. Der Preisanstieg und der zunehmende Handel mit Weinen aus Bordeaux könnten darauf hindeuten, dass sich die Käufer wieder verstärkt auf vertraute Regionen konzentrieren, die für ihre Stabilität und Liquidität bekannt sind.