Relais & Châteaux, die internationale Vereinigung von 580 Hotels und Restaurants, will die schonende Landwirtschaft und regionale Erzeuger fördern. Konkrete Anschauung boten ein Besuch von drei Betrieben im Berner Oberland und ein Empfang in der «Krone Regensberg».

Spitzengastronomie und Nachhaltigkeit, geht das zusammen? Ja, sagt Relais & Châteaux. Nach Veranstaltungen in anderen Ländern war es Anfang November auch in der Schweiz so weit.

In der «Krone» im mittelalterlichen Städtchen Regensberg im Zürcher Unterland wurde das Engagement der internationalen Vereinigung für regionale Erzeuger, für Biodiversität und nachhaltige, regenerative Landwirtschaft anhand eines exquisiten Abendessens zelebriert.

Quitte aus dem Garten

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Alessandro Mordasini, Bernd Fabian, Stefan Lünse (von links, Bild AV)

Auf der Menükarte standen unter anderem Saibling und Flusskrebs aus einer Zucht in Zweisimmen im Berner Oberland, Reh aus Samnaun, Weiderind vom Loohof in Regensberg, Quitte aus dem Garten des «Lenkerhof Gourmet Spa Resort», Trüffel, gepickelte Pfifferlinge, Zwiebeln, Birnen aus der Gegend.

Was im eleganten, aber familiären Rahmen der «Krone Regensberg» aufgetischt wurde, war das Werk von drei Spitzenköchen: Alessandro Mordasini von der «Krone» selbst (15 Punkte Gault&Millau), Bernd Fabian von der «Chasa Montana» in Samnaun GR (16 Punkte, ein Michelin-Stern) und Stefan Lünse vom «Lenkerhof» an der Lenk im Simmental (17 Punkte).

Ganze Wildtiere

Man halte lokale Traditionen hoch und baue enge Beziehungen zu den örtlichen Landwirten, Jägern und Fischern auf, sagte Melanie Frey an dem Event. Sie ist die Direktorin der Schweizer Landesgruppe von Relais & Châteaux, der neben «Krone», «Lenkerhof» und «Chasa Montana» gut 20 weitere Häuser von Genf bis ins Bündnerland angehören.

Regionalität wird dabei nicht stur ausgelegt, wie Bernd Fabian erklärte: «Wir kaufen regional ein. Aber Samnaun liegt am Rand der Schweiz, und Regionalität kennt keine Landesgrenzen.» So verarbeitet Fabian jeweils im Herbst 15 bis 20 ganze Wildtiere – Gams, Steinbock, Reh, Hirsch -, die ihm von lokalen Jägern geliefert werden. Die Äpfel hingegen stammen aus dem benachbarten Südtirol, Crevetten aus einer Zucht bei Innsbruck im ebenso nahen Tirol.

Zerstörung der biologischen Vielfalt

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Hotel und Restaurant Krone, Regensberg (Bild: TC)

Um seinen Anspruch zu untermauern, kooperiert die Vereinigung mit der Bewegung Slow Food für die Kampagne «Food for Change». Edward Mukiibi, Präsident von Slow Food International, erläuterte die Ziele der Kampagne: «Die Integrität des Bodens wiederherstellen, unsere Gemeinschaften ernähren und den Klimawandel verlangsamen.»

«Der Ansatz multinationaler Konzerne führt zur Zerstörung der biologischen Vielfalt und zum Verlust von Traditionen. Der richtige Ansatz hingegen ist differenziert und beruht auf den Erfahrungen lokaler Erzeuger und den umweltfreundlichen Entscheidungen und Verhaltensweisen der Menschen», so Mukiibi weiter.

Regionalität grossgeschrieben

Um die Umsetzung dieser Ansprüche konkret zu erfahren, ist die finews.ch-Redaktion wir ins Berner Oberland gereist und hat dort die drei Relais & Châteaux-Hotels besucht: die 4*-superior-Häuser «Waldhotel Doldenhorn» in Kandersteg und «Bellevue Parkhotel & Spa» in Adelboden sowie das schon erwähnte «Lenkerhof Gourmet Spa Resort», ein 5*-superior-Hotel.

Alle drei Betriebe bestechen durch ihr hochstehendes kulinarisches Angebot. Die erste Nacht verbrachte finews.ch-Reiseredaktor Artur Vogel im «Doldenhorn». Dass das rustikale, aber gediegene und idyllisch am Waldrand gelegene Haus im Chaletstil einst ein Ferienheim, später eine Pension war, sieht man ihm nicht mehr an.

Alles über Kaviar

Laufend wurde es um- und ausgebaut, zuletzt um eine neue Rezeption und Konferenzräume erweitert. Soeben ist die Führung des Hauses offiziell von Anne und René Maeder auf ihren Sohn Patric übergegangen.

Am nächsten Tag fuhr Artur Vogel mit E-Bikes hinunter nach Frutigen. Im dortigen Tropenhaus, das Coop gehört, wurde er über die Zucht von Stör und die Gewinnung von Kaviar aufgeklärt, alles nach umweltschonenden Prinzipien und praktisch ohne Verbrauch von Fremdenergie. Danach ging es 16 Kilometer und 800 Höhenmeter hinauf nach Adelboden.

Scbon die Grossmutter wusste es

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In dritter Generation führt Franziska Richard (Bild oben) das «Bellevue Parkhotel & Spa» mit Blick über Adelboden und die Berner Oberländer Bergwelt. Es gehört erst seit kurzem zu Relais & Châteaux. Doch deren Prinzipien befolgt man offenbar schon seit langem: «Schon meine Grossmutter, die das Hotel lange alleine führte, wusste, dass sie den Gästen eine gute Küche mit perfektem Service bieten musste», sagt Richard. «Diesem Konzept sind wir treu geblieben.»

Kulinarische Höhenflüge erwarten einen ebenfalls im «Lenkerhof». Was Spitzengastronomie und Nachhaltigkeit konkret bedeuten, erläutert Stefan Lünse (diesmal in seiner «Lenkerhof»-Küche, die soeben neu gebaut wurde) am Beispiel einer Frau, die in früheren Jahrhunderten vielleicht als Hexe verfolgt worden wäre: «Sie hat ein unglaubliches Wissen und liefert uns Kräuter, von denen wir nicht einmal wussten, dass es sie gibt.» Ausserdem ist der «Lenkerhof» exklusiver Abnehmer sämtlicher Eier ihrer Wachteln.

Zusammenarbeit mit Jägern

Lünse arbeitet, wie Bernd Fabian in Samnaun, in der Wildsaison eng mit Jägern aus der Region zusammen. Da kommt es auch vor, dass ihm eine frische Rehleber geschenkt wird, aus der er prompt einen Gang komponiert. Denn der Küchenchef muss die immense Aufgabe bewältigen, pro Abend 15 verschiedene Speisen zu komponieren, die täglich wechseln müssen, und damit bis zu 180 Gäste zu verpflegen.

Jan Stiller führt das Haus zusammen mit seiner Frau Heike Schmidt seit zwölf Jahren. Daneben präsidiert Stiller auch die Delegation Schweiz und Liechtenstein von Relais & Châteaux.

Bessere Welt durch Gastfreundschaft

«Unsere Vereinigung beschäftigt sich schon seit zwei Jahrzehnten mit Nachhaltigkeit, lange bevor das Thema so aktuell wurde, wie es heute ist», betont Stiller: «Schon 2009 haben wir die Ethic Ocean Charta unterzeichnet und 2014 unsere ‹Vision für eine bessere Welt durch Kochkunst und Gastfreundschaft› bei der Unesco deponiert.»