Mit António Horta-Osório findet die Credit Suisse kurz vor Ablauf des selbst gesetzten Ultimatums einen neuen Präsidenten. Der Verlauf der Suche unter Urs Rohner hat sich als windungsreich erwiesen, wie finews.ch aufzeigt.

1. Start mit schwacher Ersatzbank

Das Bestimmen eines neuen Verwaltungsrats-Präsidenten oder einer -präsidentin ist eine der planbarsten Personalien überhaupt im Banking. Doch der amtierende Präsident Urs Rohner, der als Leiter des Nominierungs-Ausschusses im Verwaltungsrat der Credit Suisse (CS) die Suche verantwortete, schien bis vor rund einem Jahr überhaupt keinen Plan zu haben.

Der einzige mögliche interne Kandidat war Alexander Gut – und er hat sich durch seinen Austritt im vergangenen Frühling selber aus dem Rennen genommen. Die dünn besetzte «Ersatzbank» im CS-VR wäre vorab durchaus mit valablen Kandidaten zu besetzen gewesen. Etwa mit Jo Oechslin, dem früheren Chief Risk Officer. Stattdessen holte ihn der Rückversicherer Swiss Re ins Board.

2. Wertvolle Zeit mit Spitzelskandal verloren
 
Ab dem Herbst 2019 bis weit in dieses Jahr hinein bestimmte die Spitzel-Affäre rund um den scheidenden Manager Iqbal Khan die Tagesordnung bei der CS. Präsident Rohner war von Anfang an stark involviert im «Spygate». So ordnete er erst die Entlassung des operationellen Chefs Pierre-Olivier Bouée an, musste dann zusehen, wie der Fall weitere Kreise zog und die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) einen Prüfbeauftragten in die Bank schickte. Auch die Beziehung zwischen Rohner und CEO Tidjane Thiam trübte sich wegen des Skandals ein, was Investoren wie die US-Grossaktionärin Harris Associates verärgerte. Mit dem Abgang Thiams im vergangenen Februar behielt Rohner zwar die Oberhand, errang aber wohl einen Phyrrus-Sieg.

3. Sein Plan mit der Verlängerung ging nicht auf

Denn der Zwist mit den Investoren sollte sich schon bald rächen. Ende 2019 hatten Medien berichtet, dass Rohner eine Amtszeitverlängerung anstrebe. Doch Harris Associates stellte nach dem Spygate-Debakel der Bank offenbar ein Ultimatum: Wenn «Urs» sich an seine reguläre Amtszeit halte, dann werde man an der Generalversammlung vom vergangenen April davon absehen, offen seinen Rücktritt zu fordern. Rohner gab dann letzten März tatsächlich bekannt, dass er sich das letzte Mal der Wiederwahl stelle – erst von da an musste bei der CS dringend ein neuer Präsident her.

4. Kommunikatives Einerlei

Auffällig ist, dass die begleitende Kommunikation über weite Strecken eine gewisse Hilflosigkeit an den Tag legte. Bereits vor über einem Jahr war die Rede von einer sogenannten «Shortlist» gewesen, wonach die Zahl der möglichen Kandidaten bereits stark ausgesiebt gewesen wäre. Im Februar dieses Jahres hiess es dann, eine «ordentliche Nachfolgeplanung» sei im Gang – was andeuten liess, dass Rohner seinen Nachfolger oder seine Nachfolgerin an der Generalversammlung präsentieren würde. Nachdem dies im vergangenen April nicht geschehen war, kam die Rede wieder auf eine bereits vorhandene «Shortlist». Im August sagte Rohner dann persönlich und knapp, die Nachfolgeplanung laufe.

5. Zuerst aufs falsche Pferd gesetzt?

Der frühere Nationalbank-Präsident Philipp Hildebrand war lange als Spitzenkandidat für das Amt gehandelt worden, bis der sich als Kandidat für das Amt des OECD-Generalsekretärs diesen Herbst selber aus dem Rennen genommen hatte. Der Vizepräsident des weltgrössten Vermögensverwalters Blackrock geniesst in der Schweiz nach wie vor einen glanzvollen Ruf – je nachdem, wem man zuhört. In manchen, höchst mächtigen Wirtschaftskreisen solle der 57-Jährige als untragbar gelten. Dies wegen privater Devisentransaktionen in seiner Amtszeit als Nationalbank-Präsident. Bei Hildebrand kam zudem ein möglicher Interessenkonflikt hinzu, denn seine Ehefrau Margarita Louis-Dreyfus ist Grosskundin der CS.

Dieser Interessenkonflikt ist nun in Begriff, sich aufzulösen: Louis-Dreyfus will ihre CS-Schulden tilgen. Ob Rohner Hildebrand tatsächlich als sein Nachfolger in Betracht gezogen hat, ist nicht bestätigt.

6. Bei Lloyds tut sich ein Fenster auf

Vergangenen Juli wurde öffentlich bekannt, dass Lloyds-Banking-CEO António Horta-Osório bis Juni 2021 von seinem Posten zurücktritt. Über die weiteren Pläne des Portugiesen an der Spitze der grössten britischen Retailbank wusste man dann nichts Näheres; hatten er und Rohner schon zuvor Gespräche übers CS-Präsidium geführt? Und wenn ja, woher kommt die lange Bedenkzeit? Denkbar ist daher auch, dass der Lloyds-Chef erst ab vergangenem Sommer zum Rennen ums höchste Amt bei der Schweizer Grossbank stiess.

7. Die Corona-Pandemie, die alles etwas schwerer macht

Selbstverständlich ist die Corona-Pandemie kein Pluspunkt bei einer schwierigen Kandidatensuche. Reise- und Kontaktrestriktionen können zu Verzögerungen führen. Dennoch klang die im Umfeld der CS oft gehörte Erklärung, die Coronakrise behindere die Suche, wie eine Ausrede. Denn wenn die globale Finanzindustrie bewiesen hat, dass sie auch «remote» und ohne Millionen von Flugmeilen einwandfrei funktioniert, müsste dies von einem Rekrutierungs-Prozess auch zu erwarten sein.

8. Sich selbst ein Ultimatum gestellt

Mit dem Versprechen, noch dieses Jahr Ersatz für Rohner zu finden, hat sich das mit der Suche beauftragte Ernennungskomitee selber unter Druck gestellt. Den Termin der ausserordentlichen Generlaversammlung von Ende November liess die CS ohne Ankündigung verstreichen – das letzte mögliche Fenster wäre wohl der Investorentag vom 15. November gewesen. Ob Rohners Such-Komitee erst am (heutigen) 1. Dezember die portugiesische Personalie klar machen konnte oder das Datum doch mit Vorbedacht wählte: Der Eindruck eines «Chrampfs» bleibt.

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