Raiffeisen sieht sich nicht nur als Anlage-, sondern auch als Unternehmerbank. Jede der 220 Raiffeisenbanken könne KMU-Kunden auch beim Vermögen beraten, sagt CEO Heinz Huber zu finews.ch.


Herr Huber, entgegen allen Befürchtungen haben die Raiffeisenbanken die Zinswende bisher bestens gemeistert. Dem Jahresergebnis 2022 zufolge scheint das Ende der Negativzinsen gar ungeahnte Ertragskräfte bei der Gruppe entfesselt zu haben. Überrascht Sie die Entwicklung?

Eigentlich nicht. Die Gruppe ist traditionell stark im Zinsengeschäft aufgestellt. Es war davon auszugehen, dass wir mit einem moderaten Zinsanstieg gut umgehen können.

Das Wachstum des Bruttozinsertrags ist von 2 Prozent im Jahr 2021 auf 7 Prozent geklettert – die Erträge wuchsen im vergangenen Jahr also mehr als dreimal so schnell wie zuvor. Wählt man den Nettozinsertrag, wie Raiffeisen in der Medienmitteilung vom Donnerstag, fällt das Wachstum tiefer aus. Warum stellten Sie nicht die bessere Zahl ins Schaufenster?

Nun, wenn sie im Laden einkaufen gehen, dann interessieren sie ja auch die Nettopreise. Für die Bankführung und die Genossenschafter ist es wichtig, den Ertrag nach Zinsaufwand und Wertberichtigungen zu betrachten. Das ist der Wert, der am Ende zählt.

Allerdings liegt der Vorwurf in der Luft, die Banken hätten mit der Zinswende ihre Marge massiv ausgeweitet. Wird dies für die Branche noch zum Politikum?

Ich kann nur für Raiffeisen reden, aber das glaube ich nicht. 80 Prozent der ausstehenden Hypotheken sind bei uns zu festen Sätzen gebunden. Dort ändert erst einmal gar nichts. Im Neugeschäft und bei den variablen Hypotheken können wird die Preise erhöhen, aber das geschieht ebenfalls nicht sprunghaft.

«Wir wollen mit der Zinswende nicht das grosse Geschäft machen»

Und bei den Einlagen haben wir die Sparzinsen mit Blick auf kommenden April schon dreimal erhöht. Wir bewegen uns damit im Mittelfeld der Branche. Ich erwarte, dass sich das Zinsengeschäft mittelfristig auf einem neuen Gleichgewicht einpendeln wird.

Im vergangenen Jahr flossen den Raiffeisenbanken 3 Milliarden Franken an Spargeldern zu, obschon das Zinsangebot im Branchenvergleich unterdurchschnittlich war. Man muss sich fragen: würde das Geld für Sie auch ohne Zinsen sprudeln?

Man muss schon attraktiv sein bei den Konditionen, der Wettbewerb spielt ja weiterhin. Als genossenschaftlich organisiertes Unternehmen möchten wir unseren Mitgliedern und der Gesellschaft auch etwas zurückgeben. Aus den gleichen Gründen ist klar, dass wir mit der Zinswende nicht das grosse Geschäft machen wollen.

Sind in den 3 Milliarden Franken auch Gelder enthalten, die von der angeschlagenen Credit Suisse zu Raiffeisen wanderten?

Bei den Kontoeröffnungen haben wir über das ganze Jahr hinweg keine Auffälligkeiten festgestellt. Wenn aber etwa Konten sowohl bei Raiffeisen wie bei der Credit Suisse bestehen, haben wir teils gesehen, dass sich im vergangenen Oktober und November Liquidität in unsere Richtung bewegte.

Dieselbe Credit Suisse hat dieser Tage in einer Studie behauptet, dass der Superzyklus der steigenden Immobilienpreisen in der Schweiz nun zu Ende gehe. Damit steigen für die Hypothekenbanken die Risiken, richtig?

Wir gehen weiterhin davon aus, dass die Preise für selbstbewohntes Wohneigentum steigen.

«Es wird opportunistisch auf die günstigeren variablen Sätze gesetzt»

Es besteht hier weiterhin Knappheit. Bei Renditeliegenschaften sind Preiskorrekturen denkbar. Aber auch dort ist der Wohnraum knapp bemessen, nicht zuletzt wegen der hohen Zuwanderung.

Im Neugeschäft entfällt bei Raiffeisen inzwischen die Hälfte des Volumens auf variable Saron-Hypotheken. Drohen damit ganz normale Häuslebauer zu Zinsspekulanten zu werden?

Ich bin hier ganz bei ihnen, bei der Kreditvergabe muss natürlich die Tragbarkeit genau betrachtet werden. Wenn diese schon knapp bemessen ist, empfiehlt es sich, die Zinsen fest anzubinden. Aber natürlich entscheiden die Kundinnen und Kunden selber. Im Moment stellen wir fest, dass hier opportunistisch auf die günstigeren variablen Sätze gesetzt wird. Das kann sich aber künftig wieder ändern.

Noch grösser ist das Etragswachstum im Kommissionengeschäft ausgefallen. Raiffeisen betrachtet sich inzwischen auch als Anlagebank: 2022 wurden gruppenweit rund 40’000 neue Anlagedepots eröffnet. Was ist das Limit – die 3,6 Millionen Bestandeskunden von Raiffeisen in der Schweiz?

Wir sind in der Vergangenheit vorab als eine im Zinsengeschäft tätige Bank wahrgenommen worden. Entsprechend gross ist unser Potenzial nun im Anlagegeschäft.

«Wir zielen auf die typischen Raiffeisen-Kunden»

Bei der Eröffnung von Depots gehen wir vorab unsere bestehende Kundschaft an, aber wir gewinnen auch Neukundinnen und Neukunden auf diesem Weg. Es ist klar, dass wir als Raiffeisen nicht auf eine UHNWI-Klientel abzielen; entsprechend haben wir die Eintrittshürden für Mandate im vergangenen Jahr auf 50'000 Franken gesenkt.

Sinnigerweise erkennen inzwischen die Grossbanken Credit Suisse und UBS einiges Potenzial in der Betreuung von vermögenden Affluent-Kunden. Kommen sich Raiffeisen und diese Riesen der Vermögensverwaltung bald in die Quere?

Das lässt sich aus heutiger Warte schwer abschätzen. Klar ist, dass wir mit unseren Angeboten auf die typischen Raiffeisen-Kundinnen und -Kunden zielen: Diese sind zumeist Lohnempfänger, haben mit fortgeschrittenem Alter ihre Hypothek zurückgezahlt und in der Folge Liquidität übrig. Grössere Vermögen versprechen dann die Freizügigkeit-Gelder aus der zweiten Säule bei der Pensionierung. Und natürlich sind wir auch sehr nahe an Unternehmern dran. Schliesslich unterhält jedes dritte Schweizer KMU eine Bankbeziehung zur Raiffeisen.

Pardon, aber die Unternehmerbank ist schon die Credit Suisse.

Sie denken hier wohl an Grossunternehmen. Wir hingegen arbeiten eng mit den kleinen und mittleren Firmen zusammen, und das seit Jahrzehnten. Jede der 220 Raiffeisenbanken kann diese Kundschaft auch beim Vermögen beraten.

Das gute Ergebnis lässt fast vergessen, dass im vergangenen Jahr eine Altlast von Raiffeisen verhandelt wurde. Vergangenen April erging vor dem Zürcher Bezirksgericht ein erstes Urteil gegen den früheren Raiffeisen-Chef Pierin Vincenz und Mitangeklagte. Alle Parteien haben inzwischen Berufung eingelegt – auch Raiffeisen Schweiz, die einen Schadenersatz in zweistelliger Millionenhöhe geltend macht. Wäre es nicht besser gewesen, einen Strich unter die Affäre zu ziehen?

Sie werden verstehen, dass ich ein laufendes Verfahren nicht kommentiere. Ich kann nur betonen, dass Raiffeisen heute ein ganz anderes Unternehmen ist.


Heinz Huber wirkt seit 2019 als Vorsitzender der Geschäftsleitung von Raiffeisen Schweiz. Der 59-jährige Bankmanager hatte zuvor während vier Jahren die Leitung der Thurgauer Kantonalbank inne. Die Raiffeisen Gruppe zählt mit über 3,64 Millionen Kunden als dritte Kraft im Schweizer Bankenmarkt und ist eine von fünf systemrelevanten Grossbanken. Die 220 rechtlich autonomen und genossenschaftlich organisierten Raiffeisenbanken betreiben landesweit 803 Standorte. Die Gruppe verwaltete per Ende 2022 Kundenvermögen in der Höhe von 242 Milliarden Franken und Kundenausleihungen von rund 215 Milliarden Franken. Der Marktanteil im Hypothekargeschäft beträgt 17,6 Prozent. Die Bilanzsumme beläuft sich auf 281 Milliarden Franken.

Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
  • Julius Bär, weil der Kurs seit dem Signa-Debakel genügend gesunken ist.
    20.28%
  • Vontobel, weil das Unternehmen 2024 die Wende im Asset Management schaffen wird.
    8.79%
  • EFG International, weil die Bank keinerlei interne Probleme bekundet und stark wächst.
    14.91%
  • UBS, weil die Grossbank auch als Privatbank enormes Potenzial bietet.
    46.37%
  • Banque Cantonale Vaudoise, weil sie unter den Kantonalbanken ein grosses Private Banking anbietet.
    9.64%
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