Das hat eine Kettenreaktion, ein eigentliches Festival an verstecktem systemischem Risikoaufbau zur Folge. Es beraubt zunächst die Lebensversicherungen der Risikofähigkeit. Dies umso mehr, als sie in jedem einzelnen Jahr, nicht etwa über eine längere Periode von drei bis fünf Jahren hinweg, für das Kapital und einen garantierten Zins darauf geradestehen müssen. So bleiben ihnen praktisch nur Festverzinsliche mit langen Laufzeiten sowie Immobilien als Anlageobjekte.

Was für einen einzelnen, im Markt marginalen Teilnehmer durchaus zutrifft, spielt im System eben nicht: Das Angebot im Franken-Obligationenmarkt ist beschränkt. Durch die Regulation werden die Bilanzen der Lebensversicherer strukturell und auf Jahre hinaus in eine Defizitlücke gepresst. Sie finden das Material gar nicht vor, um ihre langfristigen Verbindlichkeiten risikolos zu replizieren. Je niedriger die Obligationen-Renditen fallen, desto mehr müssen die Lebensversicherer in Obligationen mit sehr langen Laufzeiten investieren, wo das Angebot ohnehin noch viel dünner ist, auch global gesehen.

Verflachung ins Unsinnige

Sie müssen primär zusätzlich lange Obligationen im Dollar- und im Kreditbereich kaufen, wo die Notenbank einen Zyklus geldpolitischer Straffung begonnen hat – möglicherweise zu spät und zu langsam.

Und so läuft der gesamte Wirkungszusammenhang: Die SNB betreibt eine wechselkursorientierte Geldpolitik über Negativzinsen statt über eine Untergrenze des Wechselkurses. Dies treibt die Zinsen am Geldmarkt zusätzlich in den Negativbereich, noch mehr als in der Eurozone. Am langen Ende drückt die vom Regulator gesetzte UFR die Zinsen in der Schweiz. Die ganze Kurve verflacht ins Unsinnige. Es ist keineswegs so, dass die schweizerische Zinskurve in irgendeiner Weise die erwartete Inflation und Realrenditen repräsentiert, sondern ein regulatorisch hervorgerufenes Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage.

Erhöhte Zinsempfindlichkeit

Das hat Konsequenzen auf der Anlageseite. Darum die Fokussierung auf Obligationen mit sehr langen oder ultralangen Laufzeiten, in Kredite reduzierter und teilweise zweifelhafter Qualität, auch im Ausland, und in einen überhitzten Immobilienmarkt. Die Pensionskassen verdienen dadurch ebenfalls wenig auf dem festverzinslichen Portfolio-Teil, und sind ebenfalls in erhöhte Immobilien- und vor allem Aktienanteile hineingezwungen.

Optisch sieht der Deckungsgrad der Pensionskassen heute gut aus, aber um den Preis eines gegenüber der Vergangenheit deutlich erhöhten Risikos. Die Aktienanteile liegen höher, und die Obligationen verdienen zu wenig und haben eine viel längere Duration respektive erhöhte Zinsempfindlichkeit.

Gebäude vor dem Einsturz

Der Kern des Risikos ist ein durch steigende Zinsen im Dollar, vor allem abrupt steigende Zinsen ausgelöster Vermögensverlust auf Anleihen und Aktien. Hinzu kämen Leerbestände bei Immobilien. Nur schon eine Normalisierung, geschweige denn ein überraschend kräftiger Zinsanstieg könnte die Altersvorsorge in Probleme bringen. Die Fokussierung auf eine in der Theorie vernünftige, in der Praxis nicht realistische risikolose Zinskurve der Lebensversicherer kann das ganze Gebäude zum Einsturz bringen.

Die in einem rationierten Markt ohnehin nicht replizierbare UFR zu gering anzusetzen, ist keine Risikovorsorge, sondern schafft ein konzentriertes Systemrisiko. Sie hat mit der Axa einen weiteren wichtigen Anbieter zur Aufgabe des Garantiemodells für Klein- und Mittelbetriebe veranlasst. Sie begünstigt eine konzentrierte Vermögensanlage in risikohafte und im historischen Vergleich stark überbewertete Aktiven bei den Vorsorgewerken.


Der frühere Bankfachmann Michael Bernegger leitete von 2003 bis 2006 das Asset Management der Swiss Life. Er arbeitet heute als selbständiger Berater und Publizist.

 

 

 

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