Warum Vermögensberatung mehr ist als eine Serie von Anlagetipps


Herr Stohler, worin unterscheidet sich die LGT Vermögensberatung, das Portfolio Advisory, von Anlagetipps?

Wenn wir im Portfolio Advisory eine Anlageidee vorschlagen, berücksichtigen wir dabei immer die persönlichen Überzeugungen und Werte eines Kunden, sein Risikoprofil, seinen Anlagehorizont, seine Liquiditätsbedürfnisse, sein gesamtes Portfolio und seine Lebenssituation.

Dagegen verstehe ich unter einem Anlagetipp eine isolierte Trading-Idee, die alles andere ausblendet. Zugespitzt formuliert: Es gibt nicht die per se perfekte Anlage. Wichtig ist vielmehr, dass sie zu den individuellen Bedürfnissen und ins Portfolio einer Kundin, eines Kunden, passt.

Für wen eignet sich Portfolio Advisory?

Typischerweise verfügen Advisory-Kunden über ein solides Finanzwissen, verfolgen die Börsen und haben eigene Anlageideen. Sie wollen die Chancen an den Märkten aktiv nutzen – auch kurzfristig. Viele dieser Kunden stammen aus Unternehmerfamilien. Sie sind es gewohnt, selbst Entscheidungen zu treffen.

«Für ihre Anlageentscheidungen wünschen sie sich aber einen Sparringpartner auf Augenhöhe»

Interessant finde ich, dass die Grenzen zwischen Portfolio Advisory- und Vermögensverwaltungskunden zunehmend verschwimmen. So investieren viele Kunden einen Teil ihres Vermögens in ein Vermögensverwaltungsmandat. Dieses bildet ihre Basisanlage. Zusätzlich tätigen sie individuelle Ergänzungsanlagen. In der Fachwelt bezeichnet man dieses Zusammenspiel auch als Core-Satellite-Ansatz.

Wie oft tausche ich mich mit einem Anlageexperten, einer Anlageexpertin, aus, wenn ich mich für das Portfolio Advisory entscheide?

Die LGT bietet drei Formen der Vermögensberatung an: Beim Advisory Classic sind Kundinnen und Kunden wie gewohnt im Dialog mit ihrer Kundenberaterin beziehungsweise ihrem Kundenberater. Sie tätigen traditionelle Anlagen und ihr Portfolio setzt sich grösstenteils aus Kollektivanlagelösungen zusammen. Dagegen kommen unsere Anlageexpertinnen und Anlageexperten bei zwei weiteren Advisory-Modellen zum Einsatz – ergänzend zum jeweiligen Relationship Manager.

Beim Advisory Expert-Modell sprechen Kunden oft mehrmals pro Monat mit einem Anlageexperten, einer Anlageexpertin. Das ist wichtig, denn in den Portfolios befinden sich oft anspruchsvolle Anlageklassen: einzelne Aktien, Optionen, strukturierte Produkte, nicht-börsenkotierte Anlagen respektive Private Market Investments.

Generell nimmt der Austausch mit unseren Experten mit der Komplexität des Portfolios zu. Wer professionell und trading-orientiert anlegen will, dürfte mit dem Active Advisory gut fahren. Je nach Marktsituation meldet sich der Anlageexperte, die Anlageexpertin, mehrmals wöchentlich, um die aktuellen Chancen und Risiken an den Märkten zu besprechen.

Was geschieht, wenn ich in den Ferien bin und es die Finanzmärkte durchschüttelt?

Wir nehmen keine Transaktionen vor, ohne dass unser Kunde, unsere Kundin diese gutheisst. Das ist ein grosser Unterschied zu einem Vermögensverwaltungsmandat. Deshalb ist es sehr wichtig, dass wir Kundinnen und Kunden auf irgendeinem Kanal erreichen können – auch wenn sie gerade um die Welt reisen.

Was steckt hinter einer konkreten Anlageempfehlung?

Unsere Expertinnen und Experten fühlen den Märkten den Puls. Ihr Wissen fliesst bei unserem Investmentkomitee zusammen. Dieses tauscht sich regelmässig aus – und erstellt eine Anlagestrategie, die LGT House View. Diese gibt die Leitplanken vor. Wir vom Portfolio Advisory zeigen, wie sich diese konkret umsetzen lässt – bis hin zu taktischen Zügen. Wenn also die LGT House View bei US-Aktien zu Zurückhaltung rät, werden wir unseren Kundinnen und Kunden nicht zu einem Übergewicht raten.

Anders sieht es aus, wenn der Kunde einen Wunsch äussert. Nehmen wir an, er rechnet damit, dass IT-Sicherheit an Bedeutung gewinnt. Um an dieser Entwicklung zu partizipieren, will er auf ausgewählte US-Hightech-Aktien setzen. Als Sparringpartner unterstützen wir dann den Kunden darin, passende Titel zu selektieren.

Darüber hinaus denken wir auch in die Zukunft: Was geschieht an den Märkten, wenn Russland und die Ukraine Frieden schliessen? Wie entscheidet die Europäische Zentralbank an ihrer nächsten Sitzung? Je nach ihrer persönlichen Einschätzung helfen wir unserer Kundschaft, auf solche Szenarien zu setzen.

Nehmen wir an, ich möchte eine exotische Anlageidee umsetzen. Bieten Sie mir da Hand?

Beim Portfolio Advisory geben wir unser Bestes, damit Kundinnen und Kunden aus ihren Ideen eine Anlagemöglichkeit machen können. Wir haben ein sehr breites Anlageuniversum, womit kaum ein Wunsch offenbleibt. Zugleich unterliegen wir als Bank gesetzlichen Regulierungen. Angenommen, ein Kunde möchte von uns einen Tipp zu Kryptowährungen. Hierzu geben wir allerdings keine Meinung ab.  

Falls der Kunde jedoch beispielsweise einen bestimmten Bitcoin-ETC – also ein börsengehandeltes Bitcoin-Zertifikat – wünscht, können wir diesen beratungsfrei für ihn zu seinem Portfolio hinzufügen (sofern der Kunde die produktspezifischen Voraussetzungen erfüllt). Das müssen wir jedoch als «nicht beratende Position» deklarieren. Gerne sammeln wir für unsere Kundinnen und Kunden auch öffentlich zugängliche Informationen zu bestimmten Themen. Damit liefern wir Entscheidungsgrundlagen.

Welches sind aktuell die grössten Herausforderungen im Portfolio Advisory?

Die Märkte sind weltweit verzahnt. Hinzu kommen immer wieder neue Finanzinstrumente. Das macht unsere Arbeit anspruchsvoll, aber auch spannend. Was uns zusätzlich herausfordert, ist das regulatorische Umfeld. Die Gesetzgebung soll dem Anlegerschutz dienen, was wir begrüssen.

Wir müssen jedoch darauf achten, den ursprünglichen Gedanken nicht ad absurdum zu führen. Sollte der Beratungsprozess aufgrund rechtlicher Erfordernisse zu langwierig werden, hätten die Anlegerinnen und Anleger das Nachsehen.

Die Künstliche Intelligenz dringt in nahezu alle Lebensbereiche ein. Wie verändert sie die Vermögensberatung?

Ich glaube, dass auch die künftige Generation den persönlichen Kontakt zu einem Investmentexperten beziehungsweise einer Investmentexpertin schätzt. Im Hintergrund übernimmt die KI jedoch immer mehr Aufgaben. Das kann Entscheidungsprozesse beschleunigen und ermöglicht es uns, neue Informationen zu gewinnen. So lässt sich beispielsweise das Verhalten von Investoren mit ähnlichem Profil und ihr Trading auswerten – daraus können wir viel lernen.

Für die Zukunft sind zudem Virtual-Reality-Anwendungen denkbar. Vielleicht kann ich bald in ein Portfolio eintauchen, mir Unternehmen ansehen und bildlich nachvollziehen, wie sich eine Anlage auf mein Risiko-Rendite-Profil auswirkt. Bereits heute unterstützt uns KI teilweise operativ. So haben wir kürzlich ein Tool eingeführt, das uns hilft, komplizierte quantitative Informationen für Kunden verständlich und übersichtlich aufzubereiten.

Welcher Anlegertyp sind Sie selbst?

Ich bin eher risikofreudig und habe unter anderem in persönliches Wohneigentum, Kryptowährungen und in Private Markets investiert, das eines meiner Fachgebiete ist. All diese Anlagen benötigen keine tägliche Überwachung – dafür fehlt mir die Zeit. Vom Typ her bin ich eigentlich selbst ein Advisory-Kunde: Ich erledige meine Anlagen in Eigenregie – tausche mich aber vorher gerne mit Fachpersonen darüber aus.

Expert oder Active?

Mit LGT Advisory Expert steht Ihnen nicht nur Ihr persönlicher Kundenbetreuer respektive Ihre Kundenbetreuerin zur Seite. Zusätzlich können Sie auf die Expertise einer erfahrenen Anlageexpertin oder eines Anlageexperten zählen. Mit diesem Modell können Sie Ihre Anlageideen eins zu eins umsetzen – ohne die Risiken aus den Augen zu verlieren.

Wer noch aktiver am Markt agieren will und als professioneller Kunde klassifiziert ist, ist mit LGT Active Advisory rundum gut bedient. Aus der Beratung wird hier ein Dialog auf professionellem Niveau. Hauptansprechpartner für Sie ist Ihre Anlageexpertin, Ihr Anlageexperte.


Core Satellite – alles um den Kern

Das eine tun und das andere nicht lassen – genau das macht der Core-Satellite-Ansatz möglich. Die Kernanlage (Core) kann beispielsweise eine Vermögensverwaltungslösung bilden, die auf das wichtigste finanzielle Ziel ausgerichtet ist. Darum herum lassen sich im Rahmen von Portfolio Advisory flexibel Ergänzungsanlagen (Satellites) tätigen, um taktische und persönliche Akzente zu setzen und auf Trends einzugehen. So kann man ein Portfolio modular zusammensetzen.

Reto Stohler absolvierte an der Fachhochschule Nordwestschweiz einen Bachelor of Applied Sciences im Bereich Wirtschaft. Bald zog es ihn in die Finanzbranche; zusätzlich bildete er sich zum Certified International Investment Analyst (CCIA) weiter. Seit 2011 arbeitet der gebürtige Basler für das LGT Private Banking und leitet den Bereich Portfolio Advisory Europe. Anlagen sind nicht nur seine berufliche Leidenschaft – mittlerweile fachsimpelt er sogar privat mit seinem Sohn darüber.