«Der Beginn einer neuen Ära»: Dieser Ex-Banker finanziert jetzt BMWs
Der Hauptsitz von BMW Schweiz in Dielsdorf wirkt mit seinem markanten BMW Group Brand Experience Center wie eine kleine BMW City. Überall glänzen neue Modelle, Elektroautos markieren ebenso Präsenz wie traditionelle Fahrfreude.
Dafür, dass die neuen BMWs ihren Weg auf Schweizer Strassen finden, sorgt ein ehemaliger Banker. Urs Eggenberger, aufgewachsen in Appenzell Ausserrhoden, startete mit einer Banklehre, wurde Business Analyst bei der Credit Suisse und wechselte später in die umfangreiche Autoleasing-Sparte.
Heute führt er BMW Financial Services (Schweiz) und Alphabet Fuhrparkmanagement als CEO. Im Gespräch wirkt er sympathisch, zugänglich und begeistert von der Welt auf vier Rädern.
Herr Eggenberger, was war Ihr erstes Auto?
(lacht) Zuerst war es natürlich das Auto meiner Eltern, ein Renault R5. Mein erstes eigenes Auto war dann ein VW Polo. Ich bin in einem kleinen Dorf in Appenzell Ausserrhoden aufgewachsen, da war Mobilität wichtig. Ich bin dann lange VW treu geblieben, Audi und BMW habe ich erst später entdeckt – dafür umso intensiver. Heute kommt natürlich nur noch BMW infrage.
Sie haben ursprünglich eine klassische Banklehre gemacht. Wie kam es, dass Sie dann in die Autobranche gewechselt sind?
Ich war nach der Lehre bei der UBS, in einer Zeit, in der die Banken stark zentralisierten. Ich hatte schon damals eine gewisse IT-Affinität und arbeitete als Business-Analyst an der Schnittstelle zwischen Fachbereich und IT. Das war spannend, aber mir fehlte der Kundenkontakt. Ich wollte wieder näher am Menschen sein – und da kam das Angebot von DaimlerChrysler genau richtig. Ich konnte meine Finanzkenntnisse einbringen, hatte aber gleichzeitig mit einem echten Produkt zu tun. Ich habe das Geschäft von der Pike auf gelernt: Aussendienst, Marketing, Flottenmanagement. Eine sehr gute Schule für das, was ich heute mache.
Später sind Sie dann zur Credit Suisse gewechselt.
Ja, ich ging damals in den Bereich Leasing – aufgeteilt in Investitionsgüter und Autoleasing. Das war kein klassisches Bankgeschäft, aber profitabel. Viele in der Bank verstanden allerdings nicht genau, was wir da eigentlich machten. Für sie bestand Banking aus Private Banking, Investment Banking, Asset Management. Leasing gehörte irgendwie nicht recht dazu. Trotzdem war es ein spannendes Geschäft, das gut Gewinn abwarf. Als dann die BANK-Now gegründet wurde, war ich von Anfang an dabei. Das Autoleasing wurde zusammen mit dem Privatkredit ausgelagert, weil die Credit Suisse den Eindruck hatte, dass dieses Geschäft imagemässig nicht zu ihr passte. Ich leitete dort zunächst den Vertrieb, später war ich für strategische Kooperationen verantwortlich – etwa White-Label-Lösungen für Hersteller ohne eigene Leasinggesellschaften, wie Porsche oder Volvo.
«Was uns etwas bremst, ist die Regulierung im Digitalisierungsprozess.»
Und irgendwann kamen Sie dann zu BMW.
Genau. Ich hatte lange genug den Bankern erklärt, wie die Autobranche funktioniert – jetzt wollte ich einmal der Autobranche erklären, wie Banken ticken. (lacht) Bei BMW passte für mich beides: die Nähe zum Produkt und die Vielfalt. Wir finanzieren nicht nur Autos, sondern vergeben auch Hypotheken an Händler, vermitteln Versicherungen und bieten auch Flottenlösungen inklusive Dienstleistungen an. Das ist deutlich breiter, als ich es aus dem klassischen Banking kannte.

BMW ist seit 50 Jahren in de Schweiz aktiv: 70er-Jahre-Modellen im BMW Experience Center in Dielsdorf. (Bild: zVg)
Sie arbeiten direkt bei BMW Schweiz in Dielsdorf, also Tür an Tür mit dem Importeur.
Absolut. Es ist das gleiche Gebäude – und das macht Sinn. Unsere Hauptaufgabe ist ja, die Autos auf die Strasse zu bringen. Diese physische Nähe hilft.
Wie hat sich das Geschäft mit Autofinanzierungen in den letzten Jahren verändert?
Die Prozesse sind digitaler geworden, aber im Kern ist vieles gleich geblieben. Der Leasingvertrag hat immer noch rund 30 Seiten Papier (lacht). Wir haben heute elektronische Signaturen, digitale Identifikationen und Self-Service-Funktionen. Hinzu kommen Lösungen mit künstlicher Intelligenz. Gleichzeitig ist die Regulierung massiv gestiegen – vom Konsumkreditgesetz mit obligatorischer Budgetprüfung bis zu den Vorgaben zur Geldwäschereiprävention.
«Erste Pre-Orders der Neuen Klasse in den nordischen Ländern sind sehr ermutigend.»
Welche Trends sehen Sie derzeit bei Privat- und Geschäftskunden?
Im Privatkundengeschäft steht Flexibilität ganz oben. Früher war ein Leasingvertrag etwas Starres: drei, vier Jahre Laufzeit, fix definierte Kilometer. In der Pandemie hat sich das stark verändert. Manche fahren weniger, andere mehr. Manche Haushalte brauchen mal weniger, mal mehr Autos. Dazu kommt die Erwartung nach schnellen Antworten. Die Kunden wollen uns auch abends oder am Wochenende digital erreichen. Im Geschäftskundensegment – also bei Alphabet – dreht sich vieles um Elektromobilität. Unsere Kunden wollen komplette Ladelösungen: von der Wallbox bis zur Abrechnung. Und sie möchten die ganze Administration an uns auslagern. Fuhrparkmanagement im grossen Stil wird zunehmend zum Service-Thema.
Haben Sie im Flottenbereich zahlreiche Firmenkunden aus der Finanzbranche?
Relativ wenige. Viele unserer Flottenkunden sind Handwerksbetriebe oder Dienstleister mit Aussendienst, die wirklich viele Fahrzeuge im Einsatz haben. Im Finanzbereich gibt es ein paar wenige Ausnahmen, aber dort ist es oft so, dass Mitarbeitende keine Dienstwagen bekommen, sondern eine Pauschale, um ihr Auto selbst zu finanzieren. Deshalb spielt die Finanzbranche bei uns eher im Privatkundengeschäft eine Rolle. Und dort spüren wir dieselben Ansprüche an Service, Geschwindigkeit und Flexibilität.
Was versprechen Sie sich von der «Neuen Klasse», die BMW gerade vorgestellt hat?
Die neue Klasse ist für uns der Beginn einer neuen Ära. Der BMW iX3, der im März des nächsten Jahres in die Schweiz kommt, ist nur das erste von einer ganzen Reihe neuer Produkte, die wir in den nächsten Jahren präsentieren werden. Nicht nur in Sachen Reichweite und Ladegeschwindigkeit setzen wir hier neue Benchmarks, sondern auch beim Bedienkonzept, Verbrauch und im Bereich der Nachhaltigkeit. Und vor allem: bei der Fahrdynamik. Wir interpretieren die "Freude am Fahren" mit der Neuen Klasse wieder einmal neu. Erste Pre-Orders in den nordischen Ländern sind sehr ermutigend. In Norwegen sind bereits 1’000 Autos verkauft, ohne dass die Kunden das Fahrzeug gefahren oder überhaupt physisch gesehen haben. Wir rechnen also auch in der Schweiz mit einer starken Nachfrage – und wir sind auf der Finanzierungsseite bestens darauf vorbereitet.
«Wir refinanzieren uns grösstenteils über den Konzern, nicht über Banklinien oder eigene Kapitalmarktinstrumente.»
Ein Diskussionsthema ist immer wieder der Restwert von Elektroautos. Wie sind Sie bei BMW damit umgegangen?
Am Anfang war das schwierig. Es gab keine Marktpreise, also orientierte man sich an Verbrennermodellen. Wir konnten aber von Ländern wie Norwegen profitieren, die uns mit ersten Erfahrungswerten voraus waren. Natürlich gab es Unterschiede bei den Restwerten – und da braucht es Augenmass. Einerseits sollen die Autos auf die Strasse kommen, andererseits darf man keine falschen Erwartungen setzen. Wichtig ist das Vertrauen der Kunden in die Batterien. Viele vergleichen sie mit einem Handy, das nach ein paar Jahren schwächer wird. Deshalb geben wir bei gebrauchten Elektroautos ein Batteriezertifikat mit, das den Zustand genau ausweist – kombiniert mit einer Garantie. Das gibt Sicherheit. Ich bin überzeugt, das Thema wird sich mit der Zeit einpendeln. Jetzt, wo Reichweiten steigen und das Lade-Ökosystem wächst, normalisiert sich vieles.

Erstes Modell der Neuen Klasse: kürzlich vorgestellter BMW iX3. (Bild: zVg)
Mussten Sie am Anfang ins Risiko gehen?
Ja, zwangsläufig. Wir hatten Modelle, bei denen die Restwerte nicht ganz passten. Zum Glück – in dieser Hinsicht – kam die Elektrifizierung nicht mit einem Schlag. Dadurch konnten wir Erfahrungen sammeln und Korrekturen vornehmen. Heute haben wir eine gute Balance gefunden.
Wie stark spüren Sie Zinsbewegungen in Ihrem Geschäft?
Nur indirekt. Wir refinanzieren uns grösstenteils über den Konzern, nicht über Banklinien oder eigene Kapitalmarktinstrumente. Das heisst, entscheidend sind das BMW-Rating und der Preis für die Credit Default Swaps des Mutterhauses. Wenn die Zinsen sinken, erwarten Kunden automatisch tiefere Leasingraten. Dann müssen wir erklären, dass das nicht so direkt zusammenhängt. Wir sind hier stärker vom Konzern und dessen Kapitalmarktstrukturen abhängig.
«Die Kunden wollen uns auch abends oder am Wochenende digital erreichen.»
Wie wichtig ist Leasing generell im Schweizer Automarkt?
Die Schweiz ist ein Leasingland. Etwa zwei Drittel aller Fahrzeuge sind finanziert, der grösste Teil über Leasing. Das hat historische Gründe – Leasing wurde seit langem aktiv beworben, und weil das Eigentum beim Finanzierer bleibt, kann man attraktive Zinssätze bieten. Das gilt heute über alle Landesteile hinweg: Deutschschweiz, Romandie und Tessin.
Wie ist das Verhältnis zwischen BMW Financial Services und Alphabet – ist die Trennung noch gerechtfertigt?
Die Trennung zwischen BMW Financial Services und Alphabet zeigt sich vor allem im Aussenauftritt, da es sich um zwei eigenständige Unternehmen handelt. Intern sind die Teams jedoch unter einem gemeinsamen Management organisiert, und sowohl Kunden als auch Händler werden aus einer Hand betreut. Die beiden Geschäftsfelder ergänzen sich ideal: BMW Financial Services konzentriert sich auf das klassische Leasing für Privatkunden unserer Marken BMW, MINI und BMW Motorrad. Über die Marke «Alphera» bieten wir zudem Leasinglösungen für Fremdmarken an. Alphabet hingegen ist ein spezialisierter Fuhrparkmanager, der vor allem Firmenkunden mit grossen und heterogenen Fahrzeugflotten betreut. Alphabet ermöglicht durch seine Flexibilität und breite Markenabdeckung eine massgeschneiderte Betreuung – zum Beispiel fährt bei einem grossen Flottenkunden der Aussendienst Transporter einer Marke, die Geschäftsleitung ein BMW-Fahrzeug und die Techniker wiederum eine andere Marke. Für solche komplexen Fuhrparkstrukturen ist ein eigenständiger Markenauftritt von Alphabet organisatorisch sinnvoll und entscheidend. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Trennung im Aussenauftritt und der Markenführung nach wie vor gerechtfertigt ist, während die enge interne Zusammenarbeit und gemeinsame Steuerung für eine optimale Kundenbetreuung sorgen.
Was sind heute Ihre wichtigsten Themen?
Ganz klar die Digitalisierung und Automatisierung. Wir haben in den letzten Jahren Fortschritte gemacht, aber noch immer viele manuelle Schritte. Künstliche Intelligenz wird uns helfen, Prozesse wie die Budgetprüfung zu vereinfachen – sofern die gesetzlichen Rahmenbedingungen das zulassen. Ein zweites grosses Thema sind Betrugsversuche. Wir beobachten einen starken Anstieg bei Identitätsdiebstählen und gefälschten Firmenanträgen. Manche Fahrzeuge sind innerhalb von Wochen im Ausland verschwunden. Das erfordert viel Aufmerksamkeit und neue Sicherheitslösungen.
«In der Finanzbranche bekommen Mitarbeitende keine Dienstwagen, sondern eine Pauschale, um ihr Auto selbst zu finanzieren.»
Wie hat sich BMW Financial Services in der Schweiz eigentlich entwickelt?
Wir wurden 1990 mit vier Mitarbeitern gegründet. Damals gab es im Premium-Segment kaum Leasing Heute unvorstellbar. 1999 kam Alphabet dazu, 2007 führten wir unser Händlerportal ein, mit dem die Partner ihre Anträge digital einreichen können. Das war und ist Benchmark in der Branche, weil es einfach und schnell ist: Der Kunde erhält sofort einen Entscheid, der Verkäufer kann den Vertrag gleich abschliessen. 2015 hatten wir bereits 85 Mitarbeitende, 2020 kam dann die Feuerprobe mit Corona – wir konnten den Betrieb von zuhause aus weiterführen. 2022 haben wir die beiden Bereiche stärker zusammengeführt. Alphabet war schon immer sehr flexibel – dort lassen sich Laufzeiten und Kilometer anpassen, Wartung oder Reifen gleich mitfinanzieren. Diese Flexibilität wollen wir künftig im klassischen Leasing noch stärker umsetzen. Der Kunde soll sagen können: «Ich brauche mehr Kilometer, ich will das Paket anpassen» – und wir können es in Echtzeit abbilden.
Sie brauchen keine Finma-Lizenz, oder?
Nein, da wir keine Kundengelder entgegennehmen. Trotzdem unterstehen wir der Selbstregulierung über den Schweizerischen Leasingverband. Die Auflagen sind praktisch gleich hoch – insbesondere bei Geldwäscherei- und Identifikationspflichten. Ich würde sagen: Der Aufwand ist nicht kleiner, nur anders. Was uns etwas bremst, ist die Regulierung im Digitalisierungsprozess. Oft kommt nach einem neuen Gesetz zuerst ein Formular, das der Kunde unterschreiben soll – das ist das Gegenteil von Digitalisierung. Da hilft der Verband mit Lobbyarbeit, damit wir nicht ausgebremst werden.
Urs Eggenberger ist CEO von BMW Financial Services (Schweiz) und Alphabet Fuhrparkmanagement. Der gebürtige Appenzell-Ausserrhoder begann seine Karriere mit einer Banklehre und arbeitete viele Jahre bei Credit Suisse und BANK-now. 2017 wechselte er zur BMW Group, wo er seit vier Jahren die Schweizer Finanzdienstleistungssparte des Konzerns führt.













