Skifahren mag in diesem Corona-Winter verpönt sein. Doch mit der Skiausrüstung in der Bank aufzukreuzen, ist ungemein stylish.

Wer «Gorpcore» hier zum ersten Mal liest, ist spät dran: Der Begriff wurde bereits vor drei Jahren von «The Cut» geprägt, den Modeseiten des «New York Magazine». Es handelt sich um die Abkürzung für «good ol’ raisins and peanuts», was zu deutsch etwa mit «Studentenfutter» zu übersetzen ist – also das, was man beim Trekking oder Skifahren in den Bergen zu sich nimmt, in entsprechend wettertauglicher Kleidung.

Herumzulaufen, als käme man direkt vom Berg, ist seither nicht nur erlaubt, sondern gilt als Ausdruck von Naturverbundenheit, Tatkraft und Bescheidenheit.

Mammut statt Prada

Das sind alles Merkmale, die man sich auch bei modernen Finanzfachleuten wünscht. Dass nun selbst die amerikanische Branchen-Bibel «Wall Street Journal» (Artikel bezahlpflichtig) über den Modetrend berichtete, darf als definitives Zeichen gewertet werden, dass Gorpcore in der Branche angekommen ist.

Die Labels, die man(n) sich in dem Zusammenhang merken muss, sind für einmal nicht Armani, Brioni oder Prada. Sondern bekannte Outdoor-Brands wie Arc’teryx (Bild unten), Patagonia, Helly Hansen und die Schweizer Traditionsmarke Mammut – oder Geheimtipps wie And Wander (Japan) oder Houdini (Schweden). Das zeigt, dass es sich bei Gorpcore nicht um eine ironisch gebrochene Erfindung aus der Küche der Haute Couture handelt, sondern um Kleidung, die neben dem modischen Statement auch in widrigem Wetter etwas taugen müssen.

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(Bild: Arc’teryx)

Bastionen bröckeln

Natürlich: damit werden weitere Bastionen dessen eingerissen, was in der Finanzbranche einst als guter Stil gegolten haben mag. Erste Zerfallserscheinungen in diese Richtung waren bereits mit den «Fleece Bros» an der New Yorker Wall Street auszumachen und fanden mit der Neuauflage der «Turnschuh-Banker» auch in der Schweiz eine Fortsetzung.

Bereits Lichtjahre entfernt erscheint da der Dresscode der UBS von 2010, mit dem die Grossbank den Kleiderschrank der Angestellten bis zur Unterwäsche (hautfarben!) diktieren wollte und sich damit zur Zielscheibe des Spotts machte.

Im Home-Office-Schlabber-Look

Mit dem Home-Office-Schlabber-Look der Coronakrise scheinen nun definitiv alle Dämme gebrochen. Konsternierte finews.ch-Redaktoren berichten von Bankchefs, die sie im Vorbeigehen an der Zürcher Bahnhofstrasse in Jeans und Trainingsjacke fast nicht mehr wiedererkannten.

Über Gorpcore lässt sich wie über jeden Modestil trefflich streiten, das steht fest. Eines muss dem Trend aber gerade in dieser Jahreszeit zugestanden werden: wenigstens friert man nicht.