Die #MeToo-Debatte hat 2018 auch in der Bankenwelt den Anstoss zu einem Paradigmenwechsel gegeben. Doch was nun? An der Finanz'19 diskutierte finews.ch die Position der Frauen in der Finanzbranche.

Von Anushanth Selvam, Fondstrends

Die #MeToo-Debatte gab im vergangenen Jahr den Anstoss zu einem Paradigmenwechsel in der Geschlechterfrage. Zahlreiche Missstände von Frauendiskriminierung wurden aufgedeckt, öffentlich diskutiert und hatten Konsequenzen für die Täter.

Vor diesem Hintergrund diskutierten an der Finanz'19 vier Panel-Teilnehmerinnen unter der Leitung von Claude Baumann, Mitgründer und CEO von finews.ch, über den Frauenmangel in der Bankenwelt, warum es so ist, und wie das geändert werden kann.

Vor 30 Jahren eine unmögliche Geschichte

Banking 501

(Maria Albericci, Marionna Wegenstein, Claude Baumann, Sibylle Peter, Sita Mazumder, von links nach rechts)

Seit jeher hat die Bankenbranche den Ruf inne, eine klare Männerdomäne zu sein. Zwar haben die Banken in den letzten Jahren zunehmend versucht, einen höheren Frauenanteil anzustreben, aber spätestens in der Teppichetage sind Frauen rar.

Maria Albericci, Chairwoman beim unabhängigen Vermögensverwalter Chefinvest, bestätigte diese Beobachtung: «Vor 30 Jahren waren Frauen, die Karriere bei Banken machen wollten, eine ‹unmögliche Geschichte›.»

Männerdomäne – aber nicht frauenfeindlich

Gleichwohl widersprachen alle Panelteilnehmerinnen Baumanns Frage, ob die Bankenwelt frauenfeindlich sei. Marionna Wegenstein, Gründerin und Inhaberin von Wegenstein Communication, entgegnete, dass ihrer Erfahrung nach der Umgang mit Frauen und die Atmosphäre zumindest in den Privatbanken stets respektvoll gewesen seien.

Als möglichen Grund dafür nannte sie die Familienbasis vieler Privatbanken, wodurch Frauen häufiger in Besitzverhältnissen stünden und somit auch wichtigere Rollen innehatten.

Zwischen Commitment und Lebensmodellen

Dass Frauen in den Spitzen der Banken fehlen, hängt gemäss dem Panel auch damit zusammen, dass als Führungskraft in den höheren Kaderstufen eine ständige Erreichbarkeit und Zuständigkeit gewährleistet sein muss.

Für viele Frauen ist das aber nicht mit ihrem Lebensmodell vereinbar. Teilzeitmodelle und flexiblere Arbeitszeiten seien zwar möglich, aber in ertragsrelevanten Positionen gelten weiterhin 100-Prozent-Stellen als Standard, sagten die Diskussionsteilnehmerinnen.

Ein anderes Verhältnis

Zusätzlich hätten Frauen auch vielfach ein anderes Verständnis von Work-Life-Balance als Männer. Daraus ergebe sich die Notwendigkeit eines Commitments, das viele Frauen nicht einzugehen bereit seien und sie dadurch in ihrem Karrierefortschritt aufhalte.

So beschrieb Wegenstein, wie sie nach der Geburt ihrer Kinder auf eine gläserne Decke stiess, da ihr einerseits die geographische Flexibilität nicht mehr möglich war und sie andererseits auf Teilzeitarbeit wechseln musste.

Banken punkto Beliebtheit im Hintertreffen

Auf ihre bisherigen Strukturen könnten Banken nicht beharren, waren sich alle Panelteilnehmerinnen einig. Die jüngeren Generationen forderten Flexibilität – auch Männer. Argumente von Banken, flexible Modelle auf hohen Kaderstufen seien nicht möglich, werde durch die Tech-Branche widerlegt. Dort sei bis auf CEO-Stufe Teilzeitarbeit möglich.

Der bisherige Unwille der Banken zu Änderungen hat laut Sita Mazumder, Professorin an der Hochschule Luzern, seine Folgen. Sie sagte, wo Banken in der Beliebtheit bei Studienabgängern früher die Nr. 1 waren, sind sie heute gegenüber der Tech-Branche und den Agenturen ins Hintertreffen geraten.

Viele Frauen abgeschreckt

Angesichts der festgefahrenen Strukturen von Banken warf Baumann die Frage in die Runde, ob Fintech eine Chance für Frauen sei. Mazumder antwortete mit einem Jein.

Zwar sei Fintech jünger und damit adäquater gegenüber den Anforderungen von jungen Menschen, aber basiere mit «Fin» und «Tech» auf zwei Bereichen, die viele Frauen abschrecken würden. Allerdings böten sie tatsächlich gute Chancen, sofern sich Frauen erstmal in ein Fintech-Unternehmen hineinbegeben.

Sogar Gefängnisstrafen möglich

Banken haben mittlerweile aber die Zeichen der Zeit erkannt und so erhalten Frauen und Männer laut Wegenstein auch mehr Unterstützung als früher. Für Frauen seien die Arbeitsstrukturen einfacher und flexibler geworden, doch die Anforderungen hätten sich nicht geändert: Für Erfolg in der Bankenwelt müsse man technologisch auf der Höhe sein, Flexibilität aufweisen, Zahlenflair besitzen und Leistungsbereitschaft aufbringen.

Mit Spitzenkaderpositionen in einer streng reglementierten Branche, wie es die Bankenwelt nach der Finanzkrise ist, muss auch Verantwortung in Krisenzeiten übernommen werden. Dies geht laut Mazumder im Eifer der Diskussion vielfach unter. «Frauen sollen sich bewusst sein, dass Geldstrafen – und im angelsächsischen Raum – auch Gefängnisstrafen eine Möglichkeit sind», betonte sie. Dies lasse im Gegenzug viele Frauen zögern, sich in diese Spitzenpositionen zu begeben.

MeToo-Bewegung zu extrem

«Die aktuelle MeToo-Bewegung ist zu extrem», sagte Mazumder. Zwar sei Radikalität notwendig, um Änderungen in festgefahrenen Strukturen zu bewirken, aber sie hoffe trotzdem, dass das Pendel wieder zurückschwingt, damit über einen konstruktiven Dialog Verbesserungen entwickelt und implementiert werden könnten.

Als Grundproblem betrachtet sie die Kultur und das damit einhergehende Rollenverständnis. Dadurch entstünden Vorurteile, die unterbewusst bei der Bewertung von Mann und Frau Verzerrungen mit sich bringen würden.

Mehr Pragmatismus gefordert

Laut Mazumder sollten diese Vorurteile erkannt und bekämpft werden. Auch Sibylle Peter, Gründerin und Managerin von YSMA Family Office, bekräftigte dieses Fazit der Diskussion und forderte mehr Pragmatismus bei Beförderungen, wonach Leistung und Potenzial statt Geschlecht als Entscheidungskriterium Ausschlag geben sollte.

«Ohne einen Kulturwandel werden alle Änderungen, die man vornimmt, schlussendlich sterben», schloss Mazumder mit Nachdruck.


  •  Dieser Beitrag ist im Original auf der Webseite fondstrends.ch erschienen.