James McAlevey: «Es gibt nichts, das US-Staatsanleihen ersetzen könnte»

Die internationalen Anleihenmärkte stehen seit über einem Vierteljahrhundert im Zentrum seines Berufslebens. James McAlevey ist seit vier Jahren Head of Global Aggregate and Absolute Return bei BNP Paribas Asset Management in London. Frühere Stationen waren Aviva Investors und Henderson Global Investors – wo er selbstverständlich ebenfalls im Fixed Income bzw. im Zinsbereich tätig war.

Gleich zu Beginn seines Gesprächs mit finews.ch macht er klar, welchen Anlagestil er präferiert, nämlich auf die Frage, welche Bedeutung das «Global Aggregate» (in Anlehnung an den gleichnamigen breiten Bondindex von Bloomberg) in seiner Funktionsbezeichnung hat. Natürlich biete man auch indexnahe Produkte an, aber das Schwergewicht liege auf aktiven Strategien. «Viele institutionelle Investoren orientieren sich am Global Aggregate, aber es handelt sich eigentlich um einen in Bezug auf die Konstruktion und Zusammensetzung ‹fürchterlichen› Index», lässt McAlevey seinen Humor aufblitzen.

Herr McAlevey, weshalb sind Sie nach Zürich gekommen?

Es geht darum, den Investoren den Wert eines aktiven Fixed-Income-Managements im Allgemeinen und die Vorteile unserer entsprechenden Fondsproduktepalette im Besonderen aufzuzeigen. Dabei steht unser Global-Absolute-Return-Bond-Fonds im Zentrum, den wir vor vier Jahren lanciert haben. Sein Track Record ist ausgezeichnet, selbst im rabenschwarzen Bondjahr 2022 schloss er nicht im Minus. Wir müssen uns nicht an Benchmarks wie dem Global Aggregate messen, sondern können Chancen wahrnehmen und Verluste vermeiden.

Echtes aktives Management im Fixed Income bedeutet, über alle liquiden Segmente Gelegenheiten flexibel und frei zu nutzen und mit der Fristenstruktur, den Währungen und den Risikoaufschlägen (Credit Spreads) zu spielen. Unser Anspruch ist es, deutlich besser abzuschneiden als mit reinen Geldmarktanlagen, mit nur moderat höherem Risiko.

Das klingt nach einem komplexen Absolute-Return-Produkt, bei dem Sie sich kaum an Regeln halten müssen. Wie machen Sie den Anlegern eine solche Blackbox schmackhaft?

Das ist in der Tat ein kritischer Punkt. Zum einen ist der gute Erfolgsausweis des Fonds für einige Investoren schon ein schlagendes Argument. Zum anderen ist es unsere Aufgabe, das Produkt zu erklären. Das ist ein bisschen schwieriger, weil es kein traditionelles Long-Only-Produkt ist und wir auch Short-Positionen eingehen und Derivatgeschäfte tätigen können, um Ertragsmöglichkeiten zu nutzen.

Mein Ansatz ist: Wir sind so transparent wie möglich, legen die Daten, die Positionen sowie die Performance Attribution auf den Tisch und erläutern unsere Strategien. Aber es gibt auch einige Mechanismen, die der Investor nicht im Detail verstehen muss. Deshalb verlässt er sich ja auch auf die Spezialisten.

Eines der grossen Themen, die den Bondmarkt in den letzten Monaten beschäftigten, ist der mögliche Verlust des Benchmark-Status der US-Staatsanleihen für die globalen Finanzmärkte. Wie gross ist diese Gefahr?

Die USA haben ohne Zweifel ein Problem mit Schuldentragfähigkeit. Das Haushaltsdefizit ist mit etwa 5 Prozent des Bruttoinlandprodukts für eine Wirtschaft, die nicht in der Rezession steckt, viel zu hoch. Aber in den Medien gibt es in den letzten Monaten auch sehr viel Lärm um dieses Thema, u.a. deshalb, weil die USA vor kurzem ihr letztes Triple-A-Rating verloren haben und der Treasury-Markt auf den Liberation Day abrupt reagiert hat. Kurzfristig hat er damals, wie übrigens auch schon in der Corona-Episode, seinen Status als sicherer Hafen eingebüsst. Allerdings handelte es sich bei beiden Fällen nicht in erster Linie um ein Misstrauensvotum gegen die USA. Vielmehr flüchteten Investoren reflexartig in Cash.

Der Bondmarkt ist nicht blind gegenüber dem Schuldenproblem: Oft wird aber unterschätzt, wie lange es dauert, bis eine Neueinschätzung der Kreditqualität der USA voll sichtbar wird. Der Prozess kann Jahre in Anspruch nehmen.

«Ich hatte in den letzten Monaten kein einziges Gespräch mit Investoren, das sich darum drehte, den Treasury-Anteil herunterzufahren.»

Können Sie das Narrativ bestätigen, dass zurzeit viele Investoren aus dem Treasury-Markt in andere Märkte umschichten, um das Risiko USA zu reduzieren und ihr Portfolio zu diversifizieren?

Ich kenne sehr viele institutionelle Anleger und führe oft Gespräche mit ihnen. Ich hatte in den letzten Monaten kein einziges Gespräch, das sich darum drehte, den Treasury-Anteil herunterzufahren. Es gibt kein anderes Segment, das diesen Markt punkto Tiefe und Liquidität ersetzen könnte.

Viele grosse Investoren haben indes bereits in den vergangenen Jahren versucht zu diversifizieren, etwa mit australischen Staatsanleihen und Gold. Sie wissen deshalb genau, wie schwierig das ist. Zudem ist der Treasury-Markt keine Einbahnstrasse.

Was meinen Sie damit?

In den letzten Wochen konnte man dort gut Geld verdienen. Die Kurse haben sich erholt, die Renditen sind rückläufig. Das dürfte auch damit zu tun haben, dass die Fixierung auf die zusätzlichen Schulden aufgrund der mit der «Big Beautiful Bill» verbundenen Steuersenkungen schwächer wird. Trumps Zollpolitik bringt nämlich monatlich 30 Milliarden Dollar in die Staatskasse, was ziemlich genau dem Steuerausfall entspricht. Die tieferen Steuern werden mit höheren Zöllen finanziert.

Zudem führt Scott Bessent, der für das US-Schatzamt verantwortlich ist, in einem wichtigen Punkt die Politik seiner Vorgängerin Janet Yellen fort. Das Treasury nimmt weiterhin sehr viele Mittel im kurzfristigen Bereich auf – wo der Absatz dank der enormen Nachfrage der Geldmarktfonds gesichert erscheint.

Trump untergräbt aber auch die Unabhängigkeit der US-Notenbank Fed, mit Attacken auf den Vorsitzenden Jerome Powell, der versuchten Absetzung von Lisa Cook und der Wahl von gefügigen neuen Board-Mitgliedern wie Stephen Miran. Nun hat die Fed dem Drängen des Präsidenten nachgegeben und die Zinsen gesenkt. Ist das nicht schon allein Grund genug, um sich über die Stabilität des Treasury-Markts Sorgen zu machen?

Powells jüngster Zinsschritt war angesichts der Entwicklung des Arbeitsmarkts schlüssig und nachvollziehbar. Wir erwarten in den nächsten Monaten noch weitere Senkungen.

Auch weil Trump immer mehr Einfluss auf die Geldpolitik ausübt?

Er will zum einen der Fed generell die Flügel stutzen und das im Rahmen des Quantitative Easing doch recht weit interpretierte Mandat enger definieren.

Aber natürlich geht es ihm auch darum, die Fed auf seine Linie zu bringen. Je mehr sich Trump durchsetzen kann, desto wahrscheinlicher werden Zinssenkungen. Aber ich gehe nicht davon aus, dass seine Ernennungen dazu führen werden, dass die Fed eine völlig unvernünftige Geldpolitik betreiben wird, also z.B. die Zinsen senken würde, wenn die Inflation wieder ein echtes Problem wäre. Das sieht der Markt übrigens ähnlich.

Woran machen Sie das fest?

Wenn der Markt davon ausginge, dass das institutionelle Regelwerk und damit die Unabhängigkeit der Fed völlig ausgehebelt würde, wäre der Dollarkurs kollabiert – in Tat und Wahrheit hat er sich bloss abgeschwächt. Zudem hätten die langfristigen Inflationserwartungen kräftig zulegen müssen; sie haben sich aber nur leicht erhöht.

«Aus meiner Sicht gibt es weniger gefährliche Wege als das Eingehen von Kreditrisiko, um eine Extrarendite zu erwirtschaften.»

Die meisten Fixed-Income-Manager halten risikobehaftete Segmente wie Corporate Bonds weiterhin für attraktiv, ungeachtet der im historischen Vergleich ziemlich kleinen Renditeaufschläge. Stimmen Sie in diesen Chor mit ein?

Die Credit Spreads sind nicht ziemlich, sondern sehr eng. Wer einen Credit-Bond-Fonds verwaltet, kann gar nicht anders, als an seine Anlageklasse zu glauben.

Aber ich will nicht unfair sein. Es gibt viele gute Argumente, wie den immer noch ansehnlichen Gesamtertrag, die durchschnittlich besser Schuldnerqualität, die sehr gute finanzielle Verfassung der Unternehmen und die starken Zuflüsse in die Anlageklasse.

Meine Philosophie ist jedoch eine andere. Weshalb soll ich das zusätzliche Kreditrisiko eingehen, wenn ich allein mit Geldmarktanlagen 80 Prozent der Gesamtrendite erzielen kann? Aus meiner Sicht gibt es weniger gefährliche Wege, um eine Extrarendite zu erwirtschaften. Zwar sind die effektiven Ausfallraten noch tief, aber konsumnahe Indikatoren z.B. zu Kreditkarten signalisieren, dass sich dies ändern könnte. Und bei einer Rezession oder gar Stagflation kämen Corporate Bonds ziemlich unter die Räder.

Wie erwirtschaften Sie denn die von den Investoren geforderte Extrarendite? Indem Sie short Credit gehen und damit auf eine Ausweitung der Spreads setzen?

Das könnten wir, machen es aber nur sehr begrenzt, weil wir nicht massiv gegen den Markt wetten wollen. Wir halten indes insbesondere Hypothekarverbriefungen aus den USA für attraktiv, allerdings nur diejenigen, die von den Agenturen herausgegeben werden und damit implizit oder explizit staatlich garantiert sind.

Von den anderen Mortgage-backed Securities (MBS), die dem ganzen Markt in der globalen Finanzkrise ein schlechtes Image bescherten, halten wir uns fern. Agency-MBS zeichnen sich durch ein tiefes Ausfallrisiko, eine relativ steile Zinskurve und eine niedrige Volatilität aus. In dieser Anlageklasse werden wir für das grösste Risiko, dasjenige einer vorzeitigen Rückzahlung, reichlich entschädigt. Wir haben ein Viertel bis ein Drittel des Volumens unseres Fonds darin investiert.

«Dass der Markt für Hypothekarverbriefungen so attraktiv ist, hat auch mit der US-Regionalbankenkrise von 2023 zu tun.»

Der Markt für amerikanische MBS ist doch riesig, und es dominieren dort grosse heimische Akteure. Wie kann es sein, dass sich dort noch Geld verdienen lässt?

Das hat teilweise mit der US-Regionalbankenkrise von 2023 zu tun. Institute wie die Silicon Valley Bank hatten viele MBS auf den Büchern und das Zinsänderungsrisiko nicht richtig abgesichert. Als dann der Leitsatz markant gestiegen ist, kamen sehr viele Papiere günstig auf den Markt, seither gibt es mehr Opportunitäten.

Zentral ist allerdings auch, dass BNP Paribas Asset Management zwar ein europäisches Haus ist, aber seit vielen Jahren über ein Team verfügt, dass den US-Hypothekarmarkt sehr genau beobachtet und analysiert. Würden wir den Markt nicht so gut kennen, wären nicht so stark darin investiert.