Nach dem überraschenden Freispruch in den USA wurde es ruhig um Raoul Weil. Nun sprach er in einem Interview ausführlich über Schuld und Sühne, seine lange Haft, über die «Lügen» der Anklage und darüber, was das Schweizer Bankgeheimnis noch gilt.

Fast ein Jahr lang verbrachte der ehemalige Chef des UBS Wealth Management Raoul Weil in Italien in Haft und unter Hausarrest in Amerika. Dann kam Anfangs November sein überrschender Freispruch in Florida. Danach wollte er nur noch heim, zu seiner Familie und seinem Hund. Mit dem Blatt «Weltwoche» (Artikel in der Printausgabe) sprach er nun ausführlich über seine persönliche Odyssee mit ausländischen Behörden und die Bedeutung seines Urteils für die Schweizer Banken – und über Recht und Gerechtigkeit.

«Es gibt doch noch Gerechtigkeit»: Das habe er bei sich gedacht, als er den Freispruch vernommen habe und sich die «Spannung eines sechsjährigen Kampfes» löste. Denn, so klagt Weil, die Behörden hätten es darauf angesetzt, ihn zu zermürben. «Nach der Auslieferung bekam ich Dokumente im Umfang von viereinhalb Millionen Seiten», berichtet der ehemalige Top-Banker. «Selbst unter Zuhilfenahme spezialisierter Screening-Firmen kann man das nicht in weniger als zehn Monaten bewältigen. Das bedeutete für mich faktisch zehn Monate Hausarrest.»

«Man müsste schon Mutter Teresa sein»

Schlimm sei auch die Haft im italienischen Bologna gewesen. «Das Gefängnis», berichtet Weil, «war ursprünglich für die Roten Brigaden gebaut worden. Heute werden jeweils drei Leute in eine Zelle gepfercht.» Geholfen habe ihm dort seine Sozialkompetenz – und dass er in der Schweiz Militär gemacht habe. «Somit wusste ich, wie es ist, sich einem sehr geregelten Tagesablauf zu unterwerfen.»

Doch der finsterste Moment sei für ihn die Zeit gewesen, als das Verfahren vor Gericht kam. «Mir wurde klar, dass es nur mit einem Freispruch oder einer langen Gefängnisstrafe enden konnte.» Weil wusste: Aufgrund der hohen Summen – es ging um 200 Millionen Dollar an hinterzogenen Steuern – blühte ihm das Maximum des Strafmasses. «Man müsste da schon eine Mutter Teresa sein, um bei einer Verurteilung unter fünf Jahre Haft zu kommen», erinnert sich der Ex-Banker.

Von der Unschuld überzeugt

Trotzdem sei er sich sicher gewesen, zu gewinnen. «Ich war von meiner Unschuld überzeugt. Ich musste die unternehmerische Verantwortung tragen und deshalb auch meinen Posten räumen, aber ich habe nichts Widerrechtliches getan.»

Die tatsächlichen Verhandlungen vor Gericht habe er dabei nicht als Schauprozess empfunden. «Bereits in den unmittelbaren Vorbereitungen zum Prozess zeichnete sich ab, dass die USA ein Rechtsstaat sind.» Weil ist des Lobes voll für den Richter, der den riesigen Fall strukturiert und versucht habe, neutral zu sein. Hilfreich sei auch ein Bericht der Eidgenössischen Bankenkommission (EBK) gewesen. «Dieses Gutachten war für mich bereits entlastend.»

Schauspieler im Zeugenstand

Hart ins Gericht geht Weil jedoch mit den Zeugen der Anklage, unter denen sich ehemalige UBS-Kollegen wie der ex-UBS-Amerika-Chef Martin Liechti befanden. «Bei den Zeugen hatte man den Eindruck, dass die ganz gezielt ausgebildet worden waren. Es roch förmlich nach Schauspielunterricht.» So oder so sei es schwer gewesen, «Lügen über die eigene Person anzuhören, ohne darauf reagieren zu können».

Den überraschenden Freispruch am Ende des Prozesses erklärte Weil so: «Der Anklage hat die rechtliche Grundlage gefehlt. Das QI-Abkommen war in der fraglichen Zeit gültig und nicht das spätere Facta-Abkommen.» Es sei also nicht so, wie einige Medien geschrieben hätten, dass er allein aufgrund seiner brillanten Anwälte oder wegen mangelhafter Beweise freigesprochen wurde.

Falsche Vorwürfe

Weil will denn auch nichts davon wissen, dass die UBS unter seiner Ägide gezielt amerikanische Steuerflüchtlinge angeworben und ihnen geholfen habe, US-Recht zu brechen. Falsch sei das, sagt Weil. «Wir haben uns damals als Bank strikt an die Vorgaben des US-Rechts und des QI gehalten.» Gemäss QI-Vertrag sei es zudem für eine Schweizer Bank legal gewesen, undeklarierte Konti zu führen. Die Annahme oder das Halten unversteuerter Kundengelder per se sei nämlich nicht verboten gewesen – nur die wissentliche Annahme solcher Gelder, sagt Weil.

Die Bank sei im Recht gewesen, und nur einige untere Chargen hätten gegen die Regeln verstossen: Daran hält Weil eisern fest. «Der Vorwurf ist falsch, dass das Topmanagement von oben ein kriminelles Geschäftsmodell verordnet oder den Bruch von US-Recht wissentlich in Kauf genommen habe», ereifert sich Liechti.

Rote Lampen leuchteten nicht

Dennoch gibt Weil auch Fehler zu, bei sich und den Schweizer Banken. «Im Nachhinein ist man immer schlauer», sagt der ehemalige Top-Banker. «Im Audit meines ehemaligen Arbeitgebers ging bei den verschiedenen Regelverletzungen die rote Lampe nicht an.» Auch als Autofahrer verlasse man sich schliesslich darauf, dass eine Warnleuchte blinke, wenn die Bremsen nicht mehr funktionierten, führte Weil aus. «Als Manager verlässt man sich auf das Audit.»

Nicht viel Illusionen macht sich Weil bezüglich dem, was nach Prozessen wie seinem vom Schweizer Bankgeheimnis bleibt. «Was am Schluss übrigbleibt ist, dass nicht einfach jeder Angestellte sehen kann, wie viel ich auf dem Konto habe.»

Und wie geht das Leben nach dem Prozess weiter? «Ich gehe davon aus, dass die Kosten über eine Rechtsschutzversicherung gedeckt sind», so Weil lakonisch. Aber das Verfahren koste ihn mehr als ein Einfamilienhaus am Zürichberg.

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