Nur wenige Schweizer Banker haben ihre Branche und unser Land so tiefgreifend verändert, wie der verstorbene Marcel Ospel. Allerdings hat er dabei die Verwundbarkeit der Schweiz im 21. Jahrhundert unterschätzt.

Der am vergangenen Wochenende mit 70 Jahren an einem Krebsleiden erlegene Basler Marcel Ospel zählt zu den grossen und prägenden Gestalten des Schweizer Bankwesens unserer Zeit. Wie nur wenige andere Vertreter seiner Gilde zeichnete ihn dabei ein beherztes Streben nach Grösse und Weltläufigkeit aus.

Als Chef des Schweizerischen Bankvereins (SBV) und später der UBS gleiste er verschiedene Grossfusionen und Übernahmen auf, die es in dieser Dimension zuvor kaum gegeben hatte: darunter S.G. Warburg in Grossbritannien, Paine Webber in den USA sowie der nationale Zusammenschluss der Schweizerischen Bankgesellschaft (SBG) mit dem SBV.

Schweizer Finanzbranche aufgemischt

Selbst die mächtige amerikanische Grossbank Merrill Lynch stand eine Zeit lang auf Ospels Wunschliste – was nicht einer gewisse Ironie entbehrt, hatte der Schweizer doch mit 30 Jahren in London und New York für ebendieses Finanzhaus gearbeitet und war damals mit dem amerikanischen Leistungsdenken überhaupt erst vertraut geworden; so lernte er die knallharten Business-Methoden aus nächster Nähe kennen und konnte seinen Ehrgeiz, stets besser zu werden, nach Lust und Laune ausleben.

Insofern war Ospel seinen Berufskollegen in der Schweiz in den 1980er-Jahren weit voraus, als er in die Heimat zum SBV zurückkehrte und die bis dahin eher geruhsam funktionierende Branche aufmischte. Der steile Aufstieg zum zeitweilig mächtigsten Banker der Schweiz blieb bis heute eine einzigartige Erfolgsgeschichte, hätte Ospel einem Umstand nicht übersehen – die Verwundbarkeit der Schweiz.

Hilfe von den Steuerzahlern

Ospel hat mehrmals die Konsequenzen seines Handels unterschätzt. Auf dem Höhepunkt der Krise um die Swissair liess er es als UBS-Vertreter darauf ankommen, dass der damaligen nationalen Fluggesellschaft das Geld ausging, so dass nach seinem Plan die in Basel ansässige Airline Crossair in die Bresche hätte springen können. Dafür nahmen er und seine Verbündeten aus Basel sogar ein «Grounding» der Swissair in Kauf. Allerdings klappte es dann mit der Nachfolge-Gesellschaft aus betriebswirtschaftlichen Gründen auch nicht wie erhofft, so dass am Ende die Schweiz ihre eigene nationale Fluggesellschaft verlor.

Zwei andere Ereignisse, die sich zwar nach seinem Abgang als Verwaltungsratspräsident der UBS ereigneten, lassen sich ebenfalls auf das Konto Ospels zurückführen respektive auf dessen hohen Zielsetzungen: Im Oktober 2008 musste die marode UBS Staatshilfe beantragen und von den Steuerzahlern vor dem Kollaps gerettet werden, weil sie zuvor die Spekulation mit minderwertigen Hypothekar-Finanzprodukten in den USA ad absurdum geführt hatte.

Sonderfall Schweiz am Ende

Und in etwa zur gleichen Zeit war die UBS in die Mühlen der US-Justiz geraten, weil sie amerikanischen Staatsbürgern bei der Hinterziehung von Steuern Beihilfe geleistet hatte. Darum wurde die grösste Schweizer Bank zu einer Busse verknurrt und musste in der Folge eine Vielzahl von vertraulichen Kundendaten den US-Behörden ausliefern, was letztlich zum Ende des Schweizer Bankgeheimnisse, dem wichtigsten Wettbewerbsvorteil gegenüber dem Ausland, geführt hat.

In beiden Fällen überschätzte Ospel die Stärke und Standhaftigkeit der Institution Schweiz im 21. Jahrhundert; durchaus in einer Zeit der totalen Globalisierung, aber gleichzeitig auch in einer Phase eines epochalen Wertewandels, der dem «Sonderfall Schweiz» – an den Ospel bis zuletzt geglaubt hat – definitiv ein Ende setzte.

Fürstliches Gehalt

Wie sehr sich damals die Zeiten (auch moralisch) wandelten, zeigt sich ebenfalls darin, dass Ospel 2005 noch einen stattlichen Gesamtlohn von knapp 24 Millionen Franken verdiente – was von den Aktionären zwar genehmigt wurde, aber gleichzeitig den Weg für die «Abzocker-Initiative» ebnete, die das Schweizer Volk einige Jahre später annahm.

Auch hier erwies sich das an sich freiheitliche System der Schweiz, das sich über Jahrhunderte hinweg immer wieder angepasst und erneuert hat, als verwundbar. Oder anders formuliert: Im Urteil der Schweizer Bevölkerung war das Mass an Lohnexzessen nun voll.

 

 

 

 

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