Erstmals zeigt ein Buch auf, wie die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht Finma in vorauseilendem Gehorsam gegenüber den USA eine rechtschaffene Schweizer Privatbank in den Ruin trieb.

Es ist ein verstörendes Buch, das Dan Kohler geschrieben hat. Der Mitgründer und einstige Verwaltungsrat der Bank Frey schildert, wie ein Schweizer Finanzinstitut zwischen die Fronten des US-Steuerstreits geriet, bis es zur Geschäftsaufgabe gezwungen wurde.

Dies nicht etwa von den amerikanischen, sondern von den hiesigen Behörden, namentlich von der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma). Darum auch der Titel des soeben erschienenen Werks «Friendly Fire»; so bezeichnet man den irrtümlichen Beschuss eigener oder verbündeter Streitkräfte im Krieg. Doch wie konnte es überhaupt so weit kommen?

Aufgeheizte Stimmung

Cover 509Konzis schildert Kohler, selber ein langjähriger Finanzexperte und Vermögensverwalter, wie er zusammen mit dem Anwalt Markus Frey vor rund zwanzig Jahren ein Finanzinstitut aus der Taufe hob, das sich hohen schweizerischen Werten verschrieben hatte und sich so als Qualitätsmassstab für das vielgepriesene Swiss Banking profilieren wollte. Dass das ganze Unterfangen schliesslich scheiterte, hing, wie sich in der Folge zeigen sollte, mit der Tatsache zusammen, dass die Bank zu einem grossen Teil US-Kunden aufnahm respektive betreute.

Dies auch dann noch, als der Steuerstreit zwischen der Schweiz und den USA eskalierte, und nachdem die UBS zu einer hohen Strafzahlung und zur Übergabe von vertraulichen Kundendaten gezwungen worden war. In diese aufgeheizte Stimmung, die durch die Verurteilung und Zerschlagung der Bank Wegelin noch zusätzliche Dramatik erfuhr, passte die Bank Frey nicht hinein – obwohl sie sich an die Gesetze gehalten hatte.

Dorn im Auge

Zusätzlich erschwerend in der Beurteilung war, dass die Bank Frey gewisse administrative Tätigkeiten bei Wegelin erledigen liess, und eine Zeit lang mit Otto Bruderer ein Teilhaber Wegelins im Verwaltungsrat der Bank Frey sass – notabene nachdem die Vorläuferorganisation der Finma, die Eidgenössische Bankenkommission, mehr Expertise im Aufsichtsgremium gefordert hatte.

Ein Dorn im Auge war die Bank Frey vor allem der Finma, die überaus nervös, aber auch unerfahren, zwischen den schweizerischen und amerikanischen Fronten lavierte und letztlich in vorauseilendem Gehorsam und nach den Erfahrungen mit der UBS, Wegelin sowie dem Ziel einer Globallösung, ein Opfer erbrachte, das genügend Entgegenkommen für die Amerikaner beweisen und gleichzeitig den Kollateralschaden für die Schweiz in engen Grenzen halten sollte.

Auch Selbstkritik

Kohler beschreibt in seinem Buch sehr anschaulich, wie vor gut zehn Jahren die öffentliche Wahrnehmung kippte und das Swiss Banking, insbesondere mit US-Kunden, per se zu einer kriminellen Handlung mutierte. In diesem Kontext wurde es für die Bank Frey immer schwieriger, ihre Geschäftstätigkeit fortzuführen. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass das Institut sämtlichen Auflagen und Forderungen der Finma nachkam und sich dabei von vielen Kunden trennte oder – wo nötig – sie in die «Steuerehrlichkeit» begleitete, wie Kohler mit Hilfe zahlreicher Quellen und Dokumente belegt. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch, dass das Geldhaus selber in den USA nie angeklagt wurde.

Selbstkritisch räumt er aber auch ein, dass die Bank zu wenig transparent nach aussen kommuniziert habe, so dass Gerüchte wie «die Bank Frey nimmt jeden (Kunden)» überhaupt Fuss fassen konnten und den schlechten Ruf und das Misstrauen gegenüber diesem Institut bloss zementierten. Kohler ist überzeugt, dass sich die Finma einerseits von dieser Wahrnehmung, die auch viele Medien kolportieren, und andererseits aufgrund von Fehlannahmen leiten liess. Das führte im Spätsommer 2013 zur Verfügung (der Finma), dass sich die Bank Frey innert drei Monaten von sämtlichen US-Kunden trennen müsse – dies ohne ihnen mitteilen zu dürfen, aus welchem Grund das geschehe.

Reputationsschaden für den Schweizer Finanzplatz

Weil die schweizerische Gesetzgebung in einem solchen Fall – im Gegensatz zu den USA – keine Möglichkeit für eine aufschiebende Wirkung vorsieht, war für die Verantwortlichen der Bank Frey bald klar, dass damit das Ende der Bank besiegelt war, zumal rund die Hälfte des Kundenstamms einen amerikanischen Hintergrund besass.

Dabei ist es nicht bloss der finanzielle Schaden, der in diesem Fall ins Gewicht fiel, sondern der Reputationsverlust des Schweizer Finanzplatzes im Ausland, den die Finma in Kauf nahm. Insbesondere auch im Rückblick, zumal einige Jahre später zwei Gerichtsurteile – eines in der Schweiz und eines in den USA im Zusammenhang mit einem Mitarbeiter des Instituts – die Bank zumindest teilweise rehabilitierten, und es erst möglich machten, mit diesem Buch einen Skandal in der Schweizer Bankengeschichte dokumentarisch aufzudecken.

Finma als Richterin und Henkerin

Ändern liess sich im Nachhinein nichts mehr, denn die Bank Frey hatte längst aufgehört zu existieren, so dass das Buch letztlich bloss noch ein Grabstein darstellt, wie Dan Kohler am vergangenen Montag an der Buchvernissage in Zürich lakonisch festhielt. Trotzdem ist «Friendly Fire» ein enorm wichtiges Zeitdokument, das nicht nur belegt, wie sämtliche Repräsentanten des Schweizer Finanzplatzes, also die Banken, Bundesbern sowie die Schweizerische Nationalbank, klar von der Bank Frey Abstand nahmen, als es brenzlig wurde.

Das Buch, und darin dürfte dessen eigentlicher Wert liegen, zeigt unmissverständlich auf, dass in der schweizerischen Bankenregulierung einiges aus Sicht der beaufsichtigten Institute absolut problematisch ist: Dass die Finma sowohl Untersuchungsorgan wie auch Richterin und Henkerin ist. Mit anderen Worten, es fehlt – bis heute – eine Oberaufsicht, die zeitnah mögliche Fehler der Finma korrigieren könnte.

Machtfülle der Aufsicht überdenken

Unter diesen Prämissen kommt Kohler zum Schluss: «Die unbeaufsichtigte Machtfülle der Finma muss überdacht werden. Und die Schweizer Politik sollte sich von Zeit zu Zeit daran erinnern, was unser Land ausmacht. Wenn die Schweizer Werte tatsächlich wertvoll sind, so sollten Politikerinnen und Politiker bereit sein, diese auch zu verteidigen.»


  • «Friendly Fire – Wie die Bank Frey im Steuerstreit geopfert wurde», Dan Kohler, 256 Seiten, Elster & Salis Verlag, Zürich, ISBN 978-3-03930-008-2.
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