Eine Teilprivatisierung der Postfinance hätte massive Folgen für das Eigenkapital des Bundes und der Post AG, sagt Ökonom Philipp Weckherlin gegenüber finews.ch. Die Sicherstellung einer Grundversorgung sei eine politische, keine unternehmerische Aufgabe.


Herr Weckherlin, Sie haben vor Jahresfrist auf finews.ch die Strategie des Bundesrates mit Postfinance als «Missmanagement mit Volksvermögen» kritisiert. Nun scheint der Bundesrat Sie erhört zu haben....

Das mag sein. Ich habe ja die Privatisierung oder zumindest die Teilprivatisierung der Postfinance als gangbare Lösungen skizziert. Den neuen Vorschlag des Bundesrates finde ich sehr überzeugend. Vor allem mit Blick auf die konsolidierte Bundesbilanz, in der die etwas in Schieflage geratene Postfinance einen sehr gewichtigen Brocken darstellt.

Der Bundesrat würde mit der Privatisierung Risiken aus der Bilanz nehmen.

Genau. Er macht eine Vollkonsolidierung nicht mehr notwendig und entlastet und verkürzt damit die Bilanz massiv. Zur Erinnerung, eine Vollkonsolidierung ist nur notwendig, wenn der Eigentümer eine Kontrollmehrheit hat und diese würde mit dem neuen Vorschlag entfallen.

Allerdings müssten Bund und Post einen massiven Abschreiber vornehmen.

Darauf geht der Vorschlag des Bundesrates explizit nicht ein. Aber ich bin der Meinung, dass ein massiver Abschreiber auf dem Eigenkapital des Bundes und der Post nur vermieden werden kann, wenn die Postfinance als Ganzes veräussert würde.

Auf wie hoch schätzen Sie den Abschreibungsbedarf?

Unter Berücksichtigung ihrer schwierigen Ausgangslage würde ich den Wert der Postfinance heute auf rund 2 Milliarden Franken schätzen. Bei einer Teilprivatisierung müssten Bund und Post rund 4 Milliarden Franken abschreiben, wobei je nach Höhe des verkauften Anteils sicherlich auch Mittel von bis zu 1 Milliarde Franken wieder gutgeschrieben werden könnten. Dennoch hätte der Abschreiber einen massgeblichen Einfluss auf die Eigenkapitaldecke von Bund und von Post, die leider nicht sehr gross ist.

Bei einer Teilprivatisierung kämen verschiedene Optionen in Frage.

Ich gehe davon aus, dass ein Börsengang die klar schlechtere Option ist und einen grösseren Eigenkapitalabschreiber zur Folge hat als ein Institutioneller Verkauf. Am Markt werden heute, mit wenigen Ausnahmen, Retailbanken zum Teil weit unter dem Buchwert gehandelt – daran würde sich ein IPO mehr als ein institutioneller Verkauf orientieren.

Kämen als Käuferinnen einer Postfinance nur Schweizer Banken in Frage?

Nicht unbedingt. Eine Auslandbank wäre mit Blick auf die Bilanz der Postfinance eine interessante Option. Die rund 130 Milliarden Franken schwere Bilanz der Postfinance besteht zu einem wesentlichen Teil in Fremdwährungen. Wenn ein Teil der Aktivseite der Postfinance-Bilanz im Ausland angelegt würde, wäre das aus geldpolitischer Sicht interessant. Denn das würde der Schwächung des Frankens dienen.

Ein Käufer würde eine Postfinance erhalten, die weiterhin gewisse Garantien hätte.

Die Zusicherung des Bundes, für eine Eigenkapitallücke der Postfinance zu haften, ist nach meiner Einschätzung eher ein «Nice to have» und nicht ein »Must have». Problematischer scheint mir die Finanzierungsqualität der Post AG selber. Diese bräuchte bei einem grösseren Postfinance Abschreiber eher eine Rekapitalisierungs-Zusicherung, dies aber als «Must have». Die Post AG könnte, je nach Abschreiber, eine sanierungspflichtige Unterbilanz bekommen.

Politisch heiss diskutiert würde bei einer Postfinance-Privatisierung das Thema des Grundversorgungsauftrags.

Mein Eindruck ist, dass der Bundesrat die Themen Grundversorgung bei der Kontoführung beim Zahlungsverkehr nun kritisch und sachlich begutachten wird. Die Grundversorgung können tatsächlich andere Banken – und auch die Post übernehmen, die ja die Abwicklung des Barverkehrs ohnehin über ihr Filialnetz innehat. Zulasten der Postfinance, übrigens.

Was ist der Wert des Grundversorgungsauftrages bei der Postfinance?

Ich schätze, dass dieser das Postfinance-Ergebnis netto mir rund 100 Millionen Franken belastet und damit auch den Unternehmenswert um mehrere 100 Millionen Franken reduziert.

Dieser Einfluss nimmt aber ab, verlagert sich doch auch dieser Teil der finanziellen Grundversorgung ins Internet.

Die Wichtigkeiten und Dringlichkeiten in einem «Gesamt-Portfolio» von Grundversorgungsaufträgen verändern sich über die Jahrzehnte. Neue Themen wie zum Beispiel digitale Krankenakten oder digitale Netzabdeckungen werden hinzukommen und alte Grundversorgungsaufträge relativ an Bedeutung verlieren. Bei der Postfinance ist nach meiner Einschätzung der Bedeutungsverlust massiv, sei es wegen der grossen Bankendichte, der fortschreitenden Digitalisierung oder der zunehmend schwierigeren Geldwäschereifrage, letzteres natürlich vor allem beim Barverkehr. Aus meiner Sicht ist dieser politische Preis für den Grundversorgungsauftrag hoch und könnte man sich sparen oder weit günstiger beziehen.

Indem man ihn auslagert?

Genau, Raiffeisen scheint sich diesbezüglich ja bereits in Position zu bringen – und könnte diese Leistungen vermutlich auch günstiger erbringen als Postfinance. Das heutige Geschäftsverständnis in der Politik ist beim Thema Grundversorgung nach wie vor sehr altmodisch. Metaphorisch gesagt, ist immer noch die Meinung weit verbreitet, «dass man die Kuh besitzen muss, um ein Glas Milch zu bekommen». In diese betriebswirtschaftliche «Falle» sind in den letzten Jahrzehnten schon schmerzhaft die Industrie, die Landwirtschaft oder das Finanzwesen getappt. Mit diesem Geschäftsverständnis neigt man erfahrungsgemäss dazu, zu lange zu wenig offen für kostengünstigere Optionen zu sein.

Doch eine «Privatisierung» einer Grundversorgung wie sie Postfinance derzeit noch erbringt, wäre ein Verlustgeschäft. Auch für Raiffeisen.

Die Politik hat das Recht und die Pflicht, sich Gedanken über Grundversorgungsaufträge zu machen und diese sicherzustellen. Ich glaube aber konsequenterweise, dass diese dann auch vom Besteller, also von der Politik, zu bezahlen und nicht vom Unternehmen selber zu verdienen sind. Das wäre vertrauensfördernd und transparent, denn damit würden die «politischen Preise» der Grundversorgung offengelegt. Dies würde weit weniger Zielkonflikte in den Unternehmen provozieren. Zudem wäre man bei diesem Thema OECD-compliant, was nicht unwichtig ist.


Philipp Weckherlin ist promovierter Ökonom und Experte in Fragen der Public Governance. Er gründete 2003 zusammen mit Markus Hepp die Firma CE Asset Management, heute Hérens Quality Asset Management. Der Vermögengsverwalter gilt als Pionier im Bereich systematischer, international ausgerichteter Quality-Aktienanlagen.

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