Die Postfinance ist systemrelevant und ein Sanierungsfall, schreibt der Ökonom und Public-Governance-Experte Philipp Weckherlin exklusiv auf finews.ch. Angesichts ihres Gewichts im Bundeshaushalt müsse sie andere Wege gehen, als es dem Bundesrat vorschwebe. Vier Lösungsoptionen.

Die Postfinance hat beim Bund Gewicht: Die Aktiengesellschaft im Besitz der Schweizerischen Post macht in der konsolidierten Bilanz des Bundes rund ein Drittel aus und ihr Eigenkapital beläuft sich auf 25 Prozent des Eigenkapitals des Bundes.

Der Gewinn ist bescheiden – gemäss den Reporting-Vorgaben der Finma war er im Geschäftsjahr 2019 sogar negativ. Kurz gesagt: Das Unternehmen verdient seine Kapitalkosten nicht und zerstört somit Wert. Zudem ist es systemrelevant und ein Sanierungsfall.

Grundversorgung können andere gewährleisten

Philipp Weckherlin

(Philipp Weckherlin, Bild: zVg)

Das Geschäftsmodell der Postfinance ist gesetzlich eingeschränkt und überholt. Denn eine grosse Zahl von Banken kann den Grundversorgungsauftrag im Zahlungsverkehr ebenso gut abdecken. Ausserdem nimmt die Abwicklung des Barverkehrs das Filialnetz der Schweizerischen Post wahr – zu erheblichen Kosten und Lasten der Postfinance.

Die entscheidende Einschränkung, welche die werterhaltende Führung des Geschäftsmodells verunmöglicht, liegt im Kreditverbot. Postfinance kann seine rund 126 Milliarden Franken schwere Bilanz nicht im Schweizer Markt in Form von Krediten an Private oder Firmen investieren. Sie ist gezwungen, einen Grossteil ihrer Kundengelder im Ausland anzulegen. Sie leidet somit unter dem Tiefzinsumfeld wie alle anderen Banken, zusätzlich aber auch am Fehlen von attraktiven Anlagemöglichkeiten aus einer Rendite-Risiko-Perspektive.

OECD-Richtlinien befolgen

Aus diesem Grund hat sich der Bundesrat entschieden, unter Auflagen das Kreditverbot aufzuheben und eine Teilprivatisierung anzustreben. Diesen Vorschlag hat er in die Vernehmlassung geschickt und weitgehend ablehnende Rückmeldungen erhalten.

Aus den Voten lässt sich folgern, dass sich der Bundesrat zu wenig vorausschauend auf zu erwartende Problembereiche, wie zum Beispiel der Angst vor Marktverzerrungen, einer ungebrochenen Intransparenz und Quersubventionierung oder dem ungünstigen Zeitpunkt für eine Teilprivatisierung vorbereitet hat.

Es scheint jedenfalls, dass mit einem Bündel von Massnahmen und insbesondere der strikten Befolgung der OECD-Richtlinien einigen Befürchtungen der Gegnerschaft der bundesrätlichen Pläne entgegengewirkt werden könnte.

 Soll der Bund überhaupt investiert bleiben?

Die Frage aber bleibt im Raum, ob die bundesrätlichen Ideen wirtschaftlich sinnvoll sind und ob es nicht bessere Varianten gäbe. Banken gehören international seit Jahrzehnten zu den schlechtesten Anlagen schlechthin. Die meisten sind nicht einmal ihr Eigenkapital wert.

Es ist alleine deshalb schon fraglich, ob der Bund in der Postfinance investiert sein sollte, der grössten Position in seiner Bilanz und seinem Eigenkapital. Auch wenn die zumindest werterhaltende treuhänderische Verwaltung des Staatsvermögens bislang kein Augenmerk genoss, weder bei Parlament, Regierung noch bei der Verwaltung, heisst dies nicht, dass dies so weitergehen muss.

Staaten wie Norwegen, Neuseeland oder Österreich haben bewiesen, dass es auch besser geht.  Aber wie weiter mit der Postfinance? Grundsätzlich gibt es vier verschiedene Lösungsoptionen:

1. Aufhebung Kreditverbot und sofortige Teilprivatisierung

Die Postfinance hat heute, unter Berücksichtigung der schwierigen Ausgangslage, einen geschätzten Wert von höchstens 2 Milliarden Franken. Bei einer Teilprivatisierung müssten Bund und Post rund 4 Milliarden Franken abschreiben.

Rund 1 Milliarde würde über den Verkauf der Aktien wieder zurückfliessen, allerdings würde der Bund etwas weniger als 50 Prozent des Aktienkapitals abgeben. Rund 17 Prozent des Eigenkapitals des Bundes würden vernichtet und die Postfinance bliebe die grösste Position in der Bilanz des Bundes.

2. Aufhebung Kreditverbot und Teilprivatisierung bei ersten Ergebnisverbesserungen

Das Herausschälen hätte wie bei der Variante 1, einen sofortigen Nettoabschreiber von 4 Milliarden Franken bei Bund und Post zur Folge. Dank besseren Erträgen könnte jedoch zu einem späteren Zeitpunkt ein um 1 Milliarde Franken höherer Erlös bei der Teilprivatiserung erwartet werden.

Dies würden den Abschreibbedarf bei Bund und Post auf netto 3 Milliarden Franken reduzieren. Bei dieser Variante verbliebe die Postfinance die grösste Position in der Bundesbilanz und es müssten mittelfristig gut 12 Prozent des Eigenkapitals des Bundes abgeschrieben werden.

3. Liquidation und Verkauf aller Anlagen

Bei einer Liquidation der Postfinance würden alle Anlagen und Teile des Geschäfts verkauft, Reserven aufgelöst, die Kundengelder zurückbezahlt und ein Sozialplan erstellt. Diese Variante (wenn sich die Reserven auf dem Anlagevermögen im marktüblichen Rahmen bewegen) dürfte dazu führen, dass das Eigenkapital der Postfinance gerade gedeckt werden kann, und weder Bund noch Post einen Abschreiber vorzunehmen haben.

Das Eigenkapital von Bund und Post wäre geschont und unverändert, die Bundesbilanz würde durch den Wegfall der Postfinance deutlich verkleinert.

4. Verkauf des Gesamtunternehmens

In der Schweiz gibt es höchstens drei Banken, welche eine Postfinance übernehmen könnten. Im Ausland sind mehre Abnehmer denkbar. Für einen potenziellen Übernehmer, unter der Annahme, dass die Postfinance keine Einschränkungen (Kreditverbot, Grundversorgungsauftrag) mit auf den Weg bekäme, dürfte das Unternehmen heute etwas über dem Wert des Eigenkapital verkauft werden können.

Die Bundesbilanz wäre deutlich entlastet und das Eigenkapital sowohl von Post als auch vom Bund würde gestärkt.

Der bundesrätliche Pfad müsste durch konzeptionelle Präzisierungen so gestaltet werden, dass eine Vernehmlassung positiv ausfiele. Zusätzlich bestehen aber Alternativen, die für den Bürger mit einer hohen Wahrscheinlichkeit einen grösseren Nutzen stiften.

Die Zahlen müssen validiert werden und die Optionen transparent in die Diskussion einfliessen. Nur so werden gute Entscheide gefällt. Die Zeit drängt. Ansonsten wird die Postfinance international zum Showcase dafür, wie man mit Staatsvermögen nicht umgehen sollte.


Philipp Weckherlin ist promovierter Ökonom und Experte in Fragen der Public Governance. Er gründete 2003 zusammen mit Markus Hepp die Firma CE Asset Management, heute Hérens Quality Asset Management. Der Vermögengsverwalter gilt als Pionier im Bereich systematischer, international ausgerichteter Quality-Aktienanlagen. 

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