Ohne den schillernden Banker Boris Collardi war die Schweizer Bankbranche um eine kontroverse Figur ärmer. Doch nun hat sie ihren verlorenen Sohn wieder.

Nach rund acht Monaten Funkstille wird der Schweizer Vollblutbanker Boris Collardi seinem Ruf als Wirbelwind in der hiesigen Branche einmal mehr gerecht. Nach seinem kurzen und glücklosen Intermezzo bei der Genfer Privatbank Pictet, heuert er nun bei einer anderen Schweizer Privatbank an, wie am Freitag bekannt wurde.

Allerdings übernimmt er diesmal keine operative Funktion, sondern er wird Verwaltungsrat von EFG International. Gleichzeitig beteiligt er sich an der Bank, so dass, wie schon bei Pictet, eine unternehmerische Komponente mit im Spiel ist.

Viel stärker in der Pflicht

Damit enden auch die Parallelen in Collardis weiterer beruflichen Entwicklung. Mit anderen Worten: Die Ausgangslage jetzt ist um einiges anders. Denn die von der schweizerisch-griechischen Reederfamilie Latsis gegründete Privatbank EFG International funktioniert nach einem Geschäftsmodell, das den einzelnen Kundenberatern eine relativ grosse unternehmerische Freiheit einräumt.

Jeder der sogenannten Client Relation Officer, oder kurz CRO genannt, operiert mehr oder weniger selbständig, setzt sich seine eigenen Ziele und ist entsprechend viel stärker in der eigenen Pflicht, die entsprechenden Resultate zu liefern.

Sehr reiche Familien unglücklich

Das wiederum führt dazu, dass die EFG-Klientel wesentlich heterogener ist, als dies bei Pictet der Fall ist, wo es vor allem sehr vermögende Personen und Familien sind, die zum Teil über viele Jahrzehnte schon Kundinnen und Kunden des Hauses sind. Manche von ihnen waren es auch, die sich an der Person Collardi störten, zumal er aufgrund seiner vorangegangenen Tätigkeit bei Julius Bär mit im Fokus von Untersuchungen der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma) gestanden hatte.

Bei EFG International dürfte kaum jemand damit ein Problem haben. Vor diesem Hintergrund kann Collardi in seiner künftigen Funktion als Verwaltungsrat sein ganzes Know-how ins Spiel bringen. Und dass die Bank mit ihrem CRO-Geschäftsmodell sehr wachstumsorientiert ist, dürfte zusätzlich ganz nach seinem Gusto sein.

Treue Gefolgschaft

Das könnte mitunter bedeuten, dass Collardi – nun als Verwaltungsrat – sein phänomenales Beziehungsnetz spielen lässt. Wie nur wenige andere Top-Banker versteht es der 47-jährige Romand, eine Gefolgschaft zu haben, die ihm sehr loyal gesinnt ist und regelmässig zusammen mit ihm den Arbeitgeber wechselt. Das war der Fall, als Collardi von der Credit Suisse (CS) zu Julius Bär stiess und später erneut, als er bei Pictet anheuerte. Jedes Mal wechselten ganze Teams den Arbeitgeber.

Nur sechs Monate, nachdem er als Partner zu Pictet gestossen war, wechselte beispielsweise Ende 2018 Daniel Savary mit einem 18-köpfigen Team von Julius Bär zu den Genfern. Aufgrund seines unerwartet kurzen Gastspiels bei Pictet konnten sich allerdings einige Banker, die er geholt hatte, bei den Genfern nicht wirklich durchsetzen. Darum liegt der Schluss nahe, dass sich der eine oder andere Kundenberater durchaus Gedanken machen dürfte, ob er nicht schon bald zu EFG International wechselt.

Schon wieder weg

«Wir befürchten keine Abwerbungen», sagte Simon Roth, Leiter der Unternehmenskommunikation der Pictet-Gruppe, auf Anfrage von finews.ch. Er verwies darauf, dass einige der Kaderbanker, die Collardi damals geholt hatte, bereits wieder weitergezogen seien. So haben etwa neben Savary auch die beiden Nahost-Experten Saman Habibian und Manuel Sturm, die seit diesem April für die Banque Edmond de Rothschild arbeiten, die Bank Pictet schon vor einiger Zeit verlassen.

«Wir gehen davon aus, dass unsere Mitarbeitenden bei uns bleiben werden», zeigte sich Roth zuversichtlich und betonte dabei, dass man bei Pictet gute Leute natürlich halten wolle. Das Traditionshaus werde «weiterhin stark in Talente» investieren, erklärte der Medienchef.

Berufliche Integrität wieder herstellt

Noch zwei weitere Aspekte sind im Zusammenhang mit Collardis neuem Engagement erwähnenswert: Erstens ist mit seiner Nomination zum Verwaltungsrat seine berufliche Integrität nach den Finma-Ermittlungen definitiv wieder hergestellt. Denn um überhaupt als Verwaltungsrat einer Bank vorgeschlagen zu werden, sind intensive Vorabklärungen mit der Aufsichtsbehörde nötig; und diese hat Collardi offenbar bestanden, sonst wäre es nicht zu seiner Nomination gekommen. Das ultimative Plazet der Finma ist dazu allerdings noch nicht gesprochen.

Zweitens kann Collardi eine Aufgabe, mit der er bereits bei Pictet betraut worden war, nun erneut wahrnehmen: die Expansion in Asien. Denn auch EFG International verfügt über ein substanzielles Geschäft im asiatisch-pazifischen Markt, das dank Collardis ebenfalls hervorragenden Beziehungsnetz in dieser Wachstumsregion noch einige wertvolle Impulse erhalten dürfte.


Mitarbeit: Thomas Pentsy