Iris Bohnet, Harvard-Professorin und amtierende Verwaltungsrätin der Credit Suisse, hat eine differenzierte Sicht auf den Diversität-Trend bei Unternehmen. Zu finews.ch sagte sie, das auch das Home-Office für Frauenkarrieren tückisch sein könnte.

Wer denkt, dass sich dank den Lehren der Coronazeit in der Arbeitswelt alles zum Besseren wandelt, hat sich möglicherweise geschnitten. Zu den Skeptikern zählt jedenfalls Iris Bohnet, als Verwaltungsrätin der Grossbank Credit Suisse (CS) und an der US-Eliteuniversität Harvard lehrende Verhaltensökonomin eine berufene Stimme.

Sie argwöhnt nämlich, dass nicht alle Arbeitskräfte gleichermassen von den Vorteilen profitieren werden, wie sie vergangenen Dienstag am Rande des Global Women's Financial Forum der CS in Zürich zu finews.ch sagte. «Wenn es vor allem Männer sind, die ins Büro zurückkehren, ist zu befürchten, dass ihnen dies beim Networking, bei der Beförderung und bei der Leistungsbeurteilung zum Vorteil gereicht.»

Es fehlen noch die Beweise

Als Wissenschafterin musste sie jedoch anfügen, dass es noch zu früh sei, um zu sagen, ob Heimarbeit zu mehr Gleichberechtigung am Arbeitsplatz führt. «Dafür gibt es noch nicht genügend empirische Beweise.»

Was sich jetzt aber schon aufzeigen lasse, sei, dass die neu gewonnene Flexibilität förderlich für die Geschlechter-Gerechtigkeit bei der Arbeit sei. Gemeint ist damit beispielsweise die Elternperspektive, wenn etwa ein Kind krank ist und zuhause betreut werden muss. Es sei gut, sagt Bohnet, wenn sowohl Arbeitnehmende wie auch Arbeitgeber flexibler über die Arbeit nachdächten, und zwar in Bezug darauf, «wo und wann sie stattfindet».

Tatsächlich hat die CS, wo Bohnet seit 2012 im Verwaltungsrat sitzt, vergangenen Februar eine massive Ausweitung der Heimarbeit angekündigt – je nach Profil sind bis zu 100 Prozent Home-Office möglich beim Institut.

Bei der Kultur ansetzen

Überraschend skeptisch zeigte sich die Wissenschafterin auch gegenüber den gängigen Diversität-Trainings von Unternehmen; im Swiss Banking ist «Diversity» zurzeit ebenfalls ein grosses Schlagwort. Es gebe, sagt Bohnet, keine einzige Studie, die beweise, dass solche Trainings funktionierten. «Es ist aber immer noch das beliebteste Instrument bei Unternehmen.»

Anstatt zu versuchen, Manager dazu zu bringen, Empathie für eine Minderheitengruppe zu entwickeln, setzt Bohnets Ansatz beim System und der Kultur an. «Wenn wir das System in Ordnung bringen können, wird auch die Gleichstellung der Geschlechter gelingen», sagte sie.

Sinnigerweise wird die Kulturfrage bei der CS, wo die Ökonomin im Aufsichtsgremium sitzt, gerate sehr laut gestellt. Dies allerdings, was den bankinternen Umgang mit Risiken angeht. Auch der Verwaltungsrat des Geldhauses, wo Bohnet als Mitglied des Vergütungsausschusses und Vorsitzende des Sustainability Advisory Committee wirkt, stand deshalb schon mehrfach in der Kritik.

Vergütung an Vielfalt koppeln

In ihrer Beratungstätigkeit zu Fragen der Geschlechtergleichstellung, bei der sie Instrumente zur Förderung der Vielfalt im Unternehmen entwickelt, sieht sich Bohnet sich als «Verhaltensdesignerin» – also als jemand, der sich Gedanken darüber macht, wie man Menschen am besten eine Auswahl präsentieren kann, und dabei die Auswirkungen der Präsentation auf ihre Entscheidungen berücksichtigt.

Zu diesen Methoden gehört es etwa, zu untersuchen, wie die in Stellenanzeigen verwendete Sprache beeinflusst, ob sich Frauen oder Männer auf eine Stelle bewerben. Profile, in denen das Wort «durchsetzungsfähig» vorkommt, werden wahrscheinlich mehr Männer anziehen, sagte sie. Eine andere, drastischere Methode bestehe darin, die Vergütung von Chefs an die an die Förderung der Vielfalt innerhalb ihres Teams zu koppeln.

Nicht auf weisse Frauen beschränkt

Letztlich komme es darauf an, dass sich auch das oberste Management hinter das Thema stellen. Ein kürzlich in Grossbritannien unternommener Vorstosse habe gezeigt, dass innerhalb von zehn Jahren durch eine konzertierte Aktion von Regierung, Unternehmen und NGO, von Wissenschaft sowie Headhuntern die Zahl der Verwaltungsrätinnen in britischen Bluechip-Unternehmen auf 39 Prozent erhöht werden konnte, womit das ursprüngliche Ziel von 25 Prozent übertroffen wurde.

Zweifellos sei aber die Frage nach der Diversität nicht auf die Förderung weisser Frauen beschränkt, gab Bohnet zu bedenken. Die Gesellschaft und die Unternehmen müssten anerkennen, dass jeder Mensch seine eigenen Erfahrungen mitbringt, dies aufgrund seines ethnischen oder sozioökonomischen Hintergrunds, seiner sexuellen Orientierung oder seiner körperlichen Fähigkeiten ausgegrenzt oder diskriminiert zu werden.

Mit Blick auf den Verwaltungsrat der CS, dessen Frauenanteil kürzlich auf sieben der 13 Mitglieder zugenommen hat, zeigte sie sich «sehr erfreut, dass die Bank integrativer und vielfältiger wird».

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