Das Retailbanking macht gemäss einem Bericht des Strategieberaters McKinsey weltweit fast die Hälfte aller Gewinne in der Finanzbranche aus. finews.ch wirft einen genaueren Blick darauf und stösst dabei auch einige ungemütliche Trends.

Ob all dem Gerede über Strukturierte Produkte, diskretionäre Anlagemandate, Fusionen und Übernahmen, ja sogar Kryptowährungen ist wohl viel Verwirrung entstanden, was das eigentliche Bankgeschäft noch so. Das Urteil der Strategieberatungsfirma McKinsey & Company ist einfach: Die bescheidene Bankfiliale vor Ort – und der allgegenwärtige Geldautomat im Supermarkt – sind offenbar auch heute noch das Mass aller Dinge.

Das ist der Befund eines in diesem Monat veröffentlichten Berichts über die Zukunft des Retail-Bankgeschäfts, den McKinsey erstellt hat. Darin rechnet das Unternehmen vor, dass das Privatkundengeschäft 48 Prozent oder fast die Hälfte des weltweiten Bankengewinns ausmacht, der sich auf 680 Milliarden Dollar beläuft.

Einige abweichende Trends

Gemäss den Beratern ist dieses Segment grösser als ganze Branchen zusammen, darunter die Pharmaindustrie, die Telekommunikation oder die Lebensmittelherstellung. Mit anderen Worten: Die Zweigstellen und Geldautomaten machen mehr aus als das, was klingende Namen wie etwa Nestlé, Vodafone, Novartis oder Roche auf die Waage bringen.

Der Retailhandel scheint auch von den Umwälzungen, Umstrukturierungen und Entlassungen, die in vielen anderen Bereichen des Bankwesens zu beobachten sind, bisher weitgehend verschont geblieben zu sein. Jedenfalls ist die durchschnittliche jährliche Eigenkapitalrendite der vergangenen zehn Jahre mit 8,9 Prozent ein wahrer Leuchtturm der relativen Stabilität. Darüber hinaus gibt es jedoch bei genauerem Hinsehen einige abweichende Trends.

Unterschiedliche Profitabilität in den Regionen

Die McKinsey-Leute untersuchten beispielsweise die Erträge nach Produkten für die einzelnen Kunden und kam zu einigen überraschenden Ergebnissen: In den USA und Westeuropa verlieren Retail-Banken in der Regel Geld mit Basisprodukten wie Kreditkarten und unbesicherten Krediten, und auch in China und den asiatischen Schwellenländern erreichen sie kaum die Gewinnzone. In Lateinamerika oder dem Nahen Osten und Nordafrika hingegen gelingt es ihnen, beträchtliche Gewinne zu erwirtschaften.

Bei komplexeren Kreditprodukten wie Hypotheken und Autokrediten sind alle Regionen profitabel, mit Ausnahme des Nahen Ostens und Afrikas, wo die Gewinnschwelle kaum überschritten wird. Alle Regionen verdienen Geld, wenn es darum geht, erstklassige Dienstleistungen in der Vermögensbildung, Versicherungen und Produkte für die Altersvorsorge anzubieten, auch wenn die am wenigsten profitable Region der Welt für solche Produkte überraschenderweise in China liegt.

Digitalisiertes Asien

Die aufstrebenden Märkte Asiens und Chinas sind auch insofern einzigartig, als dort erstmals sogenannte Digital-First-Modelle ausgereift sind. Deshalb konnten die dort ansässigen Banken ein ohnehin schon dünnes Filialnetz innerhalb von fünf Jahren um ein Drittel verkleinern. Dies ist ein wesentlicher Grund dafür, dass sie in der Lage waren, Basisprodukte an der Schwelle zur Rentabilität zu halten.

«Die Gewinnspanne für komplexe Kredit-, Vermögens- und Absicherungsdienstleistungen ist jedoch im weltweiten Vergleich niedrig, und die Herausforderungen für die etablierten Banken bleiben bestehen, da innovative Big-Tech- und Fintech-Unternehmen in Bezug auf die Akzeptanz durch die Konsumenten und die Produktdiversifizierung weiter wachsen», schreiben die McKinsey-Autoren.

Unmittelbare Bedrohungen

In dem Berater dürfen allerdings auch einige Bemerkungen über unmittelbare Bedrohungen nicht fehlen, welche die Branche ins Straucheln bringen und Mitarbeitende sowie Führungskräfte in Angst und Schrecken versetzen könnten. Natürlich bieten dann Heerscharen von gut vorbereiteten Beratern ihre Hilfe an, um etwas gegen diese Fährnisse unternehmen können.

Die Bedrohung scheint jetzt Big Tech zu sein. Laut McKinsey hat die Digitalisierung nicht nur die allgemeinen Eintrittsbarrieren gesenkt. Es verblassen auch die IT-Budgets der grössten Privatkundenbanken im Vergleich zu denen von Big Tech. Sie und der Fintech-Sektor erzielen bereits rund 45 Prozent der Bruttoeinnahmen im Zahlungsverkehr. Zugleich verwalten digitale Investment-Apps ein Viertel der Vermögenswerte im Mass-Affluent-Segment und wachsen doppelt so schnell wie traditionelle Anbieter.

Fenster der Gelegenheiten

Doch die Banken haben noch einige Trümpfe in der Hand: Laut McKinsey interagiert etwas mehr als die Hälfte (52 Prozent) der Kunden jede Woche mit ihrer Bank. Bei Amazon kaufen dagegen nur 22 Prozent so oft ein. Aber offenbar haben die Banken immer noch nicht gelernt, wie sie die Informationen über ihre Kunden weitergehend nutzen können.

«Sie sollten schnell handeln, solange das Fenster der Gelegenheiten noch offen ist. Der Einsatz könnte nicht höher sein», kommen die McKinseyaner zum Schluss.

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