Der überraschende Abgang der Chefin der Credit Suisse in Singapur ist ein besorgniserrendes Zeichen dafür, dass die Schweizer Grossbank fast überall auf der Welt mit einem Aderlass an Talenten konfrontiert ist. Damit gestaltet sich der Turnaround umso schwieriger, wie eine Analyse von finews.ch zeigt

Kaum eine Woche vergeht mehr, ohne dass die Credit Suisse (CS) nicht hochrangige Abgänge vermelden muss. Damit ist seit Monaten ein dramatischer «Braindrain» im Gang, der es für die Führung der Schweizer Grossbank umso schwieriger macht, den angepeilten Turnaround zu schaffen.

Fehlende Top-Leute sind auch keine gute Voraussetzung, um die im vergangenen Jahr reichlich abgeflossenen Kundengelder im Wealth Management zurückzuholen, wie sich das die CS-Oberen recht eigentlich erhoffen.

Bedrohlicher Teufelskreis

Die jüngste Hiobsbotschaft ist die Demission von Chien Chien Wong, ihres Zeichens CEO der Credit Suisse in Singapur, wie aus einem internen Memo hervorgeht, in das finews.asia Einsicht hatte. Wong stiess bereits 1992 zur Credit Suisse (First Boston) und hatte in der Folge diverse Führungsfunktionen in New York, Hongkong und Singpur inne.

Der tropische Stadtstaat gilt als «Schweiz Asiens» und ist als Finanzplatz seit Jahrzehnten eine, wenn nicht die wichtigste Anlauflaufstelle für die meisten vermögenden Familien in dieser Weltregion. Die CS ist hinter der UBS die zweitgrösste Vermögensverwalterin in Asien. Umso bedrohlicher ist der Teufelskreis, in den die Bank nun geraten ist.

Denn Wongs Demission ist nur die Spitze des Eisbergs. Parallel zu den global verordneten Stellenstreichungen wandern seit Monaten langjährige und höchst bewährte Führungskräfte ab. Für einen Paukenschlag sorgte bereits im vergangenen Oktober Jin Yee Young, lange Zeit die Stellvertreterin des asiatischen Wealth-Management-Chefs Benjamin Cavalli, die zur Deutschen Bank wechselte, wie auch finews.asia berichtete.

Skrupellose Deutsche Bank

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass bei der Deutschen Bank mit Wealth-Management-Chef Claudio de Sanctis ebenfalls ein ehemaliger CS-Top-Mann im Amt ist, der zudem viele Jahre in Asien gelebt und gearbeitet hat. Und ganz offensichtlich hat die Deutsche Bank keinerlei Skrupel, derzeit bei der geschwächten CS zu wildern, wie sich auch vergangene Woche wieder zeigte: Johanes Oeni, langjähriger CS-Private-Banker und Regionenverwantwortlicher, wird seine Zelte ebenfalls bei der Deutschen Bank wieder aufbauen und an Jin Yee Young rapportieren.

Vergangene Woche gab die Deutsche Bank auch die Anwerbung von Stella Lau bekannt, die zuvor in Singapur für die Marktregion China bei der CS zuständig gewesen war.

Jäger des verlorenen Schatzes

Dabei handelt es sich lediglich um die prominentesten Fälle; wobei sich der Aderlass weder auf Singapur noch auf das Wealth Management beschränkt. Auch im anderen wichtigen Markt Asiens, Hongkong, sind die Abgänge dramatisch: So verliess unlängst Greater-China-Chef und Investmentbanker Carsten Stöhr die CS, kürzlich folgte ihm Zeth Hung, bislang Vice Chairman APAC Investment Banking & Capital Markets (IBCM) und dies nach 25-jähriger Firmentreue.

Setzt sich die Demissionswelle in den nächsten Wochen und Monaten fort, dürfte selbst die beste Strategie der CS scheitern. Denn um Vertrauen geht es nicht nur im Umgang mit den Mitarbeitenden, sondern an der Kundenfront, wo nur bewährte und motiverte Leute das Ruder herumreissen können. Denn gerade um «verlorene Schätze» und vor allem Neugeld zu generieren, braucht es umso bessere «Jäger» – die derzeit fehlen und wohl noch eine Weile fehlen werden, da es in der Branche momentan kaum erstrebenswert sein kann, zur CS zu wechseln.

Im Warteraum?

Ein Hinweis darauf, wie es in den nächsten Monaten um die CS in Asien stehen wird, ist ebenfalls eine Personalie, und zwar diejenige von Helman Sitohang. Er stiess vor 25 Jahren zur Bank, wo er im Investmentbanking eine steile Karriere machte und innerhalb der CS in Asien stets als Integrationsfigur galt. Als die Asien-Division 2014 unter der Ägide des damaligen CEO Tidjane Thiam eine eigenständige Sparte innerhalb des Konzerns wurde, ernannte die Geschäftsleitung Sitohang zu deren Chef. Sitohang ist bekannt für sein weit verzweigtes geschäftliches Beziehungsnetz in Asien sowie für sein Verständnis der europäischen Kultur, da seine Mutter Slowakin war.

Im April 2022 wurde er dann von Edwin Low als Asien-Chef ersetzt und amtet derzeit «bloss» noch als Senior Advisor des Group CEO bei der Credit Suisse; solche Funktionen gelten oftmals als Abstellgleis oder Warteraum für den nächsten Karriereschritt ausserhalb des Unternehmens. Es ist nicht verwunderlich, dass sich die Spekulationen über Sitohangs Zukunft derzeit häufen. C'est à suivre.

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