Seit Jahren gelingt es den jeweils amtierenden Verwaltungsrats-Präsidenten der Credit Suisse nicht, den fortschreitenden Niedergang der Grossbank zu stoppen. Woran liegt das?

Dass Urs Rohners Leistungsausweis als einstiger Verwaltungsrats-Präsident der Credit Suisse (CS) gelinde gesagt nicht berauschend ausfällt, ist in Schweizer Finanzkreisen mittlerweile unbestritten. Viel zu lange hat er dem sukzessiven Niedergang der Bank zu wenig energisch und erfolgreich entgegengewirkt.

Stattdessen hat er hohe Boni sowie Saläre kassiert und sich offensichtlich mit inkompetenten Verwaltungsräten umgeben; «der Fisch stinkt vom Kopf her», heisst es denn auch, wenn man sich unter Berufstätigen im Zürcher Bankenviertel erkundigt, was der eigentliche Grund für den Niedergang der einstmals so stolzen CS sein mag.

Hohle Phrasen

Rohner ist längst Geschichte und ebenso sein damaliger Nachfolger António Horta-Osório. Der Portugiese kam als hochgefeierter und mit Adelstitel dekorierter Turnaround-Banker an den Paradeplatz, wo er vor allem mit viel Dünkel und Phrasen über vorbildliche Unternehmensführung schwadronierte. Bis sich herausstellte, dass er selbst sich am allerwenigsten an Regeln und Bestimmungen hielt, nachdem publik geworden war, dass er mehrmals die damals geltenden Corona-Reisevorschriften missachtet hatte.

Das Resultat für die damals bereits torkelnde CS war, dass sie sich nach nur zehn Monaten erneut einen Verwaltungsrats-Präsidenten suchen musste. So übernahm der Schweizer Axel Lehmann das Zepter und verbreitete zunächst einmal wieder bodenständige Seriosität und Kompetenz. Und als er dann noch den glücklosen CEO Thomas Gottstein verabschiedete und an dessen Stelle Ulrich Körner inthronisierte, schien endlich ein optimales Führungsduo auf der Kommandobrücke des CS-Tankers zu stehen.

Unbedachte Äusserungen

Doch weit gefehlt. Seit dem vergangenen Sommer rutscht die Grossbank von einem Krisenmodus in den andern – und kommunikativ scheint ausgerechnet CS-Präsidenten Lehmann fortlaufend eine unglückliche Rolle zu spielen.

Seine unbedachten Äusserungen im vergangenen Dezember, wonach der Abfluss an Kundengeldern gestoppt werden konnte, entpuppten sich wenige Wochen später als unwahr, was Lehmann offenbar eine Abklärung der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma) eingebrockt hat, wie vergangene Woche bekannt wurde. Es ist nicht das erste Mal, dass sich der CS-Präsident ungeschicklich verhält.

Im Business-Jet nach London

So glaubte er im vergangenen Spätsommer allen Ernstes, die Bank könne bis zum Investorentag am 27. Oktober 2022 kommunikativ auf Tauchstation gehen, was jedoch sehr rasch zur Folge hatte, dass selbsterkorene Finanzexperten auf den Sozialen Medien die baldige Insolvenz der CS in Aussicht stellten.

Wenig Spürsinn bewies Lehmann dann auch am Investorentag selbst, den die Bank in London statt in der Schweiz durchführte. Dass ein Mitglied der CS-Führungscrew in einem Business-Jet in die Themsestadt reiste, stiess vor allem firmenintern auf einiges Unverständnis, zumal die CS gleichzeitig wie noch selten zuvor an der Kostenschraube dreht.

Wenig Einfühlungsvermögen

Natürlich sind viele Finanzanalysten, welche die CS abdecken, in London tätig. Doch angesichts der heutigen digitalen Möglichkeiten und vor allem der Tatsache, dass die Bank ihren Wurzeln seit einigen Jahren immer stärker abhandenkommt, was sie zuletzt mit dem Einstieg neuer Grossaktionäre aus Saudi Arabien nochmals ganz deutlich unterstrich, wäre es möglicherweise geschickter gewesen, den so wichtigen Investorentag in der Schweiz abzuhalten.

An besagtem Anlass in London gab die CS unter anderem auch den Abbau von insgesamt 9'000 Stellen bekannt, was in der Belegschaft verständlicherweise eine grosse Verunsicherung auslöste und die Arbeitsstimmung gehörig dämpfte. Dass sich Lehmann wenige Wochen später an der Fussball-Weltmeisterschaft in Doha öffentlich mit seinen katarischen Aktionären zeigte, mag rein betriebswirtschaftlich vertretbar sein. Doch es beweist gleichzeitig wenig Einfühlungsvermögen gegenüber allen Beschäftigten, die derzeit um ihre Stelle bangen.

Schwer einschätzbare Investoren

Es ist müssig, darüber zu werweissen, ob Lehmann nun naiv, unsensibel oder gar fahrlässig gehandelt hat. Tatsache ist, dass die Aktie der CS in der vergangenen Woche auf ein neues, bedrohliches Rekordtief gefallen ist, was auf dem Zürcher Finanzplatz bloss noch Sprachlosigkeit hervorruft. Insofern erhärtet sich der Eindruck, dass auf den einstigen und dem heutigen CS-Präsidenten möglicherweise ein Fluch lastet, der die Bank in eine scheinbar kaum mehr abwendbare Ausweglosigkeit geführt hat.

Lehmann hat es (bisher) nicht geschafft, eine glaubwürdige Turnaround-Strategie auf den Tisch zu legen. Stattdessen ringt die CS nicht mehr nur mit einem Imageproblem angesichts der Übermacht an schwer einschätzbaren arabischen Investoren im Aktionariat, sondern mittlerweile sind auch die einstmals soliden Geschäftsbereiche Schweiz und das globale Wealth Management vom Vertrauensschwund der Kundinnen und Kunden betroffen.

Ausgebuffter Wall-Street-Banker

Parallel dazu wandern langjährige und bewährte Kaderleute in Scharen zur Konkurrenz ab, während sich die CS-Führungscrew im Investmentbanking zusehends in die Abhängigkeit eines ausgebufften Wall-Street-Bankers namens Michael Klein begibt. Unbehaglich ist schliesslich, wie viel Geld aus Russland in der CS steckt. Selbst die sonst im Ton eher zurückhaltende Schweizer Börsenzeitung «Finanz und Wirtschaft» (Artikel bezahlpflichtig) kommt mittlerweile zum Schluss: «CEO Ulrich Körner und Verwaltungsratspräsident Axel Lehmann haben aus dem Bankkonzern einen Giftcocktail gemacht.»

Längst sollten landesweit die Alarmglocken ertönen angesichts der desolaten Lage der zweitgrössten Bank der Schweiz. Doch nichts geschieht, weder in Bundesbern noch in hiesigen Wirtschaftskreisen lassen sich irgendwelche Bestrebungen ausmachen, die CS vor dem Schlimmsten zu bewahren. Erinnerungen an den Niedergang der Swissair werden unausweichlich wach. Doch die heutige Situation der CS ist um einiges dramatischer, handelt es sich doch immerhin um eines der insgesamt fünf systemrelevanten Finanzinstitute in der Schweiz.

Koordiniertes Einschreiten

Natürlich widerspricht es liberalen Marktprinzipien, wenn sich der Staat in das Torkeln eines Unternehmens einmischt. Und seit den Erfahrungen mit der kriselnden UBS im Jahr 2008 gibt es Massnahmepläne, um den Zahlungsverkehr und das Kreditgeschäft notfalls zu sichern. Doch angesichts der Ausweglosigkeit, in der sich die für unser Land und unseren Finanzplatz so wichtige CS nunmehr befindet, wäre ein koordiniertes Einschreiten des Bundes, der Finma oder der Schweizerischen Nationalbank mittlerweile vonnöten.

«Wahrscheinlich braucht es ein Machtwort der Politik, damit dies («die Blutung») aufhört. Die arabischen Aktionäre werden es kaum tun, zu sehr verbandelt sind sie mit dem Unternehmen», kam auch die «Sonntagszeitung» (Artikel bezahlpflichtig) unlängst zum Schluss.

Fortschreitender Niedergang

Ein Machtwort wäre insofern vonnöten, weil es weder Rohner, noch Horta-Osório und bis jetzt auch nicht Lehmann geschafft haben, die Bank auch nur im Geringsten vor ihrem fortschreitenden Niedergang zu bewahren.

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