Der nun anstehende Zusammenschluss der beiden Schweizer Grossbanken bringt insbesondere für die Mitarbeitenden der Credit Suisse über Monate hinweg eine Zeit der Unsicherheit. Zuerst passiert aber erst einmal nichts, schreibt finews.asia-Redaktor Andrew Isbester.

Auch die Ankündigung der notfallmässigen Fusion zwischen UBS und Credit Suisse (CS) folgt dem altbekannten Drehbuch. Kurz nach den offiziellen Mitteilungen sickern interne Memos an die Medien durch, in denen Chefs und Verwaltungsratspräsidenten die Mitarbeitenden auffordern, normal weiterzuarbeiten, als ob nichts geschehen wäre.

Jeder werde weiterhin sein Gehalt erhalten, und auch die Boni würden gezahlt. Später wird ein Schreiben verschickt, in dem steht, dass das Personal weiter beschäftigt wird und dass sich die Bedingungen nicht geändert haben.

Und dann: Stille. Nichts geschieht. Wochenlang, vielleicht sogar Monate lang. Viele beginnen, sich selbst davon zu überzeugen, dass alles zu einer Art Normalität zurückgekehrt ist, und dass sich kaum etwas ändern wird.

Verlust der Unschuld

Doch dann zeichnen sich die ersten kleinen Veränderungen ab. Es werden erste Treffen mit den Gesprächspartnern auf der anderen Seite organisiert. Zunächst handelt es sich in der Regel um grosse Gruppentreffen, bei denen sich jeder vorstellt und beschreibt, was seine Tätigkeit beinhaltet. Ein unschuldiges, fast geselliges Kennenlernen.

Und dann kommen die Dinge in Bewegung. Nachfolgende Treffen werden detaillierter. Die Käuferin wird darlegen, wie das fusionierte Unternehmen geführt wird und welche Systeme, Verfahren, Produkte und Dienstleistungen es geben wird.

Dabei wird den Angestellten der übernommenen Seite geduldig zugehört. Doch am Ende wird klar zu verstehen gegeben, wer darüber entscheidet, wie die Dinge in Zukunft laufen.

Ungewissheit macht einsam

Damit kommt der Wendepunkt. Die Mitarbeitenden der unterlegenen Partei realisieren, dass sie Beute und Opfer geworden sind. Egal ob Praktikant oder Kader, jung oder alt, viele fühlen sich auch von ihren bisherigen Kolleginnen und Kollegen zusehends isoliert oder kapseln sich selbst ab.

Damit setzt auch der interne Konkurrenzkampf ein. Jeder entwickelt seine eigene Strategie, um den Selbsterhalt zu sichern. Das ist auch die Zeit der kleinen Nadelstiche. Plötzlich bleibt die Einladung zu Meetings aus. Oder man wird von der internen Kommunikation abgekoppelt und man fliegt von einer Email-Liste. Mit der Zeit werden die Verleumdungen immer raffinierter und rabiater. Für den einzelnen wird es immer schwieriger, seine Würde zu bewahren.

Netzwerken und Namedropping

Dann schlägt die Stunde der Nerzwerker und Strippenzieher. Das ist ihr Habitat. Unabhängig von Kompetenz oder Qualifikation geht es vor allem darum, sichtbar zu sein und gute Beziehungen zu pflegen. Diejenigen, die sich bisher auf dünnem Eis bewegten und als unfähig oder inkompetent galten, beginnen mit dem unvermeidlichen Name-Dropping. Sie tauchen in allen wichtigen Meetings auf, ob eingeladen oder nicht, und machen sich so auch bei den neuen Herren bekannt.

Währenddessen sind die meisten Mitarbeitenden stundenlang damit beschäftigt, interne Tabellen mit langen und komplexen Fragenkatalogen auszufüllen. Das alles steht im Zusammenhang mit der Due-Diligence-Prüfung, die von einer externen Investmentbank durchgeführt wird, die mit der Abwicklung des Verkaufs beauftragt ist.

Die Investmentbanker, die damit ihren Lebensunterhalt verdienen, scheinen die Bank und ihre verschiedenen Bereiche bald besser zu kennen als die Mitarbeitenden selbst. Zumindest wissen sie, wo und wie sie die Informationen schneller als jeder andere bekommen können. Und wenn es das Vermögensverwaltungs-Geschäft betrifft, müssen alle Kundendateien erneut mühsam überprüft werden, um sicherzustellen, dass jeder, der transferiert und an Bord genommen wird, aus Sicht der Aufsichtsbehörden vollständig konform ist.

Die Berater im Haus

Zu diesem Zweck werden unzählige Berater von einem der grossen vier Beratungsunternehmen eingestellt und im ganzen Büro an leeren Schreibtischen geparkt, wobei sie dort nur zu sitzen scheinen, E-Mails lesen und tippen. Das alles wird zu einer Art neuer Normalität und hält ebenfalls monatelang an. Aber dann hört es plötzlich auf. Der Tag der Transaktion, an dem die Abteilung übertragen wird, steht unmittelbar bevor.

Dann tauchen neue Tabellen auf, diesmal Aktionslisten anstelle von Fragen, und neue Teams von externen Beratern erscheinen. Meistens handelt es sich um IT-Integrationsspezialisten, die scheinbar aus dem Nichts zu den Sitzungen erscheinen. Ihre Ausführungen sind lang, kryptisch, komplex und für Laien kaum zu verstehen.

Treffen mit der Personalabteilung

Nach einer ersten Runde unverbindlicher Treffen beginnen die Einzelgespräche zwischen der Personalabteilung, den Mitarbeitern und den Vorgesetzten. Einigen wird eine Stelle zugesagt. Anderen nicht. In beiden Fällen werden die Bedingungen mitgeteilt. Man erhält in der Regel eine Bedenkzeit, ob man die Vereinbarung unterschreiben will.

Oft lässt sich bereits an der Mimik der Leute ablesen, wer leer ausgeht und wer nicht. Aber das bedeutet noch nicht die finale Entscheidung. Bis zum letzten Moment gibt es immer noch Änderungen. Bestimmte Teams und Personen, die dachten, sie seien sicher dabei, sind es am Ende doch nicht, während andere, die sich bereits auf dem Weg nach draussen sahen, doch bleiben können.

Tag der Versetzung

Es ist eine Serie von kurzen, heftigen Schocks, die bis zum Tag der endgültigen Versetzung anhält und sogar darüber hinaus.

Die grösste Herausforderung für das Management auf beiden Seiten besteht darin, die beiden Organisationen eine Zeitlang vollständig parallel betreiben zu müssen. Für die einzelnen Mitarbeitenden bedeutet es, dass sich in einer nicht enden wollenden, düsteren Zwielicht-Zone bewegen, in der alles, was einmal richtig schien, falsch wird – und umgekehrt.

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