Ist nach dem Verkauf der First Republic Bank in den USA das Schlimmste überstanden? finews.ch beantwortet die wichtigsten Fragen zum Bankensektor in den USA und in Europa.

Ist der Bankensturm vorüber? Anfang der Woche wurde die krisengeschüttelte US-Regionalbank First Republic Bank (FRB) an die Grossbank J.P. Morgan verkauft. Das einst hochfliegende Regionalinstitut ist das jüngste Opfer der Bankenkrise in den Vereinigten Staaten.

Seit Mitte März strauchelten in den USA die Silicon Valley Bank (SVB), die Signature Bank und die Kryptobank Silvergate, während in Europa die Credit Suisse (CS) durch eine Notübernahme der Konkurrentin UBS gerettet werden musste.

Wie steht es nun um die Stabilität der Banken in den USA und Europa, rund eineinhalb Monate nach Ausbruch der Bankenturbulenzen? Das sind die wichtigsten Fragen, die sich stellen:

1. Haben andere US-Banken ähnliche Probleme wie die First Republic?

Viele kleinere und mittelgrosse Institute in den USA sind nach wie vor mit schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen konfrontiert. Aber kein anderes grösseres Kredithaus scheint derzeit vor ähnlich dringenden Herausforderungen zu stehen wie FRB zuletzt.

So haben in der vergangenen Woche Dutzende von US-Regionalbanken ihre Quartalsergebnisse vorgelegt und ihre Aussichten weniger düster eingeschätzt, als Investoren und Analysten befürchtet hatten. Bislang handelt es sich also kaum um eine branchenweite Ansteckung. Es ist aber nicht auszuschliessen, dass hier eine weitere Zeitbombe tickt. 

Die Probleme der FRB wurden bereits unmittelbar nach dem Zusammenbruch der Silicon Valley Bank deutlich. US-Bankenanalysten gehen inzwischen davon aus, dass keine andere grosse Regionalbank so offensichtlich in einer existenzbedrohenden Schieflage ist wie die FRB.

Sie erwarten in den nächsten Wochen keine weiteren grossen Notverkäufe. Gleichwohl bestehen für die Banken noch zahlreiche Risiken.

2. Wie reagieren die Anleger an der Börse?

Nach dem plötzlichen Zusammenbruch der SVB brachen die Bankenindizes ein und zogen den breiteren US-Aktienmarkt als auch andere wichtige Börsenindizes global mit nach unten. Die Angst vor einer Kreditklemme und einer sich verschärfenden Wirtschaftskrise verunsicherte die Anleger weltweit.

Die Anleger reagieren in diesen Tagen differenzierter und scheinen die zweitgrösste Bankenpleite in den USA nicht als Vorboten weiterer Probleme, sondern eher als isolierten FRB-Fall zu betrachten. Der US-Aktienmarkt hält sich stabil, und der KBW-Index für Regionalbanken hat relativ wenig an Boden verloren.

3. Welches sind die grössten Risike?

Generell ist das Kreditrisiko das grösste Risiko für das Bankensystem. Die jahrelange ultralockere Geld- und Zinspolitik der Zentralbanken weltweit hat zu Fehlallokationen von Kapital geführt. Bei einem konjunkturellen Abschwung drohen höhere Kreditausfälle.

Die Kombination aus Risikoaversion und verschärften Kreditkonditionen dürfte die Konjunktur in den USA bremsen. Risiken schlummern vor allem in den Gewerbeimmobilien-Portfolios der Finanzinstitute. Die mittelgrossen US-Banken sind landesweit die grössten Kreditgeber für gewerbliche Immobilienprojekte. Höhere Zinsen setzen diesen Markt unter Druck. Bis Ende 2025 werden gewerbliche Immobilienkredite in Höhe von mehr als 1 Billion Dollar fällig.

Sollte sich der Preisverfall bei diesen Vermögenswerten beschleunigen, könnte dies die Bilanzen kleinerer und regionaler Banken weiter belasten. Da die Banken ihre Risikobewertung verschärfen, könnten die Kreditnehmer Schwierigkeiten haben, ihre Schulden zu refinanzieren.

4. Wird die Bankenregulierung in den USA verschärft?

Die US-Bankenregulierung wurde 2018 dahingehend geändert, dass mittelgrosse und kleine Banken nicht den gleichen Liquiditäts- und Kapitalanforderungen unterliegen wie Grossbanken.

Nach dem Zusammenbruch der Silicon Valley Bank werden die Vorschriften wohl verschärft. Die US-Notenbank wird das jüngste Fiasko wahrscheinlich anführen, wenn sie sich für die Änderungen der Bankenregulierung einsetzt.

Die US-Bankenaufsicht kann zahlreiche Massnahmen ergreifen, um die aufsichtsrechtlichen Schwachstellen zu beheben. Bei einigen muss allerdings der US-Kongress eingreifen, etwa bei der Reform der Einlagensicherung.

Für die Zukunft ist ein verbessertes Risikomanagement in Bezug auf Liquiditäts- und Zinsrisiken zu erwarten. Dies könnte sich negativ auf die Profitabilität kleinerer und weniger diversifizierter Banken auswirken.

5. Wie unterscheidet sich die Situation der Banken in Europa?

Abgesehen von der Credit Suisse, die vor allem wegen hausgemachter Probleme unterging, gab es in Europa während der Börsenturbulenzen keine sichtbaren Anzeichen für eine Schwächung des Bankensektors. Europäische und amerikanische Banken arbeiten nicht nur mit unterschiedlichen Geschäftsmodellen, sondern auch in einem unterschiedlichen regulatorischen Umfeld.

In Europa sind die Vorschriften für Liquidität und Kapital bereits strenger als in den USA. Die europäischen Banken stehen heute so gut da wie selten zuvor im letzten Jahrzehnt.

Ihre Stabilität ist den Massnahmen zu verdanken, die seit der globalen Finanzkrise ergriffen wurden, um den regulatorischen Rahmen für Banken in der Europäischen Union (EU) zu stärken. Kreditinstitute müssen heute mehr und qualitativ besseres Kapital und grössere Liquiditätspuffer vorhalten, um Stresssituationen zu überstehen.

Die Bankenzusammenbrüche in den USA und der Schweiz könnten zu einer besseren Einhaltung der internationalen Eigenkapital-Standards durch die Banken in der EU führen, wie das renommierte Peterson Institute For International Economics kürzlich analysierte.

6. Anleger erlitten auf AT1-Bonds der CS einen Totalverlust. Welche Folgen drohen noch?

In der Gläubigerhierarchie werden in der Regel die Obligationäre bevorzugt, während die Aktionäre ihr Investment verlieren. Die sogenannten AT1-Pflichtwandel-Anleihen der CS enthielten zwar eine explizite Klausel, die es der Finma erlaubte, die Anleihen abzuschreiben, ohne zuerst die Aktionäre zur Kasse zu bitten. Dennoch sorgte der drastische Schritt für einen Aufschrei der Obligationäre.

Generell macht der Finma-Entscheid die Emission von AT1-Papieren für jede Bank vorerst schwieriger und teurer. Zwar haben sich die Aufsichtsbehörden unter anderem in der EU und in Grossbritannien umgehend vom AT1-Entscheid der Finma distanziert. Sie versicherten den Investoren, dass im Falle einer Bankenpleite in erster Linie die Aktionäre leiden würden.

Ob sie sich in Zukunft in einem ähnlichen Fall wie bei der CS daran erinnern werden, bleibt abzuwarten. Sicher ist jedenfalls schon jetzt: Die AT1-Investoren werden die Risiken dieser Papiere nicht so schnell vergessen.

7. Steigende Zinsen machten den US-Banken zu schaffen. Wiederholt sich das in der Schweiz?

Steigende Zinsen sind für die Finanzinstitute Segen und Fluch zugleich: Die Banken können mehr an Krediten verdienen, stehen aber auch unter grösserem Druck, höhere Zinsen anzubieten, um Kundengelder zu halten oder anzuziehen.

Die Vorteile höherer Zinsen dürften allmählich auslaufen und der Wettbewerb um Einlagen die Refinanzierungskosten erhöhen. Trotz solider Bilanzen dürfte dies in Zukunft zu geringerem Wachstum und niedrigeren Erträgen bei den Banken führen.

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