Weltweit bleibt die Unsicherheit im Bankensektor hoch, und die Ansteckungsgefahr ist real. Dennoch spricht einiges gegen eine Wiederholung der Finanzkrise von 2008.

Stehen wir vor einer neuen Finanzkrise? Kommt jetzt Lehman Brothers 2.0? Hat die US-Bankenkrise die europäische Bankenlandschaft infiziert? Diese Fragen stellen sich in diesen Tagen Anleger rund um den Globus.

Die Aufsichtsbehörden sind weltweit in höchster Alarmbereitschaft und versichern bei jeder Gelegenheit, dass das Bankensystem gesund und widerstandsfähig ist. Zentralbanken auf der ganzen Welt ergreifen Massnahmen, um sicherzustellen, dass sich das aktuelle Bankenbeben nicht zu einer globalen Finanzkrise ausweitet.

Nervöse Märkte

Doch in Anlegerkreisen geht weiterhin die Angst um, die Investoren bleiben nervös, wie die jüngsten Kursturbulenzen rund um die Deutsche Bank zeigen.

Denn der jähe Untergang der Credit Suisse (CS) ist der erste Zusammenbruch einer global systemrelevanten Bank, einer sogenannten Global Systemically Important Bank (G-SIB), seit diese Kategorie im Zuge der Finanzkrise 2008 geschaffen wurde.

Gleichzeitig hat sich die Liste der Bankenzusammenbrüche nach der Notübernahme der CS durch die Schweizer Konkurrentin UBS von den USA nach Europa verlängert, beginnend mit den US-Instituten Silicon Valley Bank, Silvergate Bank und Signature Bank.

Krise nicht ausgestanden

Offensichtlich ist die Krise noch nicht vorbei. Die Ansteckungsgefahr ist ein Problem, die Marktlage bleibt sehr volatil. Und solche Probleme ziehen sich in der Regel über einen längeren Zeitraum hin. Zudem befindet sich die Krise noch in einem sehr frühen Stadium, so dass die weitere Entwicklung genau beobachtet werden muss.

So entfallen in den USA mehr als zwei Drittel aller ausstehenden Kredite für Gewerbeimmobilien und mehr als ein Drittel aller ausstehenden Kredite für Wohnimmobilien auf kleine Banken. Sollte sich der Preisverfall bei diesen Vermögenswerten beschleunigen, könnte dies die Bilanzlage kleiner und regionaler Banken weiter belasten und die Turbulenzen verstärken, wie die niederländische Grossbank ING warnt.

Gibt es ein Déjà-vu?

Trotz des gegenwärtigen Finanzstresses erscheint die Wahrscheinlichkeit einer Wiederholung der Finanzkrise von 2008, die die Welt in die schlimmste Rezession seit der Grossen Depression der 1930er-Jahre stürzte, aus heutiger Sicht gering. Die globalen Aufsichtsbehörden haben diesmal viel schneller gehandelt, um die Banken zu stützen. Sie haben aus den vorangegangenen Krisen gelernt.

Es gibt noch einen weiteren grossen Unterschied zwischen 2008 und heute. Damals kam es zu einem systemischen Zusammenbruch von Banken in Europa und Amerika, die in grossem Umfang auf komplexe Kreditinstrumente gesetzt hatten: Collateralised Debt Obligations (CDOs) und Mortgage Backed Securities (MBS).

Erhebliche Unterschiede

Die Probleme bei der Silicon Valley Bank und CS waren in erster Linie unternehmensspezifisch und auf Missmanagement zurückzuführen, während es heute in den Büchern der Banken nicht von toxischen Wertpapieren wimmelt.

Die Krise im US-Bankensektor hat ihre Wurzeln vielmehr in der Entscheidung der amerikanischen Notenbank Fed, die Zinsen drastisch zu erhöhen, um die hohe Inflation einzudämmen. Der rasche Zinsanstieg hat vor allem bei kleinen und mittelgrossen US-Banken zu teilweise hohen Verlusten im Anleihenportfolio geführt.

Bislang überschaubar

Solange die US-Finanzhäuser diese Verluste aussitzen können und es nicht zu einem Run auf ihre Einlagen kommt, helfen die aussergewöhnlichen Massnahmen der US-Notenbank und der Einlagensicherung FDIC, die Ansteckungsgefahr einzudämmen.

Weitere existenzbedrohende Schieflagen von US-Regionalbanken können zwar nicht ausgeschlossen werden. Bislang hat jedoch kein unter Druck geratenes US-Institut eine ähnlich wichtige Rolle im globalen Bankensektor gespielt wie seinerzeit das Wertpapierhaus Lehman Brothers.

Europäische Banken robust aufgestellt

Insgesamt haben sich die europäischen Banken in der aktuellen Situation bisher gut behauptet. Zudem sind die europäischen Grossbanken seit der Finanz- und Eurokrise deutlich strenger reguliert als zuvor, und die wichtigsten Liquiditäts- und Kapitalquoten sind derzeit auf einem gesunden Niveau.

Dennoch erschüttert der Niedergang der CS das Vertrauen in andere Kreditinstitute, insbesondere in Europa. Angesichts der anhaltenden Marktunsicherheit und der Abschreibung der Additional-Tier-1-Anleihen (AT1) der CS haben sich die Risikoaufschläge für Bankanleihen ausgeweitet. Dadurch verteuert sich die Refinanzierung der Banken. Obwohl die Refinanzierungskosten steigen, gibt es derzeit kaum Anzeichen dafür, dass dies zu einer generellen Besorgnis über die Kapitalausstattung führen wird.

Geringeres Wachstum

Allerdings hat der Entscheid der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma), die AT1-Schuldner der CS gewissermassen unter den Bus zu werfen, den AT1-Markt schwer getroffen. Es ist fraglich, ob die Banken in absehbarer Zeit neue Pflichtwandelanleihen emittieren können – und falls doch, zu welchen Konditionen.

Generell ist davon auszugehen, dass sich das Kreditwachstum der Banken verlangsamen wird, da sich das wirtschaftliche Umfeld verschlechtert. Zudem dürften die Vorteile höherer Zinsen allmählich auslaufen und der Wettbewerb um Einlagen die Refinanzierungskosten erhöhen. Trotz solider Bilanzen dürfte dies in Zukunft zu geringerem Wachstum und niedrigeren Erträgen führen.

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