Auch im Mai können noch längst nicht alle unabhängigen Vermögensverwalter eine Lizenz der Aufsicht vorweisen. Eine wichtige Wegmarke steht aber unmittelbar bevor.

Wer das Glas vorzugsweise als halbleer betrachtet, muss feststellen: Anfangs Mai, vier Monate nach dem offiziellen Ende der Einreichefrist für die Lizenzgesuche, sind seitens der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma) erst 760 Bewilligungen ergangen (siehe Grafik unten). Dies entspricht knapp der Hälfte der 1’534 von unabhängigen Vermögensverwaltern (EAM) in der Schweiz eingereichten Gesuchen.

Da ist dem Jahrbuch 2022 der Branchenvereinigung Verband Schweizerischer Vermögensverwalter (VSV) zu entnehmen, welches dieser Tage veröffentlicht wurde. Die Finma selber hatte Ende vergangenen Jahres von 1’699 eingereichten Gesuchen gesprochen.

 VSV Grafik 500

Nächste Hürde in Sicht

Positiv liesse sich aber ausdrücken: Aufsicht und Beaufsichtigte haben die Mammutübung, in der es zu erheblichen Engpässen und Verspätungen gekommen ist, bald zur Hälfte hinter sich gebracht. 1’060 Anbieter verzichteten dabei von vornherein auf eine Unterstellung; denkbar ist, dass sich kleinere Mitbewerber künftig auf die Beratertätigkeit konzentrieren oder sich grösseren Akteuren anschliessen.

Grundsätzlich gilt aus Sicht der Finma, dass seit Anfang Jahr unerlaubt tätig ist, wer kein Gesuch eingereicht hat und mit mehr als 5 Millionen Franken Vermögen von 20 Kunden mehr als 50'000 Franken Bruttoertrag erwirtschaftet. Aber auch jene Vermögensverwalter, die sich in einem Bewilligungsverfahren befinden, sind einer gewissen Unsicherheit ausgesetzt. Depotbanken könnten etwa zum Schluss gelangen, dass sie nicht mehr länger zuwarten und die Dienste für jene Institut kappen möchten.

Wer die Bewilligung hinter sich hat, darf ebenfalls höchstens kurz durchatmen. Es gilt nun, die gestiegenen Anforderungen der Lizenz zu erfüllen. Als nächste Hürde steht etwa die erste Runde von externen Audits unter dem neuen Regime an.

Weniger Anbieter, gleich viele Stellen?

Wie der VSV feststellt, hat sich die Lizenzierung noch nicht gross auf die Personalpolitik der Mitglieder ausgewirkt. Der Median der Vollzeitstellen (FTE) bei unabhängigen Vermögensverwaltern hat gegenüber 2,5 bis 4 während der Jahre 2016 bis 2020 Ende 2022 nun 3 betragen. Das könnte ein Hinweis darauf sein, dass sich die Finma-Lizenzierung in der Schweiz ähnlich wie die Einführung der Mifid-II-Richtlinie in Deutschland auswirkte: Dort sank die Anzahl Vermögensverwalter drastisch, während die Stellen weitgehend erhalten blieben.

Auch der Verband selber konnte seine «Population» verteidigen, wie dem Jahresbericht zu entnehmen war. Dank 76 neuen Mitgliedschaften verharrte die Anzahl VSV-Aktivmitglieder exakt bei den 759 des Vorjahres.