Hiesige Privatbanken stellen derzeit ein, was sie an Kadern der UBS und der Credit Suisse kriegen können. Das führt zu regelrechten Wechselkrimis und treibt die Löhne in die Höhe. Doch irrational ist das Verhalten der Institute keineswegs.

Die Zeiten sind vorbei, als Lombard Odier das für Genfer Privatbanken sprichwörtliche «Low profile» pflegte. Inzwischen diskutiert selbst die Sonntagspresse die Personalpolitik des Traditionshauses; dieses hat sich hierzulande zu einer der gefragtesten Adressen für wechselwillige Grossbankerinnen und -banker aufgeschwungen.

Mittlerweile gelingt es den Genfern gar, nicht nur Kader von der übernommenen Credit Suisse (CS), sondern von der UBS selber anzulocken, wie auch finews.ch berichtete. Um Sabine Heller, die als bereits designierte Regionaldirektorin der UBS zu Lombard Odier in Zürich wechselte und dort der bisherigen Standortleiter Andreas Arni verdrängte, entspann sich ein richtiggehender Krimi.

Lohnpakete in der Kritik

Die prominenten Wechsel sorgen aber auch für Kritik. Die Privatbanken, welche von den Fliehkräften der CS-Übernahme profitieren wollen – prominent neben Lombard Odier sind dies in der Schweiz bisher LGT, Julius Bär und EFG International – lockten mit exorbitanten Lohnpaketen, heisst es. Diese Ausgaben, so wird geargwöhnt, können sich für die Institute gar nicht rechnen.

Auf die Abwerbe-Bonanza werde deshalb mittelfristige die Katerstimmung folgen.

Einmalige Gelegenheit

Doch es fragt sich, ob die Mittelfrist-Planung derzeit überhaupt eine Rolle spielt. Wie nicht zuletzt die UBS zugibt, bietet die Übernahme der CS Gelegenheiten, wie sie sich nun einmal in einer Banker-Generation bieten. Wer diese Chance nicht beim Schopf packt, droht leer auszugehen. Denn mit jedem Tag, den die Integration der CS voran schreitet, droht sich das Fenster für Abwerbe-Bemühungen zu schliessen.

Auf den Punkt gebracht hatte dies bereits im vergangenen Mai EFG-Präsident Alexander Classen. Er erklärte damals öffentlich, es bleibe noch ein Monat, um CS-Leute zu rekrutieren. Die eigenen Wachstumsambitionen, gepaart mit jener «Fear of missing out», scheinen mittelgrosse Privatbanken in eine Art Ausnahmezustand zu versetzen.

«Um praktisch jeden Preis in die Lücke stossen»

«Gegenwärtig herrscht im Schweizer Private Banking eine Stimmung, die mit dem Krypto-Boom vor einigen Jahren vergleichbar ist», beobachtet Klaus Biermann. «Akteure versuchen, um praktisch jeden Preis in die Lücke zu stossen, welche die Credit Suisse hinterlässt». Er ist Mitgründer und Partner des Executive-Search-Unternehmens Biermann Neff mit Büros in Zürich und in Frankfurt, und damit selber Akteur am heiss gelaufenen Markt für Grossbanken-Expertise.

Auch Biermann hält es vor diesem Hintergrund für möglich, dass für «Seniors» der CS aktuell siebenstellige Ablösesummen gezahlt werden. «Doch die hohen Gehälter sollten nicht per se als Ausgaben begriffen werden», gibt der Headhunter zu bedenken, «sondern als Investitionen, um die Strukturen der Zukunft zu bauen.»

Gefragte Expertise

Während im amerikanischen Silicon Valley in Codes und Applikationen investiert wurde und im Zuger «Crypto Valley» in Blockchain-Protokolle, so sind das wichtigste Investitionsgut im Swiss Private Banking nun die Kundenberaterinnen- und Berater, respektive die Bankkader, welche komplexe Angebote für eine reiche und superreiche Klientel bereitzustellen vermögen.

Letzteres ist eine Expertise, die Grossbanker auszeichnet. Unter ihnen finden sich zahlreiche Spezialisten, die jahrelang an der Schnittstelle zwischen Private- und Investmentbanking respektive dem Firmengeschäft gerabeitet haben. Dort haben sie gelernt, massgeschneiderte Finanzprodukte und komplizierte Vermögensstrukturen für ihre Kunden zu entwerfen.

Wer reiche Privatkunden der CS und der UBS allein mit Vermögensverwaltung zu sich locken möchte, so heisst es, wird damit nicht weit kommen.

Eine Abwärtsspirale?

Also gilt es diese Angebote zu bauen, solange das menschliche «Material» dazu vorhanden ist – und die Kunden wechselwillig sind.

Denn natürlich ist die UBS nicht untätig geblieben. Sie lockt die besten Leute der CS ebenfalls mit Anreizen und hat die Retentionsmassnahmen bei der Kundschaft verstärkt. Dem Vernehmen nach wurden dazu auch Gebühren gesenkt – eine möglicherweise folgenreiche Entscheidung, wie Headhunter Biermann zu bedenken gibt. «Das könnte zu einer Abwärtsspirale bei den Erträgen in der gesamten Branche führen, was sich wiederum auf die Gehälter auswirken würde.»

Nicht lange fackeln

Noch aus einem anderen Grund erwartet der Personalprofi, dass die gegenwärtige Überhitzung des Stellenmarkts abklingen wird. «Die kleineren und mittelgrossen Schweizer Privatbanken sind oftmals in den Händen von Familien und Teilhabern, die im Unternehmen über sehr viel Einfluss verfügen und unternehmerisch denken», mahnt er. «Wenn sich die Investition in eine Personalie nicht auszahlt, greifen diese Lenker klassischerweise relativ rasch durch.»

Heute unter viel Aufsehen empfangen, übermorgen leise hinauskomplementiert: Den Grossbankern, die derzeit bei kleineren Häusern ankommen und dort zuweilen Vorgängerinnen und Vorgänger verdrängen, könnte es dereinst ebenso ergehen. Die teuren Lohnpakete, die aktuell versprochen werden, dürften diese Entwicklung gar noch beschleunigen.

Unter Erfolgsdruck

Entsprechend stehen die Neuankömmlinge ab dem ersten Tag unter Erfolgsdruck, zumal im Private Banking die Faustregel gilt: Wer nicht in den ersten drei Monaten seine Kunden zum neuen Arbeitgeber mitzunehmen vermag, wird damit auch später scheitern. Eine Wechselquote von 5 bis 10 Prozent gilt dabei als im Rahmen des Erwartbaren. Bei Sondersituationen wie dem Untergang der CS liegt die Latte aber höher.

«Es ist damit zu rechnen, dass diverse Neuankömmlinge von den Grossbanken die ambitiösen Ziele nicht erreichen und daher in zwei bis drei Jahren weitergezogen sind respektive weiterziehen müssen», erwartet Biermann.

Dennoch dürfen die Privatbanken hoffen, dass bis dahin wenigstens ein Teil der Saat aus der aktuellen Abwerbe-Bonanza aufgegangen ist.

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