Obwohl europäische Kredithäuser mehrheitlich solide Gewinne verzeichnen, handeln erstaunliche viele an der Börse seit langem unter ihrem Buchwert, wie eine neue Studie zeigt.

Eine Analyse der US-Unternehmensberatung Boston Consulting Group (BCG) zeigt, dass 73 Prozent der europäischen Banken unter ihrem Buchwert gehandelt werden. Viele davon schon seit längerer Zeit, wie die «Financial Times» (Artikel bezahlpflichtig) über die Studie berichtet, die erst nächsten Monat veröffentlicht wird.

Im Gegensatz zu «Zombie-Unternehmen», die jetzt mit höheren Finanzierungskosten zu kämpfen haben, profitieren die Banken von den hohen Zinsen. Sie haben im Zuge des Zinsanstiegs ihre Margen ausgeweitet. Obwohl viele europäische Kreditinstitute solide Gewinne erwirtschaften, halten Investoren die aktuellen Renditen aber für nicht nachhaltig.

Deutlich niedriger

Selbst bei Finanzinstituten, deren Aktienkurse stark gestiegen sind, liegen die Bewertungen teilweise deutlich unter dem Buchwert. Ein Beispiel dafür ist die italienische Grossbank Unicredit, die vom ehemaligen UBS-Topmanager Andrea Orcel geführt wird und deren Aktienkurs sich in diesem Jahr verdoppelt hat. Das Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV) liegt dennoch bei rund 0,73. Das KBV der Schweizer UBS liegt nach der Übernahme der Credit Suisse (CS) und ebenfalls starken Kursgewinnen nur bei knapp über 1.

Das tiefe KBV ist aber kein rein europäisches Problem. Die BCG-Studie zeigt, dass mehr als ein Drittel der amerikanischen Banken und fast alle Banken in Teilen Asiens von dem Problem der niedrigen Bewertung betroffen sind. Besonders ausgeprägt ist die Situation jedoch in Europa.

Sorgen-Cocktail

Gründe dafür sind das schwache Wirtschaftswachstum in Europa, eine inkonsistente Politik, einschliesslich ungünstiger Bankensteuern in einigen Ländern, und eine begrenzte Marktintegration aufgrund der unvollständigen «Bankenunion» der EU.

Ein weiteres Hindernis ist die vergleichsweise geringe Investitionskapazität, die durch die gegenüber US-Banken niedrigen Technologieinvestitionen noch verschärft wird. Dies führt dazu, dass europäische Banken in den Bereichen Künstliche Intelligenz und technologische Infrastruktur hinter ihren US-Pendants zurückbleiben.

Solide Bilanzen

Trotz dieser Probleme gibt es auch optimistische Stimmen, die auf die solide Kapital-, Liquiditäts- und Aufsichtssituation britischer und von der EZB regulierter Banken verweisen. Sie vermuten, dass die Aktien momentan unter ihrem eigentlichen Wert notieren

Einige Investoren sehen Chancen bei ausgewählten europäischen Banken. Die Hoffnung ist, dass die Anleger mit der Zeit die soliden Bilanzen und das stabile politische Umfeld erkennen und die Erinnerungen an die Enttäuschungen der Vergangenheit verblassen.

Wie Warren Buffett

Vor allem so genannte Value-Investoren, allen voran die US-Investorenlegende Warren Buffett, achten stark auf den Buchwert. Doch die Suche nach unterbewerteten Aktien ist schwierig. Denn auch diese Kennzahl hat ihre Tücken. Das KBV spiegelt nicht unbedingt den «wahren» Wert eines Unternehmens, da auch viele andere Faktoren den Aktienkurs beeinflussen.

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