Voraussichtlich am Mittwoch wird der Bundesrat seinen Bericht zu künftigen Regulierung der übrig gebliebenen Grossbanken des Landes präsentieren. Die neue staatliche Liquiditätssicherung darf dabei als gesetzt gelten – doch selbst dieses Instrument ist umstritten.

Der Konsens in Bundesbern, bei der krisengeschüttelte Credit Suisse (CS) nur ja keine schlafenden Hunde zu wecken, zog im Jahr 2022 ein folgenschweres Manöver nach sich. Statt den «Public Liquidity Backstop» (PLB), wie er im Ausland zur Sicherung des Bankensystems Gang und Gäbe ist, rasch vors Parlament zu bringen, wartete man künstlich damit zu.

Das sollte sich rächen. Im März 2023 wurde die Politik von der CS-Krise eingeholt. Der PLB musste per Notrecht eingeführt werden, um den Verkauf der CS an die Lokalrivalin UBS mit staatlich garantierten Milliarden zu flankieren. Erst vergangenen Oktober erging dann die offizielle Botschaft des Bundesrats an das Parlament, um die aus der Not geborene PLB-Verordnung endlich in ordentliches Recht zu überführen.

Böse Überraschungen wahrscheinlich

Die Verhandlungen in Bern laufen seither parallel zu den Bemühungen des Bundesrats, die «Too big to fail»-Regeln zur Sanierung der verbleibenden Schweizer Grossbanken zu überarbeiten. Der in der Politik wie auch in der Bankbranche mit Spannung erwartete Regierungsbericht könnte bereits diesen Mittwoch präsentiert werden.

Die systemrelevanten Grossbanken – das sind die um die Credit Suisse (CS) erweiterte UBS, die Raiffeisen Gruppe, die Zürcher Kantonalbank (ZKB) und die Post-Tochter Postfinance, müssen dabei durchaus mit unangenehmen Überraschungen rechnen. Denn Finanzministerin Karin Keller-Sutter hat versprochen, bei der künftigen Regulierung dem Schutz des Steuerzahlers Priorität einzuräumen.

Sergio Ermotti ist dafür

Während die Branche gegen mehr teures Eigenkapital wohl auf die Barrikaden gehen würde, ist sie der Einführung der staatlichen Liquiditätssicherung nicht abgeneigt. Die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg) ist im Grundsatz ebenso für den PLB wie UBS-Chef Sergio Ermotti, der wiederholt darauf hingewiesen hat, dass das Instrument in der Schweiz bisher schmerzlich fehle.

Wen Bundsrätin Keller-Sutter also die Evaluation zur Grossbanken-Regulierung präsentiert, müsste sie also relativ leichtes Spiel haben. Doch wie sich zeigt, ist selbst dieser «No brainer» – der PLB ist im Ausland verbreitet, im März 2023 bereits erfolgreich eingesetzt worden und in der Bankbranche selber willkommen – durchaus umstritten.

Das könnte sich als böses Omen für die künftige Sicherung der Schweizer Grossbanken erweisen.

Darf die UBS bergab fahren?

Bereits zeigte sich, dass die staatliche garantierte Milliardenstütze schwierig zu erklären ist. So wird sie oftmals als eine zumindest implizite Staatsgarantie begriffen. Am Gedanken einer Staatsgarantie für die «neue» UBS erhitzen sich die Gemüter selbst von Markkennern, wie sich jüngst in einem Interview des emeritierten Finanzprofessor Urs Birchler zeigte.

Die UBS dürfe dank impliziter Staatsgarantie im Kreditgeschäft «bergab fahren», sagte der Ökonom dem Börsenportal «Cash.ch». Dies, während viele in- und ausländische Konkurrenten das Velorennen gleichsam bergauf bestreiten müssten.

Mit dem PLB dürfen Banken nicht rechnen

Rein vom Mechanismus trifft dies aber beim PLB nicht zu: Auf die Liquiditätssicherung vom Staat wird es keinen festen Anspruch geben. Sie kommt nur dann zur Anwendung, wenn im Voraus definierte Kriterien erfüllt sind – etwa, dass die von Schweizerischen Nationalbank (SNB) bereitgestellte Notfall-Liquidität bereits aufgebraucht ist.

Einer Grossbank ging es zu diesem Zeitpunkt alles andere als gut. Sie könnte nicht mehr in der gleichen Form geschäften, sondern müsste einschneidende Sanierungsmassnahmen über sich ergehen lassen. Letzteres blieb der CS im vergangenen Jahr zwar erspart. Dafür wird sie bis im Jahr 2026 ganz in der UBS aufgegangen sein.

Bankführung soll nicht ungeschoren davonkommen

Ebenfalls wird es beim Einsatz eines PLB für Aktionäre und Gläubiger der betroffenen Grossbank nicht möglich sein, sich schadlos zu halten. Ihre Forderungen gelten gegenüber jenen der Nationalbank und des Bundes als zweitrangig.

Auch die Bankführung, so wird wenigstens versprochen, käme nicht ungeschoren davon. «Der Einsatz führt aller Voraussicht nach dazu, dass das bestehende Management abgesetzt, zur Rechenschaft gezogen und mittels Rückforderung bereits gewährter variabler Vergütungen finanziell abgestraft würde», schreibt die SBVg in einem Positionspapier.

Markus Gygax grätscht dazwischen

Ob sich die Kritiker des Instruments davon umstimmen lassen, ist ungewiss. Solche finden sich mittlerweile nicht nur in der Politik, sondern auch in der Bankbranche selber. So sorgte Markus Gygax, der Präsident des Verbands Schweizer Regionalbanken (VSRB), vergangenen November mit einem Kommentar für einiges Aufsehen. Mit dem PLB zeichne sich eine Diskriminierung aller kleineren Banken in der Schweiz ab, warnte er.

Dies, weil für die Kundschaft und die Aktionäre jeweils die Summe der «Verteidigungslinien» relevant sei – und mit dem PLB verfügten die Grossbanken über ein Abwehrstellung mehr, so Gygax. Der Regionalbanken-Vetreter forderte deshalb, dass die bestehenden Notfalls-Liquiditätshilfen der SNB ausgebaut werden – oder der PLB auf sämtliche Schweizer Banken ausgeweitet wird.

Bundesrat schickte Pauschale ins Rennen

Eine eine ähnliche Richtung zeigt die Forderung, dass die Schweizer Grossbanken die Bereitstellung eines PLB im Voraus abzugelten haben; dies hat nach der Vernehmlassung auch Eingang in bundesrätliche Botschaft gefunden. Jene «Abgeltungungspauschale» soll nach dem Willen der Regierung wie eine Versicherungsprämie funktionieren und helfen, Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden.

Laut Schätzungen müssten die systemrelevanten Banken für die neue Risikoabsicherung jährlich einen Betrag von insgesamt 70 Millionen bis 210 Millionen Franken zuhanden des allgemeinen Bundeshaushalts zahlen.

Die Krux mit den Staatsbanken

Doch die Pauschale wird wiederum vom Banken-Dachverband SBVg abgelehnt. Da auf den PLB kein Anspruch bestehe und im Falle eines Einsatzes bereits substanzielle Zinsen und Prämien an den Bund zu zahlen wären, fehle einer Abgeltungspauschale die sachlich nachvollziehbare Begründung, kritisiert die Bankenlobby.

Ein Streitpunkt mehr also – und nicht der Letzte. Denn aus Sicht der Staatsinstituten unter den Grossbanken – der ZKB und der Postfinance – kommt die Liquiditässicherung des Bundes zu einer bestehen Staatsgarantie hinzu. Bei der ZKB haftet der Kanton Zürich für seine Bank, bei der Postfinance die Konzernmutter: die Schweizerische Post.

Im Falle der ZKB ist die Frage nach einer Abgeltungspauschale an den Bund zudem besonders virulent, da das Institut Jahr für Jahr die Staatsgarantie mit Millionenzahlungen an den Kanton abgelten muss.

Doppelte Sicherung wirf Fragen auf

Mit der Problematik haben sich bereits Juristen am Institut für Förderalismus der Universität Freiburg auseinandergesetzt. Sie betonen, das nach der Einführung des PLB die ZKB im Krisenfall sowohl der Liquiditätssicherung des Bundes wie auch der Staatsgarantie der Kantons unterstehen würde – was die Experten grundsätzliche hinterfragen.

«Mit dem neuen PLB-System stellt sich die Frage, inwiefern die kantonale Staatsgarantie im neuen PLB-System noch Sinn macht, verfolgen beide teilweise deckungsgleiche Ziele und besitzen sie teilweise ähnliche Ausgestaltungselemente», schreiben sie.

Der PLB erweist sich demnach als alles andere als ein «No brainer». Seine Einführung verlangt eine komplexe Austarierung zwischen Bundes- und kantonalen Vorgaben, ist unter den Banken selber umstritten und wirft auch wettbewerbsrechtliche Fragen auf. Die Sicherung der Schweizer Finanzstabilität, so zeigt sich, lässt sich damit nicht auf einen Streich gewinnen.

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