Eins ums andere Mal ist die Credit Suisse im Streit mit einem betrogenen georgischen Ex-Kunden zu hohen Schadenszahlungen verurteilt worden. Die Grossbank wehrt sich verbissen dagegen – wie aktuell in Singapur. Doch die Ingredienzen des Falls sprechen gegen einen überraschenden Sieg, analysiert finews.ch.

Vor Gericht in Singapur wird zwar noch um Hunderte Millionen Dollar gerungen. Dennoch zeichnet sich bereits ab: Für die Vermögenswerte, die ein Ex-Angestellter eints beim georgischen Milliardär Bidzina Ivanishvili (Bild unten) veruntreute, zahlt die Credit Suisse (CS) – und die Rechtsnachfolgerin UBS – aller Voraussicht nach einen exorbitant hohen Preis.

Nimmt man nämlich die 743 Millionen Dollar, zu deren Zahlung eine Trust-Tochterfirma der CS vergangenen Mai in Singapur verurteilt wurde, zu den 600 Millionen Dollar, die ein Gericht auf den Bermudainseln dem Geldhaus auferlegte, läppert sich der Schadenersatz auf deutlich mehr als 1 Milliarde Dollar.

CS selber ein Opfer?

Im Urteil vom vergangenen Mai gelang es der CS-Tochter immerhin, den Schadenersatz von zuvor 926 Millionen Dollar zu reduzieren. Gegen die Zahlung hat sich die Trust-Gesellschaft aber erneut gewehrt; das Verdikt dazu ist in Singapur noch nicht kommuniziert worden.

Ebenfalls ist die Gesellschaft der CS auf den Bermudas in Berufung gegangen. Die Verteidigung der CS stellte sich dabei auf den Standpunkt, dass der Ex-Mitarbeitende Patrice Lescaudron auf eigene Faust gehandelt habe: die Bank sieht sich selber als Opfer von dessen Machenschaften.

Ivanishvili 502

(Bild: Shutterstock)

Als der frühere Private Banker sich nach Absitzen einer Gefängnisstrafe im Jahr 2020 das Leben nahm, war der Fall aber noch längst nicht abgeschlossen. Stattdessen machte Ivanishvili und weitere von Lescaudron betrogene Ex-CS-Kunden die Grossbank für den Schaden verantwortlich. Bereits im Jahr 2016, als die selbsternannten «CS-Victims» in die Offensive gingen und immer höhere Forderungen stellten, war Kennern die Klemme klar, in der die CS steckte.

Niemals locker lassen

«Aufgrund ihres immensen Vermögens können es sich diese Kunden leisten, einen Rechtsstreit über Jahre hinweg eskalieren zu lassen. Und die Klagesummen, die im Spiel sind, erweisen sich selbst für grosse Häuser als enorm», sagte damals ein Veteran des «Russenbanking» zu finews.ch.
Der Beobachter erkannte schon damals, dass Ivanishvili niemals locker lassen würde, bis die aus seiner Sicht fehlbare Bank im Genugtuung verschafft.

Seither haben Ivanishvilis Anwälte die CS richtiggehend eingekreist und rund um den Globus vor den Richter gezogen, so in Singapur, auf den Bermudainseln sowie in der Schweiz. Während sich bei der CS das Management die Klinke in die Hand gab und die Krisenbank im vergangenen Jahr von der UBS übernommen wurde, setzte der Georgier seinen Feldzug stetig fort.

Unautorisierte Zahlungen nicht gemeldet

Ivanishvilis Hartnäckigkeit ist mit mehreren Schiedssprüchen gegen die CS belohnt worden; zudem offenbarten die Verhandlungen einiges an Peinlichkeiten über den Betrieb bei der einstigen Nummer zwei des Swiss Banking.

So gestand laut der Agentur «Bloomberg» (Artikel bezahlpflichtig) der Anwalt der CS-Tochter in Singapur, dass die Angestellten es dort versäumt hatten, den reichen Top-Kunden Ivanishvili über unautorisierte Zahlungen aus seinem Vermögen ins Bild zu setzen. Die Banker hätten aber immerhin versucht, «ihr inkompetentes Bestes zu tun», um die nicht genehmigten Zahlungen zu addressieren, so der Verteidiger. Schon beim Urteil vom vergangenen Mai war die CS-Trustfirma als ein Selbstbedienungsladen dargestellt worden.

Retten, was zu retten ist

Die UBS, der daran gelegen sein muss, die Altlasten der CS möglichst schnell abzuarbeiten, dürfte angesichts solcher Eingeständnisse zu retten versuchen, was noch zu retten ist.

Für sich selbst genommen spricht die Lescaudron-Affäre Bände über die untergegangene Grossbank. Wird die Optik des bevorstehenden Urteils in Singapur weiter gefasst, zeichnet sich ein Muster für das Swiss Banking ab, dass sich schon im Steuerstreit mit dem Ausland offenbarte: Steht für die Gegenseite genügend Geld auf dem Spiel und sind die Druckmittel ausreichend, werden Schweizer Banken am Ende zahlen. Dies, um schlimmeren Schaden zu vermeiden.

Böses Omen

Das ist ein böses Omen für den Ausgang eines weiteren Fall-Komplexes, bei dem die CS abermals im Zentrum steht. So musste die Grossbank bei ihrer Notrettung im März 2023 auf Geheiss der der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma) eigene Pflichtwandelanleihen (AT1-Bonds) ganz abschreiben. Die mit einem Totalverlust konfrontierten Halter der Anleihen haben seither den Rechtsweg beschritten.

Sie verlangen, den Abschreiber rückgängig zu machen, oder drängen auf Entschädigung. Damit sind die Investoren bereits im Sommer 2023 an das Bundesverwaltungsgericht gelangt.

Im Visier der Kläger stehen zwar nicht die CS, sondern die Finma und allenfalls der Schweizer Staat. Dafür ist der eingeklagte Schaden mit knapp 16 Milliarden Franken um ein Vielfaches höher als bei der Lescaudron-Affäre; mit der Aussicht auf diese Summe lohnen sich Prozesse nicht nur in der Schweiz, sondern auch im Ausland.

Klagesumme rechtfertigt jedes Manöver

Diesbezüglich sind bereits Vorbereitungen in Gange; im einem an die Öffentlichkeit durchgestochenen Brief an das Bundesverwaltungsgericht befürchtete die Finma explizit, dass der Konflikt auf die internationale Bühne getragen wird.

Auch hier sind die Ingredienzen aus dem Fall Lescaudron vorhanden: Die Gefahr von hart urteilenden ausländischen Gerichten etwa, und gut organisierte Kläger, die über viel Zeit und Ressourcen verfügen. Vor allem aber rechtfertigt die Aussicht auf eine Milliardenentschädigung jedes noch so komplexe juristische Manöver.

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