Marco Illy, der oberste Investmentbanker von Credit Suisse in der Schweiz, über sein Engagement für das Rote Kreuz, die Klischees in seiner Branche und die angekündigten Sparrunden.

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Herr Illy, Sie engagieren sich sehr für das Schweizerische Rote Kreuz. Haben Sie als Investmentbanker ein schlechtes Gewissen?

Nein, im Gegenteil, wegen meiner langen Tätigkeit in der Finanzwelt fühle ich mich umso mehr qualifiziert, eine solche Aufgabe zu übernehmen.

Das müssen Sie uns genauer erklären.

Investmentbanken sind Drehscheiben der globalen Kapitalflüsse. Da ich schon lange in diesem Geschäft bin, kenne ich die Probleme sehr gut, die sich im Zusammenhang mit Finanzierungen erheben. Vor dem Hintergrund der Staatsverschuldung in zahlreichen westlichen Ländern kommt es zu massiven Einsparungen. Die Sozialausgaben werden reduziert, und die Entwicklungshilfe kommt zu kurz. Leidtragende sind die Ärmsten der Ärmsten.

Mit Ihrem Engagement wollen Sie also Alarm schlagen?

Mag sein. Tatsache ist, dass die Gefahr besteht, dass die westlichen Länder auf Grund der Krise passiv werden was die Entwicklungshilfe angeht. Gleichzeitig sind die meisten Entwicklungsländer nicht in der Lage, eigene Stimulierungspakete für ihre Wirtschaft aufzusetzen.


«Das Risiko sozialer und politischer Konflikte ist hoch»


Ein instabiles ökonomisches Umfeld erhöht das Risiko sozialer und politischer Konflikte. Umso wichtiger ist nun das Engagement von Institutionen wie dem Schweizerischen Roten Kreuz (SRK) und Vertretern aus der Privatwirtschaft.

Ist Ihr Engagement ad personam oder im Namen der Credit Suisse?

Die initiale Zündung kam vor rund acht Jahren von mir persönlich. Ich holte dann die damalige Credit Suisse First Boston (CSFB), also die Investmentbank der Credit Suisse, an Bord. Grundsätzlich denke ich, dass einem Land wie der Schweiz, das im globalen Vergleich so privilegiert ist, auch im karitativen Bereich eine wichtige Rolle zukommt.

Was sind Ihre persönlichen Motive Ihr Engagement?

Ich habe persönlich immer sehr viel vom Roten Kreuz gehalten, gerade weil diese Institution auch dann noch hilft, wenn das Interesse der Öffentlichkeit nach einer Katastrophe längst erloschen ist. Als es schliesslich im Komitee des SRK zu einem personellen Wechsel kam, bin ich eingesprungen.


«Die Rolle unseres Geschäfts wird oft missverstanden»


Gleichzeitig fand ich, dass sich die CSFB in der Schweiz damals – im Vergleich zu den Kollegen in den USA, aber auch zu den anderen CS-Divisionen – noch mehr für humanitäre und soziale Projekte engagieren könnte. Dass die Investmentbank das SRK finanziell unterstützte, war ein erster entscheidender Schritt. Inzwischen ist die Credit Suisse global ein offizieller Partner des IKRK sowie von verschiedenen nationalen Rotkreuzgesellschaften wie dem SRK. Es erfüllt mich mit Freude und Stolz, dass ich einen wesentlichen Beitrag zu dieser Entwicklung leisten konnte.

Derlei Engagements sind ziemlich untypisch für einen Investmentbanker.

Finden Sie? Man kann sich über die Reputation des Investmentbanking streiten. Ich denke, dass die Rolle unseres Geschäfts in der Öffentlichkeit oftmals völlig missverstanden wird.

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Laut dem Bild in der Öffentlickeit machen Investmentbanker Milliardendeals, kassieren dafür exorbitante Boni und stehlen sich aus der Verantwortung, wenn es schief läuft.

Das sind Klischees. Investmentbanken übernehmen eine enorm wichtige makroökonomische Rolle, indem sie als Drehscheiben für die weltweiten Kapitalflüsse dienen.

Ihrer Branche ging es auch schon besser. Der jüngsten Sparrunde bei den Grossbanken fallen vor allem Investmentbanker zum Opfer.

Bei jeder Unternehmung muss man die Kostenbasis immer im Auge behalten, bei Bedarf muss sie an das Marktumfeld angepasst werden. Die angekündigten Sparmassnahmen betreffen das Investmentbanking der Credit Suisse in der Schweiz derzeit aber nicht. Dies auch dank dem robusten Geschäft, das wir in den zwanzig Jahren, in denen ich in diesem Bereich verantwortlich bin, aufgebaut haben.

Was ist am Schweizer Investmentbanking anders?

Die Schweiz ist ein wirtschaftlich starkes Land, das auch auf Grund seiner vielen, international tätigen Firmen weltweit extrem vernetzt ist. Entsprechend gross ist der Bedarf an Finanzierungen und Kapitaltransaktionen. Hier leisten wir einen wesentlichen Beitrag zur Prosperität der Schweizer Wirtschaft und letztlich auch zum Wohlstand unseres Landes.


«Der Schrumpfkurs ist zyklisch bedingt»


Die Credit Suisse ist in der Schweiz im Investmentbanking die unangefochtene Marktführerin. Daran wird sich auch nichts ändern, zumal die Mittelbeschaffung selbst für kleinere Unternehmen zunehmend über den Kapitalmarkt erfolgt. Wir sind die Vermittler.

Im Moment ist das Investmentbanking aber eher auf Schrumpfkurs.

Das ist zyklisch bedingt. Das Investmentbanking folgt einem säkularen, also langfristigen Trend, der nicht beeinflussbar ist. Wegen der fortschreitenden Globalisierung werden die Kapitalströme weiter anschwellen und der Bedarf an Geld wird entsprechend gross bleiben.


«Es ist nicht unsere Aufgabe, grosse Wetten im Eigenhandel einzugehen»


Die Mittelbeschaffung an den Finanzmärkten sowie die Aufteilung von Risiken, nicht zuletzt über so genannte Verbriefungen, werden immer wichtiger. Diese «Ströme» zu bewirtschaften, ist unsere Aufgabe – und nicht kurzfristige «Swings» an der Börse auszunützen oder grosse Wetten im Eigenhandel einzugehen.

Um beim Pekuniären zu bleiben: Kürzlich fand das jährliche Charity-Dinner des SRK in Zürich statt. Was brachte der Anlass finanziell?

Wir haben mehr als 420'000 Franken eingenommen. Damit kann das SRK konkrete Projekte in Laos und in Togo umsetzen. Wie wir festgestellt haben, besteht ein enormer Bedarf an sauberem Wasser. Für uns ist es selbstverständlich, wenn wir uns überlegen, ob wir Wasser mit oder ohne Kohlensäure, Mineralwasser aus der Schweiz, Italien oder Frankreich trinken sollen.


«Ein unterträglicher Zustand»


Die Realität in den Entwicklungsländern ist eine andere: eine Milliarde Menschen sind ohne Zugang zu sauberem Wasser. Rund 1,5 Millionen Kinder sterben jährlichen deswegen. Ein unerträglicher Zustand. Da kann das SRK bereits mit bescheidenen Mitteln Grosses bewirken.

Was ist Ihr nächstes Ziel?

Dass wir in zwei Jahren die Spendensumme nochmals übertreffen.


Marco_Illy_3Der 51-jährige Marco Illy zählt fraglos zu den Schweizer Investmentbankern mit der längsten Erfahrung. Heute amtet er als Head of Credit Suisse Investmentbanking für das deutschsprachige Europa. Zudem ist er Mitglied im Management Committee Europe der Credit Suisse. Nach seinem Studium an der Hochschule St. Gallen stiess er 1989 zur Credit Suisse, wo er eine steile Karriere machte.

Illy war massgeblich an zahlreichen Transaktionen beteiligt, etwa bei Nestlés Übernahme von Ralston Purina oder beim Verkauf von Alcon an Novartis. Im Kapitalmarkt verantwortete er eine Vielzahl von Transaktionen, darunter für den Bund auch den Verkauf seiner UBS-Beteiligung oder die finanzielle Rekapitalisierung von Konzernen wie Zurich, Swiss Life oder ABB. Ebenso war Illy bei zahlreichen Börsengängen involviert, etwa bei Geberit, Barry Callebaut und Partners Group.

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