Falls sich in den nächsten Jahren keine Schweizer Robo Advisors global behaupten könnten, werde man das Feld der US-Konkurrenz überlassen müssen, sagt der Kaderstellen-Vermittler Ivan Sosio.


Herr Sosio, das digitale Zauberwort der Stunde heisst Robo Advisor, also die computerisierte Allokation von Vermögen. Sie haben kürzlich eine Arbeit publiziert, in der Sie behaupten, diese Technologie werde die traditionelle Vermögensverwaltung unter Druck setzen. Warum?

Die traditionelle Vermögensverwaltung für Privatkunden befindet sich tatsächlich in einem enormen Konsolidierungsprozess. Einerseits steigen die Kosten auf Grund der seit Jahren andauernden Regulierungswelle, anderseits wird es immer schwieriger für die Kunden, in einem historisch nie dagewesenen Tiefzinsumfeld, attraktive Renditen zu erwirtschaften.

Was sind die Konsequenzen?

Die Kosten für die Kunden haben aus diesem Grund markant an Bedeutung gewonnen, gerade weil das Bankgeheimnis, zumindest im OECD-Raum, de facto abgeschafft worden ist. Vor diesem Hintergrund bieten Robo Advisors eine Vermögensverwaltung an, die deutlich günstiger ist, als diejenige traditioneller Anbieter.

«Swiss Banking ist wie ein Fels in der Brandung»

Zudem sind die Eintrittsbarrieren ab einem Vermögen von etwa 5‘000 Franken viel tiefer. Robo Advisors läuten mit ihrem disruptiven Businessmodell das Zeitalter der Online-Vermögensverwaltung für das Kundensegment «Digital Natives» ein und stellen die Bedürfnisse des digitalen Kunden in den Mittelpunkt – bei Wealthfront in den USA sind mehr als 60 Prozent der Kunden unter 35 Jahre alt.

Der Schweizer Finanzplatz war bisher aber eher auf sehr vermögende Personen aus dem Ausland ausgerichtet, die ihr Geld hierzulande verwalten liessen. Diese Klientel soll künftig Robo Advisors benützen?

Es gab und gibt weiterhin gute Gründe, sein Vermögen oder wenigstens einen Teil davon in der Schweiz zu haben. Das Swiss Banking ist legendär. Gerade in der politisch instabilen Weltlage, steht die Schweiz mit ihrer Geschichte der politischen Stabilität und Unabhängigkeit wie ein Fels in der Brandung.

«Die Customer Experience kommt zu kurz»

Diese Vorteile gilt es im Zeitalter von NSA und der Bedrohung von staatlichen Eingriffen (Zypern, Griechenland etc.) auszuspielen. Ich beobachte, dass sich die noch junge Robo-Advisors-Industrie weltweit immer noch auf ihren Heimmarkt konzentriert. Im grenzüberschreitenden Vermögensverwaltungsgeschäft mit Privatkunden ist die Schweiz jedocz weltweit führend. Der Anspruch für Schweizer Robo Advisors müsste nun also darin liegen, diese globale Spitzenposition auch in der Online-Vermögensverwaltung anzustreben.

In diesem Zusammenhang haben Sie in Ihrer Arbeit zwei Schweizer Robo-Advisor-Angebote (TrueWealth und investomat.ch) untersucht. Zu welchen Erkenntnissen kamen Sie dabei?

Beide Schweizer Robo Advisors zeigen ansprechende Ansätze, vermögen aber in Bezug auf die «Customer Experience» noch nicht wirklich zu überzeugen. Die Themen Social Media, Mobile oder Big Data wurden bisher nur teilweise behandelt. Beruhigend ist einzig, dass der Abstand zur US-Konkurrenz noch gering ist.

In Ihrem Befund bemängeln Sie die mangelnde «Customer Experience». Was genau meinen Sie damit?

Die «Customer Experience» befasst sich mit dem Nutzen einer Dienstleistung für den Kunden. Der Kunde wünscht sich in der Online-Welt eine sichere, einfache und unkomplizierte Handhabung. Er möchte sich schnell und übersichtlich zurechtfinden können. Seine Bedürfnisse sollen angesprochen werden.

«Die Möglichkeiten von Social Media und Analytics werden viel zu wenig ausgeschöpft»

Was heisst das in der Praxis?

Wie sieht es aus mit der Navigation, ist sie einfach und intuitiv? Wird mit Videos gearbeitet, um Abläufe oder Inhalte zu erklären? Wie gut ist die mobile Version? Ist der Content relevant? Wie sieht es aus mit der Cyber Security? Wird der Diversity Rechnung getragen? Wie gut ist Social Media eingebunden? Die «Customer Experience» gehört mittlerweile zur Königsdisziplin eines jeden Online-Service-Providers.

Was sollten Schweizer Anbieter bei Ihren Angeboten noch verbessern?

Es geht um viele, wichtige Details. Innerhalb der «Customer Experience» würde ich das Augenmerk auf die Usability, wie Navigation, Darstellung, Mobile Version und der Readability, wie den Content und Textlänge richten. Videos werden viel zu wenig eingesetzt. Die Genderfrage wurde meines Erachtens ebenfalls nicht gestellt. Die Möglichkeiten von Social Media und Analytics werden grundsätzlich viel zu wenig ausgeschöpft.

Nach Ihrem Dafürhalten werden Robo Advisors das Bankwesen revolutionieren. Die grössten und bislang besten Angebote stammen dabei aus den USA. Was hat das für Folgen für die Schweiz?

Die global führenden Robo Advisors wie Wealthfront oder Betterment sind zurzeit mit der Eroberung ihres Heimmarktes USA beschäftigt. Ich gehe davon aus, dass Schweizer Robo Advisors ein Zeitfenster von vier bis sechs Jahren haben, bis die US-Anbieter nach Europa kommen werden.

«Der Anschluss wurde leider schon vor Jahrzehnten verpasst»

Falls sich bis dann keine Schweizer Robo Advisors mit globalem Anspruch behauptet haben, werden wir das Feld der US-Konkurrenz überlassen müssen. Schauen wir die Asset-Management-Industrie an. Unter den Top 10 der weltweit grössten Asset Managers per Ende 2014 befinden sich neun US/UK-Anbieter – mit Blackrock, Vanquard und State Street an der Spitze. UBS Global Asset Management kommt als erster Schweizer Asset Manager erst an 23. Stelle. Der Anschluss wurde leider schon vor Jahrzehnten verpasst.

Die Digitalisierung der Finanzbranche wird wohl oder übel zu einem weiteren Abbau von Arbeitsplätzen führen. Wie hoch beziffern Sie diesen Ausfall in den nächsten fünf bis zehn Jahren in der Schweiz?

Das muss man differenzierter anschauen. Einerseits sehe ich, dass gewisse Berufsbilder wie «Proprietary Trader» beinahe verschwunden sind. Auf der anderen Seite entstehen neue Berufsbilder wie «Customer Experience Manager» oder «Social Media Manager».

«Aus- und Weiterbildung werden weiter an Bedeutung gewinnen»

Generell werden sich viele Finanzdienstleister vermehrt in Richtung Technologie-Unternehmen entwickeln. Diese Transformation muss aber nicht zwingend mit einem massiven Stellenabbau einhergehen. Bestimmt werden aber vermehrt IT-Skills, Social Media und Digital Knowledge in den neuen Berufsbildern nachgefragt werden. Aus- und Weiterbildung werden aus diesem Grund weiter an Bedeutung gewinnen.


Ivan Sosio ist Senior Consultat bei der 2003 von ihm gegründeten Firma Swiss Executive Search. Das Unternehmen ist auf die Rekrutierung, Vermittlung und Beratung von hochqualifizierten Spezialisten aus der Finanz- und Consultingindustrie konzentriert.

Sosio verfügt über eine fast 30-jährige Berufserfahrung, die er sich bei diversen Finanzinstituten erwarb. Er arbeitete unter anderem als Swiss Equity Sales in Zürich, Paris und New York, zuletzt in dieser Position für die Genfer Privatbank Pictet. Er hat ein BBA des Schweizer Instituts für Betriebsökonomie.

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