In der Schweiz sind zahlreiche Start-ups angetreten, um die etablierten Finanzkonzerne zu verdrängen. Doch dazu fehlt den Angreifern oft etwas ganz Elementares, folgert eine neue Studie.

Die Disruption ist abgesagt – das fand finews.ch mit Blick auf die Fintech-Branche bereits im letzten Jahr. Schon damals zeichnete sich ein Wandel in der Szene ab, der sich seither fortsetzt: Bei der Innovation haben die Grosskonzerne das Zepter an sich gerissen. Erfolgreiche Start-ups sind in der Regel jene, die sich einer Bank oder einem Versicherer angeschlossen haben.

Kooperation, nicht Disruption, heisst das neue «Buzzword» bei der Digitalisierung der Finanzbranche.

Was den jungen Wilden abgeht

Das dem so ist, ist als Sieg der angestammten Player zu werten. Dass diese nicht wie von den «jungen Wilden» erhofft aus dem Rennen gedrückt wurden, hat sehr viel damit zu tun, dass Grosskonzerne etwas haben, was den Start-ups abgeht – Kunden.

Eine neue Studie des Beratungsunternehmens EY und der Universität St. Gallen (HSG) formuliert es noch Elementarer: Die Währung im Finanzwesen ist das Vertrauen. Wer dieses zu gewinnen weiss, der bekommt auch die Kundschaft und dominiert am Ende das Geschäft. Der Analyse liegen Gespräche mit zwölf Experten bei hiesigen Finanzfirmen und Fintechs zugrunde; ebenso wurde eine Umfrage bei über 400 Schweizer Konsumenten durchgeführt.

Im Kern gehts ums Vertrauen

Was die Studienautoren herausfanden: Traditionelle Unternehmen haben aufgrund ihres bestehenden Bekanntheitsgrads und ihrer Reputation einen Vertrauensvorschuss gegenüber Start-ups. Im Experiment genossen sie ein bis zu 9 Prozent höheres «Vertrauen» als Jungfirmen, so die Studie.

Noch ein weiterer – entscheidender – Vorteil kommt für die etablierten Marktteilnehmer hinzu. Sie sind dank dem in der Historie aufgebauten Filialnetz nahe beim Kunden. Überraschenderweise ist es nämlich der persönliche Kontakt, der auch im Zeitalter der Digitalisierung noch den Ausschlag fürs Geschäft gibt, lautet die Kernthese der Autoren.

Misstrauen gegen Roboter

Bei Organisationen, welche die Möglichkeit zur persönlichen Kontaktaufnahme bieten, ist das Vertrauen um bis zu 34 Prozent höher als bei Firmen, die diese Möglichkeit nicht bieten, wie die Experimente zeigten. Vor allem in der Nutzungsphase, also nach dem Erwerb einer Finanzdienstleistung, ist die Vertrauensbildung mittels persönlichem Kontakt offenbar doppelt so hoch wie in der Kaufphase.

Mit diesem Befund sind die Studienautoren nicht alleine. Eine breiter angesetzte Analyse der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) in Kooperation mit der Firma Pidas kam jüngst ebenfalls zum Schluss, dass viele Kunden gegenüber nicht-menschlichen Kommunikationspartnern wie Chatbots skeptisch eingestellt seien. Und: Guter Kundenservice sei wichtiger als der Preis, so die Studie der ZHAW.

Filialschliessungen wie ein Schuss in den Fuss

Wer als Start-up Terrain gewinnen will, so die Empfehlung von EY und der HSG, muss also an den Kunden heran. Gute geölte digitale Kanäle bringen noch keine Volumen. «Generell haben Start-ups dann eine gute Chance, wenn ihre Innovation einen echten Kundenmehrwert bietet und das Unternehmen in der Nachkaufphase einen persönlichen Kontakt ermöglicht», so die Feststellung.

Umgekehrt warnen die Berater Banken und Versicherer davor, physische Niederlassungen einfach aufzugeben und damit die persönlichen Berührungsfläche zu verringern. «Die Schliessung von Filialen und die Reduktion des Aussendienstes bedeutet eine klare Bewegung vom Kunden weg», stellen sie fest.

Finanz-CEO, die immer mal wieder mit Filialschliessungen drohen, schiessen sich damit in den eigenen Fuss.

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